Ebul-Fadhail el-Amidi
(gest. 1211)
Sieh wie der Liebende nur zu der Heimath irrt
Sieh wie der Liebende nur zu der Heimath irrt,
Der Rufer rufet ihn, den Liebe ganz verwirrt,
Der Nachtigallen Lied verdoppelt seine Pein
Und die Vernunft sie ist bei ihm gesperret ein,
Er klaget seinen Schmerz, er weinet heisse Thränen,
Erwachet ist nunmehr, was nie war fort, sein Sehnen.
Sie sagen: Liebe hat gar hart ihn mitgenommen,
Dem Berg Jelemlem wird die Härte nimmer frommen.
O zwingt ihn nicht, der Heissgeliebten zu entsagen,
Er hat sich's auferlegt, wie sollt' er's nicht ertragen;
Sei gnädig Otbe mir, sei gütig mir dem Frommen,
Die Krankheit ist bereits auf's Äusserste gekommen.
Die Weide lernete von Dir den Schwung der Äste,
Als Du erschienst zuerst gekleidet bei dem Feste,
Gasellen lerneten von Dir das schöne Aug',
Nach Dir das schönste ist der wilden Waldkuh Aug'.
Ich hätte ausgehaucht den Schlaf, so wie mein Leben,
Wenn mir Dein Reiz dazu nicht hätte Kraft gegeben,
Vier Zeugen bringe ich von meiner treuen Liebe,
Die Thränen, Traurigkeit, den Gram, die heissen Triebe;
Wenn in Jemen der Berg Jesbul diess je ausstände,
Er hin zum Reiterlein des grossen Bären schwände.
Die Tadler schmähen mich, dass ich Dir bin ergeben,
Ich scher' mich nicht um sie, doch wohl um Dich mein Leben,
Sie sagen, dass mein Sinn die Schönheit nur begehrt,
O seltsam! wann ward denn die Schönheit nicht begehrt?
An heisser Liebe wird mich Keiner je erreichen,
An hoher Schönheit kann sich Keine Dir vergleichen.
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Ebul-Fadhail el-Amidi:
auch Rechtsgelehrter. Er hiess el-Amidi, weil seine Familie
ursprünglich aus Amid, er war aber zu Wasith aus einem guten Hause,
das viele fromme Männer und Überlieferer aufzuweisen hatte, geboren.
Er begab sich nach Bagdad, wo er unter dem Scheich Ebu Thalib
el-Mobarek, dem Schüler Ibn Chall's, und unter Ebul-Kasim Jaisch Ibn
Ssadaka el-Furati die Rechtsgelehrsamkeit nach dem Ritus Schafii
studierte; er war der Correpetitor des Letztern an der Medresse,
welche Sikkat-eddewlet el-Enbari am Thore Efedsch gestiftet hatte, er
trug die Überlieferungen sehr zierlich vor und wusste eine grosse
Menge derselben auswendig. Im Jahre 604 (1207) ward er zum Richter von
Wasith ernannt: er war ein guter Rechner und Dichter.
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