Arabische Dichter

Aus der Literaturgeschichte der Araber

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1850-56)



Medschnun
(gest. 687)


Ich liebte Leila schon als sie ein kleines Mädchen


Ich liebte Leila schon als sie ein kleines Mädchen,
Die junge Brust empfand noch kaum die zarten Triebe,

Als Kinder weideten mitsammen wir die Heerde,
O wäre doch mit uns gewachsen nicht die Liebe!

_____


Weh' dem, dem Abends die Vernunft sich trübt,
Und dem am Morgen die Besinnung fort,

Der keine Freunde hat, die ihn entschuld'gen,
Sie lachen ihn nur aus sammt seinem Hort.

Wenn Leila's ich gedenk', bin ich vernünftig,
Die Pfänder der Vernunft an ihrem Ort.

Du meidest Leila um sie nicht zu lieben,
Die Liebe nahm die Vorsicht mit sich fort.

Omm Malik, ungerecht bist du gewesen,
Das Echo zieht nun mit dem Winde fort.

_____


O möchte doch das Haar bedecken meine Wangen,
Es ändern dann vielleicht die Nächte sich die langen!

Hat uns're Nachbarin, die edle, Wort gehalten,
Ist sie von denen, die sich ändern sogestalten!

Die hohen Winde, die den Nasenring durchwehen,
O sage, wehen sie von Nedschd's geliebten Höhen?

Weh'n sie Geruch vielleicht von Wüstenkamomillen,
Sind sie es, die um Leila's finst're Locken spielen!

Sind sie vielleicht im Stand die Pein mir abzuschütteln?
Sie, deren Lauf erreicht die Brücke, die sich rütteln,

Und wird die Zeit wohl Acht auf diese Töne geben,
Die sich von reicher Trift zu reicher Trift erheben?

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Bei Gott! hast Leila du an dich gezogen?
Hast einen Kuss von ihrem Mund gesogen?

Hast du berührt die Locken mit den Lippen?
Sind's Kamomillen, die den Thau hier nippen?

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O Berge Naman's! theures Revier,
Von wo der Weg des Ostwinds führt zu mir;

Sei's, dass du Kälte oder Hitze hauchest,
Du führst des Herzens besten Theil mit dir;

Der Ostwind ist der Wind, der, wenn er wehet,
Erheitert Seelen, krank von der Begier.

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Mein Freund, fürwahr! ich kann den Gram nicht tragen;
Womit mich Gott durch Leila hat geschlagen;

Er gibt sie Anderen, mir Lieb' zu ihr,
Könnt' Andere denn Lieb' einflössen mir?

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Was liegt dir wohl an deinem Herzen Medschnun,
Da du von Leila nichts begehrest nun!

Die Lieb' und Freundschaft stehen ihrem Herzen fern,
Indess ihr Aufenthalt in meinem Herzen Kern.

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Ich rannte mit Gewein, sobald der Tubad nah,
Er richtete sich stolz empor als er mich sah,

Ich weinte erst viel mehr, als ich ihn nun erkannt,
Als ich ihm rief und er antwortend mich verstand.

Ich sprach zu ihm: es wohnten vormals Nachbarn hier,
Und eine Freundesschaar, die war verbündet mir;

Er sprach, sie gingen fort und liessen dir das Land,
Wer ist es, der Begebenheiten überwand?

Aus Vorsicht wein' ich heut für künft'ge Stunde,
Ob deiner Trennung, denn die Leben geh'n zu Grunde.

_____


Was ist es, was der Schwätzer Zunge übt,
Als das Gered': ich sei in dich verliebt.

Die Schwätzer sprechen wahr, ich bin in dich verstrickt,
Und wenn auch das Gered' beschreibend nicht ausschmückt.

Aus deinen Zähnen strömt für mich der Wein,
Der wird, mit Wolkennass gemischt, mein Nachttrunk sein.

Wenn ich ihn kost', aus meinen Augen Feuer spritzt,
Wie Wetterstrahl, der in der höchsten Wolke blitzt.

