el-Wawa
(Ende des 10. Jh.s)


Mich zu besuchen kam, die lange schon


Mich zu besuchen kam, die lange schon
Von mir getrennt, Besuch mir nicht gewährt;

Die Menschen sagten, als sie selbe sah'n,
Hat ihn der Vollmond mit Besuch beehrt?

Ich sprach: (die Thränen strömten auf die Wangen),
Ich habe diese Perle ihr verehrt.

Im Garten dieser Schönheit ist mein Auge
Das Becken, das vom Wasser nie geleert,

Und wenn daran ich eine Mühle baute,
Es triebe sie der Thränenstrom als Pferd.

_____



O welch' ein Weib! würd' von der Sonne Sie gesehen,
So würde diese nimmer wollen mehr aufgehen;

Im Wald' von ihren Wimpern harrt der Leu, zu morden
Den, der ein Opfer seiner Leidenschaft geworden.

_____


Sie decket ihr Gesicht mit ihrem Arme,
Dess' Fülle sich enthüllt im vollen Glanz',

Die Augen sehen hin von fern verstohlen,
Lichtsäule ist es in dem Haus' des Mond's.

_____



Sie klagte über Trennung und die Wimpern
Sie gossen eine Schnur von Perlen aus,

Der Augen schwarze Schminke war
Die Schrift von Thränen, halb gelöschet aus.

_____


O du, dess' Wimpern sehnsuchtsschmachtend krank,
Du heilst als Arzt die Liebenden, die kranken!

Ob du zugegen, ob abwesend bist,
Ist gleich dem Liebenden, der in Gedanken;

Sei so entfernet als du immer willst,
Du bist doch immer nah' des Herzens Schranken.

_____



Wenn Trennung Urtheil spricht, ist's nicht dem Freund' zum Guten,
Es glänzt der Säbel nicht, es sei denn um zu bluten;

O Zelt, vertraue mir, wohin sie sind gegangen,
Es kennt nicht das Revier der Liebende voll Bangen.

_____


O meine Seele! Dein gehör' ich, Dein,
Mein Augenziel, du nahmst mein Wesen ein,

Ich lernte für Dich die Worte reih'n,
Die Menschen nannten mich zum Dichterlein;

Du liessest grausam mir nicht Hoffnungsschein,
Und Dich zu fliehen, fällt mir nicht ein.

_____