Arabische Dichter

Aus der Literaturgeschichte der Araber

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1850-56)



Jakut er-Rumi
(gest. 1229)


Wenn Du weinst und fern die Freunde sind


Wenn Du weinst und fern die Freunde sind,
Ist's Verstellung nur und blosser Wind,

Wie kannst vergessen Du auf ihre Leiden,
Wenn leer die Heimath ist und leer die Weiden.

Gott raube nicht den uns entfernten Gästen
Den Anblick von Vollmonden und von den Ästen;*

Sie floh'n, mit ihren Sänften floh mein Herz,
Geduld entfloh zu tragen diesen Schmerz,

Kein Zahn entblösset lächelnd sich zur Freude,
Seitdem sie fort Orangen und die Weide. **

Die Thränen fliessen und es brennt mein Herz
Von ihrem Feuer voll von Gram und Schmerz,

In meinem Aug' von Noe strömt die Fluth
In meiner Brust von Abraham die Gluth.

Erlitte Stein was mir ward angethan,
So hielte es nicht aus Ohod' Lobean, ***

Geschmolzen wär' Jesbel (als wär er Thran),
Zerstücket wär' Rodhwa und auch Sehlan.

O Du, der in der Schönheit reich, Sultan!
Du hast des Guten viel mir angethan;

Sei wie Du willst, nichts ändert meinen Sinn,
Du bist der Quell, nach dem ich durstig bin.

* Ästen: Zweigen, d. i. schöne Taillen
** Orangen, das Bild des Busens, die Weide des Wuchses
*** Namen von Bergen, wie die folgenden eigene Namen

_____



Wer kündet meinen sehnsuchtsvollen Sinn,
Wer bringt den Gruss zum Haus' der Grossen hin,

O Wind des Ost's, richt' aus von mir den Gruss!
An ihn, der mir versprochen den Genuss,

Beschreib' ihm meiner Sehnsucht Pein, vielleicht
Dass ihm erbarmenswerth mein Leiden deucht.

O schiefe Stadt, es wohnt in Dir ein Reh,
Das ich in meinen Träumen immer seh',

Von seltner Schönheit, das Geduld mir raubt,
Und meinen Tod für recht und billig glaubt,

Es flieht, es flieht der Schlaf die Augen mein,
Und meine Thränen mischen sich zum Wein,

Mein Leben und mein Tod in seiner Hand,
Der Himmel oder Höll' mir zugewandt,

Wenn es entfernet ist, so ist's mein Tod,
Und seine Näh' zum Leben mir Gebot;

Die Wange glüht, bin mager, wie sie schlank,
Und Ihrer Wimpern Schmachten macht mich krank,

O Tadler, mich entschuldiget ihr Reiz,
Bewiesen durch die Leidenschaft bereits.

die schiefe Stadt: ist hier Bagdad, welche insgemein
die schiefe heisst, weil sie schief über den Tigris gelegen.

_____


 

Jakut er-Rumi: ist von dem gleichnamigen Schönschreiber, mit dem er nicht nur den Namen Jakut, sondern auch den Vornamen Ebu Dorr gemein hat, durch den Beinamen Mohesib-eddin und er-Rumi, d. i. der Grieche, unterschieden, er war ein eben so ausgezeichneter Dichter, als jener ein Schönschreiber, er nannte sich selbst Abderrahman und Ibned-Dobeisi zählt ihn in seiner Fortsetzung der Geschichte Bagdad's unter denen auf, die den Namen Abderrahman führen. Er stand zu Bagdad an der Moschee Nisamije, wusste den Koran auswendig und schrieb eine schöne Hand, seine Gedichte sind meistenstheils erotische. (...)
Auf einen türkischen Knaben, der, mit Augenweh behaftet, eine schwarze Binde trug:
Ein junger Türke, dessen Angesicht
Der Mond und auch zugleich des Ostens Licht,
Trägt über seinem Aug' die schwarze Binde,
Dass der Verliebten Herz die Ruhe finde;
Bei Gott! die weiten Panzer schützen nicht
Vor ihm, der schützet so der Augen Licht.
 

 

Aus: Literaturgeschichte der Araber
von ihrem Beginne bis zum Ende
des zwölften Jahrhunderts der Hidschret
Von Hammer-Purgstall
Zweite Abtheilung
Von dem Regierungsantritte Mostekifi-billah's
bis zum Ende des Chalifates zu Bagdad im Jahre 656 (1258)
Siebenter Band
Vom achten Jahre der Regierung des ein und dreissigten Chalifen
Moktefi-bi-emrillah bis zum Falle Bagdad's
d. i. vom Jahre der Hidschret 538 (1143) bis 656 (1258)
Wien 1856
(S. 1068-1069)

 

zurück

zurück zur Startseite