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Ich sag' dem Freunde: sie ist Sonne oder Stern,
Ihr Strahlenglanz ist nah, doch ihr Besitz ist fern,

Anhänglich ist das Volk, doch nimmer so wie ich,
Und Keiner übertrifft an Müh' und Sorgen mich.

Mir liess die Leila nichts als blosse Haut und Bein,
Wenn's dauert, werd' ich bald nicht Bein, noch Haut mehr sein.

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Der, welcher wähnt, dass dich das Leben ekle an,
Ist der in Liebe wie du ihr bist zugethan;

Und wollen sich bei ihr Trostgründe auch einschleichen,
So spricht das Herz, sie müssen aus dem Inn'ren weichen.

Ein weisses Mädchen, die jungfräulich wohl genährt,
Im Grössten wie im Kleinsten, gleich voll Schmuck und Werth.

Ich würd' im Innern nicht Sehnsucht nach ihr nähren,
Wär's nicht, um Schatten ihr am Morgen zu gewähren.

Die Liebe hat mich unter'n Rippen ausgezehrt,
O wär' mir dieses unter ihrem Bett bescheert!

Verdecket hab' ich, was Ihr wünschet, euch zum Besten,
Doch meinem Freund' sprach ich von Kleinsten und vom Grössten.

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Die Pilger, die in Mekka sich zusammenfinden,
Sie bitten Gott um die Verzeihung ihrer Sünden,

Ich aber rief: o Gott! das erste, was ich flehe,
Ist Leila, dann mit mir in das Gericht erst gehe;

Wenn du mir Leila gibst, so werd' in meinem Leben
Ein gutes Beispiel ich von wahrer Reue geben.

Ich scheue dich, doch deine Macht wehrt ab ein Schild,
Indem mein Aug' vom Bild der Liebenden gefüllt.

Die Seel', o Leila! hat von dir sich nicht getrennt,
Wiewohl nur Weniges du mir zum Loos erkennt.
_____


Du hast die Eigenschaften der Gaselle,
Den Blick, die Anmuth und den schnellen Lauf,

Und dass an Ähnlichkeit dir ja nichts fehle,
So setzest du auch Hörner auf.
_____


Sie sagten mir, zu Teima wohnt
Die Leila, wo sie nächtlings thront,

Die Sommermonde gehen hin,
Die ohne Leila kein Gewinn;

Ich zähl' die Nächte Nacht auf Nacht,
Für Leila hab' ich sie durchwacht.

Ich gehe krank aus dem Revier
Der Seel' erzähle ich von Ihr,

O ihr von Jemen steigt herauf
Und hemmet des Verderbens Lauf,

Ist sie zur Rechten, ist es recht,
Links ist die Liebe, linkisch schlecht,

Denk' betend Morgen ich an Sie,
So bete ich, ich weiss nicht wie,

Hab' Beugungen ich zwei gemacht,
Sind's deren vier, sind's deren acht,

Nicht mir gehör' ich weiter an
Die Leila hat's mir angethan,

Gott gab wie And'ren mir die Liebe,
Dass ich der Leila treu nur bliebe,

Verläumder zu Jemame ruht,
Indessen ich zu Hadhramut;

Ich bin mit Lieb' ihr so ergeben,
Dass ihrem opf're ich mein Leben,

Zufrieden trag' ich meine Last,
Aufrichtig liebend und gefasst,

Wenn ich ihr klag' sagt sie: du lügst,
Ich seh' sicht, dass du härter liegst,

Die wahre Liebe zeigt sich dann,
Wann Eingeweid' der Haut klebt an,

Und wann der Liebende so fragt
Ergebung nicht daran.
_____

Du sagst (der Stamm ist fern), du wollest Leila sehen,
O lasse solchen Wunsch der Seele nie beigehen,

Wie wär' es möglich, dass du stillest je diess Sehnen,
Bevor dein Auge ist gereiniget durch Thränen,

Begnüge dich von Ihr, was Sagen künden,
Die überall Eingang in Ohrenritze finden.

