Arabische Dichter

Aus der Literaturgeschichte der Araber

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1850-56)



Ibn Monir
(gest. 1152)


Wer hat diesen vollen Mond


Wer hat diesen vollen Mond
Auf rodein'schen Speer gesetzt?

Wer hat in dem Land Jemen
Diesen Zauberstrick genetzt?

Wer hat diese Strahlensonne
Von dem himmlischen Altan

Eingehüllet hier auf Erden
In das Kleid von Chosrewan?

Ist diess zauberischer Blick?
Oder Schwert entblösst der Scheide?

Ist der Wuchs ein frischer Zweig?
Ist es dünner Lanze Schneide?

Schau, sie hat besieget mich,
Der so stolz, hochmüthig eh',

Und gehorsam ist der Leu
Nun dem scheuen flücht'gen Reh.

_____


Sind es nicht des Moschus Tropfen,
Fallend auf des Bambus Rohr?

Ist es nicht der Wein des Speichels,
Perlend aus Korall' hervor?

Wenn den Vollmond man befragte:
Wen beneidest du hienieden?

Wird er deuten auf die Schöne,
Die als Liebste mir beschieden.

Mit verschied'nen Eigenschaften
Sie durch Liebe mich bezwingt,

Durch das, was ich von Ihr höre,
Durch das, was in's Auge springt,

Durch den Stolz, den persischen,
Durch die Wollust, die zu Scham,*

Durch den Zauberreiz von Irak,
Durch die Sprache, die voll Scham;**

So gefährlich ist nicht Wein,
Welcher macht die Köpfe wüste,

Als im Munde einer Türkin
Die Wohlredenheit der Wüste.

Läugnen wollten ihre Augen,
Dass vergossen sie mein Blut,

Doch bekennt die That das Gräules
Ihrer Wange rothe Fluth;

Glaube nicht, das Maal der Wangen
Sei ein Tropfe Blut, geweint,

Kohle ist's von meinem Herzen,
Die gelöschet nun erscheint.

* Scham: Damaskus
** Scham: die Sprache von Hidschas

_____

 

Ibn Monir: von Tripolis, wo zur Zeit Ibn Challikan's dessen Gedichte auf dem Markte gesungen wurden; er war ein Ketzer (Rafidhi). Seiner bösen Zunge willen wollte Buri, der Sohn Togtekin's, des Atabegen von Damaskus, ihm dieselbe ausschneiden lassen, begnügte sich aber dann, ihn zu verbannen. Ibn Monir ging nach Bagdad, wo er und der Dichter Kaiserani sich gegenseitig anfeindeten.
Ibn Challikani berührt noch ein Mal die Eifersucht Ibn Monir's und el-Kaiserani's, und erzählt, dass der Atabeg Sengi dieselbe Nacht, in welcher Ibn Monir, den er um ihm sein Wohlgefallen über seine Verse zu bezeugen, hatte rufen lassen, in's Lager gekommen, ermordet worden sei. (...)
Ibn Challikan erzählt dann nach der Geschichte Ibn Asakir's, den Traum eines Predigers, dem Ibn Monir erschienen sei und gesagt habe, dass zur Strafe für seine böse Zunge, dieselbe sich in's Unendliche verlängert und geschwollen, und dass seine satyrischen Verse in so viele Hunde verwandelt worden seien, die sich in die Zunge festgebissen.
 


 

Aus: Literaturgeschichte der Araber
von ihrem Beginne bis zum Ende
des zwölften Jahrhunderts der Hidschret
Von Hammer-Purgstall
Zweite Abtheilung
Von dem Regierungsantritte Mostekifi-billah's
bis zum Ende des Chalifates zu Bagdad im Jahre 656 (1258)
Siebenter Band
Vom achten Jahre der Regierung des ein und dreissigten Chalifen
Moktefi-bi-emrillah bis zum Falle Bagdad's
d. i. vom Jahre der Hidschret 538 (1143) bis 656 (1258)
Wien 1856
(S. 943-944)

 

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