Nassih-eddin el-Arredschani
(gest. 1149)
Mein Traumbild, das so mager gleicht mir Armen
Mein Traumbild, das so mager gleicht mir Armen,
Es wollte sich allein noch mein erbarmen,
Es ging an meiner Statt zu der Geliebten,
Die wähnte, dass sie sähe den Betrübten,
So schliefen wir mitsamen eine Nacht,
Sie schlief, ich war in ihrem Aug' erwacht.
_____
Sieh das Maal, das unter ihrem Augenwinkel,
Lerne, dass man Schätze findet in dem Winkel.
_____
Ich bin schon alt, der Freund ist jung und frisch,
Wir trennten uns desshalb von Bett und Tisch;
Mein Bart, der eh'mals schwarz, er wird nun grau,
Den Flaum, der eh'mals weiss, ich schwarz nun schau.
_____
Ich fragt' den Wiederhall, wo die Geliebte sei,
Der Wiederhall verschmäht zu sagen wo sie sei;
Ich schrei in's Thal hinein: Wo ist denn die Geliebte?
Die Antwort kam: Wo ist denn die Geliebte?
_____
Nassih-eddin
el-Arredschani: der Richter von Tuster und Asker mokerrem, er war i.
J. 460 (1067) in einer oder der anderen der beiden genannten Städte
geboren; er studierte in der Medresse Nisamije zu Issfahan und seine
Verse verschafften ihm schon in seinem zwanzigsten Jahre den Ruf eines
grossen Dichters, sein Diwan enthält nicht den zehnten Theil seiner
Gedichte. Als der Verfasser der Charidet (nach welcher Ibn Challikan
erzählt) i. J. 549 (1154) Asker mokerrem besuchte, sah er
Arredschani's Sohn, den Mohammed Reis-eddin, der ihm ein grosses Heft
der Verse seines Vaters vorlas. Wiewohl er ein Perser von Geburt,
stammte er doch von den Chasredsch, einem Zweige des Stammes Aus, den
edelsten der Anssaren ab; wohlberedt wie Koss und Ijad, in seinem
Urtheile weise und gerecht wie Salomon. Auf seine doppelte Eigenschaft
als Dichter und Rechtsgelehrter spielt er in den folgenden Versen an:
Ich bin poetischer als alle Richter,
Und der gelehrteste bin ich der Dichter,
Und wenn es mir beliebet Vers' zu schreiben,
Sie ohne Schwierigkeit im Kopfe bleiben,
Wie wenn im Thale süsser Stimme Schall
Zur Antwort rufet auf den Wiederhall.
|