_____


 

Medschnun: Er steht an der Spitze aller Dichter Liebeshelden dieses Jahrhunderts, nicht nur der Zeitfolge seines Todes nach, sondern auch als der in Europa Berühmteste. Die Geschichte seiner Liebe mit Leila hat persischen und türkischen Poeten reichen Stoff zu romantischen Gedichten gegeben; im Arabischen ist kein romantisches Epos desselben bekannt, so sehr widerstrebt der lyrische Genius des Arabers dem epischen des Persers, aber desto häufiger sind die Anspielungen auf die Liebe Leila's in der arabischen Poesie und Prosa. Der lieberasende Medschnun, dessen Sage durch die Kreuzfahrer nach Europa gekommen, ist das Vorbild des Orlando furioso geworden. Mit Medschnun's Namen ward auch der seiner Geliebten Leila in Europa bekannt, aber noch gar nicht, oder nur sehr wenig bekannt ist, dass es unter den vielen berühmten Frauen, welche den Namen Leila führen, es nächst der Geliebten Medschnun's noch eine andere berühmte Leila, die Geliebte Tewbet's, Zeitgenossin jener, gab; diese heisst Leila die Achjelische. Das Datum des Todes Medschnun's haben wir nur in der ägyptischen Geschichte Tagriberdi's gefunden, dessen Artikel also auch hier denen aus dem Agani, Ibn Koteibe und Ibn Seidun vorausgeschickt wird.
Kais Ibn Moas el-Medschnun, dessen eigentlicher Name el-Bohtori Ibnol Dschad gewesen sein soll; seine Geliebte war Leila, die Tochter Mehdi's Omm Malik, die Aamirische. Malik gehörte dem Stamme der Beni Aamir B. Ssassaa, nach Anderen dem Stamme der Beni Kab B. Sad an; die Liebe zu Leila schrieb sich von ihren Kinderjahren her, wo sie mitsammen Schafe weideten; desshalb sagte er:
An Leila hing ich mich, begabt mit schönen Haaren,
Als an den Brüsten kaum die Höh'n noch sichtbar waren,
Wir weideten mitsamm' die kleinen Schaf' in Ehren,
O wenn doch wir und sie nicht gross geworden wären.

Medschnun's Name soll nach Einigen Mohdi gewesen sein, allein Kais ist der wahre, indem er sich selber so nennt, einer der grössten Dichter der Beduinen, dessen Verse ein Muster von Zartheit. Ebiss-ssachr el-Hodeili spielt darauf an, wenn er sagt:
O Leila's Trennung an das Ziel bin ich gekommen,
Und weiter kam ich noch als Trennung je gekommen,
Denn ihre Liebe mehrt die Sehnsucht jeden Tag,
Der Trost der Liebenden ist nur der jüngste Tag.

Assmai sagt: Medschnun sei nicht wirklich wahnsinnig gewesen, sondern nur so genannt worden seiner rasenden Liebe zu Leila willen. Medaini sagt: Ausser dem berühmten Geliebten Leila's Kais B. Moas aus dem Beni Aamir, habe es noch andere Medschnun gegeben, einen der Beni Okail, einen der Beni Nomeir, einen der Beni Dschade. Ibnol Kelb sagt, die Sage von Medschnun und Leila sei das Werk eines jungen verliebten Mannes aus der Zeit der Beni Omeije gewesen, welcher, um seine Liebe zu seiner Base zu verstecken, seine für sie geschriebenen Gedichte dem Medschnun zugeschrieben. Ebu Amru esch-schebani erzählt, dass er mit dem Sohne des Medschnun gesprochen, welcher ihn versichert, sein Vater habe Kais Ibnol-Moluh geheissen, und Medschnun am Grabe desselben die Todtenklage gesungen, welche beginnt:
Am Grab Moluh's hab' ich Kamel geopfert.
Die Geliebte Medschnun's, Leila, war die Tochter Sad B. Mohdi B. Rebiaa B. el-Harisch B. Kab B. Rebiaa B. Aamir B. Ssassaa's, ausgezeichnet durch Schönheit und Geist. Assmai erzählt: er habe einen Araber der Beni Aamir B. Ssaassaa um den Medschnun gefragt, dieser habe geantwortet: Um welchen? denn es gab deren mehrere, um den, der in Leila verliebt, sie in Versen pries? Er antwortete: Alle die sich in sie verliebten, verliebten sich bis zur Raserei (Medschnun), und er sagte ihm sogleich Verse von Mosahim B. el-Hares el-Medschnun, dann von Moas B. Koleib el-Medschnun und von Mohdi Ibnol-Moluh el-Medschnun. Nach Ibnol-Arabi war Moas der Sohn Koleib's bis zur Raserei in Leila verliebt, und theilte seine Raserei und Leila's Liebe mit Mosabim B. el-Hares el-Okaili. Dschahis sagt, dass man das Schönheitslob auf Leila einem einzigen Medschnun zugeschrieben, während ein Theil davon dem Kais B. Doreidh, Anderes dem Medschnun der Beni Aamir zugehört.
Ibn Dab erzählt, dass er einen aus dem Beni Aamir gebeten, ihm einige Verse Medschnun's, d. i. des Wahnsinnigen, herzusagen. Was willst du mit den Versen eines Wahnsinnigen, da doch so viele vernünftige Dichter vorhanden? Auch weiss ich gar nicht, welchen du meinst, der Wahnsinnigen gibt es viele. Ich meine, sagte Ibn Dab, den, der aus Liebe Leila's den Verstand verlor und den Geist aufgab. Der Mann der Beni Aamir behandelte diess als ein Märchen, indem sein den Beni Nisar angehöriger Stamm zu tapfer und zu männlich, um solchen Schwächen wie verzweifelnde Liebe sich hinzugeben. Trotz dieser Einrede lebt die Liebe Medschnun's und Leila's und ihre Geschichte nicht nur in Arabien sondern im ganzen Morgenlande fort, und die Verse, welche die verschiedenen Epochen derselben bezeichnen, gehören unter die gelungensten und gesungensten.
Medschnun (oder vielmehr mehrere dieses Namens) liebte Leila, die Tochter Mohdi's B. Mohdi B. Rebiaa. Ibnol-Harisch B. Kab, Ibn Rebiaa Ibn Ssassaa mit dem Vornamen Omm Malik. Medschnun und Leila waren schon als Kinder in der Schule in einander verliebt, und wurden, als sie heranwuchsen, getrennt; da sagte Medschnun:
Ich liebte Leila schon als sie ein kleines Mädchen,
Die junge Brust empfand noch kaum die zarten Triebe,
Als Kinder weideten mitsammen wir die Heerde,
O wäre doch mit uns gewachsen nicht die Liebe!
Nach Anderen so:
Ich liebte Leila mit den langen Haaren,
Als ihrer Brüste Warzen winzig waren,
Wir weideten die Schafe, als wir klein,
O möchten wir nicht gross geworden sein!

Als die nächste Veranlassung seines Wahnsinns wird die folgende erzählt. Medschnun zog eines Tages an dem Orte vorbei, wo Leila mit ihren Gespielinnen, mit denen er sich in ein Gespräch einliess, und ihnen ein Kamel schlachtete; sie waren im besten Gespräche als in einer arabischen Bordet ein junger Mann erschien, dessen Name Monasil Jesrib Masa, d. i. Monasil der Ziegendieb; sobald sie ihn erblickten, versammelten sie sich um ihn und liessen den Medschnun stehen, der erzürnt sagte:
Ihr wisst, dass mein Kamel der Schönen Opfer fiel,
Und dass gekommen ich zugleich mit Monasil.
Als er gekommen, klirrten gleich die Ornamente,
Wie nie zuvor der Knöchelringe Schall gefiel,
Den Pfeile gleich, die von Bogen abgeschossen,
So tödtet mich sein Pfeil, wenn er mich nimmt zum Ziel.

Am folgenden Tage unterhielt sich Leila mit ihm, und von dem Augenblicke an war es um seine Vernunft geschehen; er warf die Kleider von sich, ging nackt, betete nicht mehr, spielte mit der Erde und häufte Gebeine um sich auf. Da warb um sie Wird B. Mohammed, der nur zehn Kamele bot, während Medschnun bereits fünfzig rothe für sie geopfert hatte; ihre Verwandten wählten für sie den Wird, und vermählten sie ihm wider ihren Willen.
Merwan Ibnol-Hakem hatte den Omer B. Abderrahman B. Auf aufgestellt, um die Almosen (Ssadakat) der Stämme Beni Kab, Koscheir, Dschade, Koreisch, Habin und Abdallah zu verwalten. Er sah den Medschnun ehe noch in ihm sein Wahnsinn stätig geworden, und bewunderte, indem er sich mit ihm unterhielt, seinen Geist. Er machte ihm den Vorschlag, mit ihm auszuziehen, den Medschnun annahm; in dem Augenblicke, wo sie aufbrechen sollten, kam Kunde vom Stamme Leila's, dass dieselben die Hilfe der Regierung wider ihn angerufen und Vergiessung seines Bluts begehrt hätten. Auf diese Nachricht nahm Omer die jungen Kamele, die er dem Medschnun geschenkt hatte, zurück; da sagte er:
Ich gab zurück koreischitisches Kamel,
Sobald ich sah', dass in der Worterfüllung Fehl,
Sie zogen fort, und liessen mich allein zurück
Den Gram damit zu bessren mein hart' Geschick.

Er verfiel nun in stäten Wahnsinn. Im folgenden Jahre kam Newfil, der Sohn Mosahib's, der sich seiner erbarmte, ihn kleidete und mit sich nahm, um für ihn um Leila's Hand zu werben; allein er wurde von dem Stamme mit Waffen zurückgewiesen, da Medschnun's Blut ihnen von dem Sultan (der Regierung) preisgegeben sei. Medschnun sagte in einem seiner lichten Augenblicke:
Weh' dem, dem Abends die Vernunft sich trübt,
Und dem am Morgen die Besinnung fort,
Der keine Freunde hat, die ihn entschuld'gen,
Sie lachen ihn nur aus sammt seinem Hort.
Wenn Leila's ich gedenk', bin ich vernünftig,
Die Pfänder der Vernunft an ihrem Ort.
Du meidest Leila um sie nicht zu lieben,
Die Liebe nahm die Vorsicht mit sich fort.
Omm Malik, ungerecht bist du gewesen,
Das Echo zieht nun mit dem Winde fort.

Sein Vater und seine Mutter, um ihn vom Wahnsinn zu heilen, führten ihn nach Mekka, und der Vater beschwor ihn, Gott beim heiligen Hause um die Wiederkehr seiner Vernunft zu bitten. Statt dessen betete er: O mein Gott! mehre meine Liebe zu Leila, und lass' mich sie nie vergessen. Von nun an ging er nur mit den Thieren der Wüste um, liess sich Haar und Nägel wachsen, und ward mit denselben befreundet und vertraut. So verirrte er sich in der Wüste bis nach Syrien, von wo mitleidige Seelen ihm den Weg zurück nach Nedschd wiesen. Den Ebu Meskin, der von Nedschd, der Heimath Leila's, kam, fragte er lang von Thal zu Thal, von Ort zu Ort aus, weinte und sagte dann:
O möchte doch das Haar bedecken meine Wangen,
Es ändern dann vielleicht die Nächte sich die langen!
Hat uns're Nachbarin, die edle, Wort gehalten,
Ist sie von denen, die sich ändern sogestalten!
Die hohen Winde, die den Nasenring durchwehen,
O sage, wehen sie von Nedschd's geliebten Höhen?
Weh'n sie Geruch vielleicht von Wüstenkamomillen,
Sind sie es, die um Leila's finst're Locken spielen!
Sind sie vielleicht im Stand die Pein mir abzuschütteln?
Sie, deren Lauf erreicht die Brücke, die sich rütteln,
Und wird die Zeit wohl Acht auf diese Töne geben,
Die sich von reicher Trift zu reicher Trift erheben?

Der Anfang des Wahnsinns der Liebe Medschnun's schreibt sich vom Tage her, als ihn sein Vater, dem unvorhergesehen Gäste gekommen, an Leila's Vater mit der Bitte sandte, ihm einen Becher voll geschmolzener Butter zukommen zu lassen. Der Vater Leila's befahl seiner Tochter, den Becher des Kais aus dem Schlauche, welcher die geschmolzene Butter enthielt, zu füllen. Leila begab sich mit dem Schlauche aus dem Zelte zu Medschnun. Ihr gegenseitiger Anblick verwirrte sie Beide so sehr, und sie hatten sich so viel zu sagen, dass, als der Becher des Kais längst voll, die Butter noch immer auf die Erde fortrann. Der Vater, dem die Tochter zu lange ausblieb, sah durch eine Ritze des Zeltes die beiden Liebenden in gegenseitigem Anschauen verloren, während die Butter immer auf die Erde floss. Nun war der Tumult auf, und Leila bald hernach an einen reichen aber rohen Mann vermählt, der aus Eifersucht ihr auszugehen verbot, so dass Medschnun, hierüber wahnsinnig, sich in die Wüste begab und mit den Thieren derselben lebte. Einer seiner Freunde, der ihn aufsuchte, fand ihn, wie er in den Sand mit den Fingern Linien zog, welche das Bild Leila's vorstellen sollten; um ihn aus seiner Melancholie zu wecken, sagte der Freund, wie schön hat der Dichter gesagt:
Das tiefe Aug', das meine Thränen ausgehöhlt,
Ist Warnung dem, der ist und sein wird in der Welt.
Er weinte so, dass der Sand unter seinen Füssen von dem Strome seiner Thränen feucht, und sagte dann: besser als viele Dichter habe ich gesagt:
Du hast dich mir genaht, bis du mich ganz besessen,
Mit Worten, die auflösen konnten Giesstroms Kies,
Denn ohne meine Schuld hast du mich ganz vergessen,
Was zwischen meinen Rippen brennt und nagt ist diess.

Otbi erzählt, dass Medschnun eines Tages beim Gemahle Leila's vorbeigegangen, der eben ein Lamm briet. Als ihm der Geruch des Bratens in die Nase kam, blieb er stehen und sagte:
Bei Gott! hast Leila du an dich gezogen?
Hast einen Kuss von ihrem Mund gesogen?
Hast du berührt die Locken mit den Lippen?
Sind's Kamomillen, die den Thau hier nippen?

Ja, sagte der Gemahl Leila's, wenn ich schwören muss: da griff der Wahnsinnige nach den glühenden Kohlen und hielt sie, bis er ohnmächtig niederfiel. Ehe er noch ganz wild geworden, waren eines Tages seine Genossen mit ihm nach Wadiol Kora gezogen. Dort, sagten ihm ein paar Jünglinge, sind die Berge Naman, wo sich Leila einmal niedergelassen. Welcher Wind, sagte er, weht denn von dort her? Sie sagten, der Ostwind. Bei Gott! sagte er, ich verlasse den Ort nicht, bis nicht der Ostwind weht, der über die Spuren ihres Zeltes gegangen sein wird. Sie verweilten mit ihm drei Tage bis der Ostwind aufsprang, dann sagte er:
O Berge Naman's! theures Revier,
Von wo der Weg des Ostwinds führt zu mir;
Sei's, dass du Kälte oder Hitze hauchest,
Du führst des Herzens besten Theil mit dir;
Der Ostwind ist der Wind, der, wenn er wehet,
Erheitert Seelen, krank von der Begier.

Ibrahim B. Sad ef-fehri erzählt, dass er einen Mann aus dem durch brennenden Liebe so bekannten Stamme der Beni Ofret gefragt:
Ob die Ofret oder Aamir zärtlicheren Herzens? Wir, sagte der Mann, sind die zärtlichsten Herzen, nur ihren Medschnun haben die Beni Aamir vor uns voraus, ihn, der gesagt hat:
Ich wünschte Leila wachs' an Reiz und Zier,
Den Männer'n kostet ihren Kopf Begier;
Sie kam allein; wie konnten Zeugen hier auftreten,
Die gegenseitig nichts hier einzuwenden hätten?

Die letzten Verse, die er noch bei gesunder Vernunft gesagt, sollen die folgenden gewesen sein:
Mein Freund, fürwahr! ich kann den Gram nicht tragen;
Womit mich Gott durch Leila hat geschlagen;
Er gibt sie Anderen, mir Lieb' zu ihr,
Könnt' Andere denn Lieb' einflössen mir?

Gleich darauf erkrankte er, und suchte die Gesellschaft der Thiere des Waldes auf.
Einige sagen, er habe den Namen Medschnun vom Verse:
Was liegt dir wohl an deinem Herzen Medschnun,
Da du von Leila nichts begehrest nun!
Die Lieb' und Freundschaft stehen ihrem Herzen fern,
Indess ihr Aufenthalt in meinem Herzen Kern.

Der Berg der Beni Aamir, wo Leila und Medschnun als Kinder spielten, hiess Tubad; als sich Medschnun auf der Wallfahrt nach Mekka in der Wüste bis nach Syrien verirrt hatte, und von da nach Nedschd gewiesen ward, und endlich nach langem Fragen zum Berge Tubad kam, sagte er:
Ich rannte mit Gewein, sobald der Tubad nah,
Er richtete sich stolz empor als er mich sah,
Ich weinte erst viel mehr, als ich ihn nun erkannt,
Als ich ihm rief und er antwortend mich verstand.
Ich sprach zu ihm: es wohnten vormals Nachbarn hier,
Und eine Freundesschaar, die war verbündet mir;
Er sprach, sie gingen fort und liessen dir das Land,
Wer ist es, der Begebenheiten überwand?
Aus Vorsicht wein' ich heut für künft'ge Stunde,
Ob deiner Trennung, denn die Leben geh'n zu Grunde.

Ibn Nobate gibt mehrere Proben von Medschnun's Versen, wovon die folgenden:
Was ist es, was der Schwätzer Zunge übt,
Als das Gered': ich sei in dich verliebt.
Die Schwätzer sprechen wahr, ich bin in dich verstrickt,
Und wenn auch das Gered' beschreibend nicht ausschmückt.
Aus deinen Zähnen strömt für mich der Wein,
Der wird, mit Wolkennass gemischt, mein Nachttrunk sein.
Wenn ich ihn kost', aus meinen Augen Feuer spritzt,
Wie Wetterstrahl, der in der höchsten Wolke blitzt.
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Ich sag' dem Freunde: sie ist Sonne oder Stern,
Ihr Strahlenglanz ist nah, doch ihr Besitz ist fern,
Anhänglich ist das Volk, doch nimmer so wie ich,
Und Keiner übertrifft an Müh' und Sorgen mich.
Mir liess die Leila nichts als blosse Haut und Bein,
Wenn's dauert, werd' ich bald nicht Bein, noch Haut mehr sein.

Unter seine schönsten Verse gehören die folgenden, die er, schon ganz abgezehrt dem Tode nah', gesungen:
Der, welcher wähnt, dass dich das Leben ekle an,
Ist der in Liebe wie du ihr bist zugethan;
Und wollen sich bei ihr Trostgründe auch einschleichen,
So spricht das Herz, sie müssen aus dem Inn'ren weichen.
Ein weisses Mädchen, die jungfräulich wohl genährt,
Im Grössten wie im Kleinsten, gleich voll Schmuck und Werth.
Ich würd' im Innern nicht Sehnsucht nach ihr nähren,
Wär's nicht, um Schatten ihr am Morgen zu gewähren.
Die Liebe hat mich unter'n Rippen ausgezehrt,
O wär' mir dieses unter ihrem Bett bescheert!
Verdecket hab' ich, was Ihr wünschet, euch zum Besten,
Doch meinem Freund' sprach ich von Kleinsten und vom Grössten.

Das Distichon, welches Ibn Seidun seinem Sendschreiben aus den Versen Medschnun's entlehnt hat, ist das vorletzte der folgenden:
Die Pilger, die in Mekka sich zusammenfinden,
Sie bitten Gott um die Verzeihung ihrer Sünden,
Ich aber rief: o Gott! das erste, was ich flehe,
Ist Leila, dann mit mir in das Gericht erst gehe;
Wenn du mir Leila gibst, so werd' in meinem Leben
Ein gutes Beispiel ich von wahrer Reue geben.
Ich scheue dich, doch deine Macht wehrt ab ein Schild,
Indem mein Aug' vom Bild der Liebenden gefüllt.
Die Seel', o Leila! hat von dir sich nicht getrennt,
Wiewohl nur Weniges du mir zum Loos erkennt.
_____

Du hast die Eigenschaften der Gaselle,
Den Blick, die Anmuth und den schnellen Lauf,
Und dass an Ähnlichkeit dir ja nichts fehle,
So setzest du auch Hörner auf.
_____

Sie sagten mir, zu Teima wohnt
Die Leila, wo sie nächtlings thront,
Die Sommermonde gehen hin,
Die ohne Leila kein Gewinn;
Ich zähl' die Nächte Nacht auf Nacht,
Für Leila hab' ich sie durchwacht.
Ich gehe krank aus dem Revier
Der Seel' erzähle ich von Ihr,
O ihr von Jemen steigt herauf
Und hemmet des Verderbens Lauf,
Ist sie zur Rechten, ist es recht,
Links ist die Liebe, linkisch schlecht,
Denk' betend Morgen ich an Sie,
So bete ich, ich weiss nicht wie,
Hab' Beugungen ich zwei gemacht,
Sind's deren vier, sind's deren acht,
Nicht mir gehör' ich weiter an
Die Leila hat's mir angethan,
Gott gab wie And'ren mir die Liebe,
Dass ich der Leila treu nur bliebe,
Verläumder zu Jemame ruht,
Indessen ich zu Hadhramut;
Ich bin mit Lieb' ihr so ergeben,
Dass ihrem opf're ich mein Leben,
Zufrieden trag' ich meine Last,
Aufrichtig liebend und gefasst,
Wenn ich ihr klag' sagt sie: du lügst,
Ich seh' sicht, dass du härter liegst,
Die wahre Liebe zeigt sich dann,
Wann Eingeweid' der Haut klebt an,
Und wann der Liebende so fragt
Ergebung nicht daran.
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Du sagst (der Stamm ist fern), du wollest Leila sehen,
O lasse solchen Wunsch der Seele nie beigehen,
Wie wär' es möglich, dass du stillest je diess Sehnen,
Bevor dein Auge ist gereiniget durch Thränen,
Begnüge dich von Ihr, was Sagen künden,
Die überall Eingang in Ohrenritze finden.

Er sagte, als er hörte, dass Leila in Irak krank sei:
Sie sagen: Leila kränkelt in Irak,
Bedauerst du sie nicht, der da du ihr Freund?
Gott heile meine Krankheit in Irak,
Da selbe mir hier unheilbar erscheint.
 

 

Aus: Literaturgeschichte der Araber
von ihrem Beginne bis zum Ende
des zwölften Jahrhunderts der Hidschret
Von Hammer-Purgstall
Erste Abtheilung
Die Zeit vor Mohammed und die ersten
drei Jahrhunderte der Hidschret
Zweiter Band
Unter der Herrschaft der Beni Omeije vom Jahre der Hidschret 40 (661)
bis 132 (750)
Wien 1851
(S. 350-360)

 

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