Morakkisch der Grosse
(Anfang des 7. Jh.s)
Wo sind von Esma's Haus verwischte Spuren?
Wo sind von Esma's Haus verwischte Spuren?
Nur Vögel hausen dort auf öden Fluren,
Ich dachte Esma's, als dem Ort ich nah',
Mir traten Hinderniss' entgegen da;
Ein Nest, in dem ich bleiben wollte nicht,
Nur Schrecken traten uns vor das Gesicht,
Ich fürchtete zu schauen diesen Ort,
Und üble Vorbedeutung trieb mich fort.
Der schnelle Schritt, das aufgeregte Zittern,
Die das Kamel und seinen Mann erschüttern,
Kamel staubfarbes, das seit langer Zeit
So wie der Schlottrige dem Tod geweih't.
Auf mächtigem Kamel durchschnitt ich's Land,
Gar oft als finster schon die Nacht da stand.
Die lange Nacht hindurch vorbei die Feuer,
Von denen Licht zu fordern nicht geheuer,
Um uns erscholl der laute Ruf der Eulen,
Wie Todtenglocken durch die Lüfte heulen.
So lief es bis zum Morgen durch die Stäten,
Wo Winde, spurverwischende, nur weh'ten,
Den Straussen gleich bis es gebunden ward
Ans Zelt, darinnen Frau'n und Mägde zart,
Und als wir abgestiegen, Halt gemacht,
Ward trock'nes Kraut zum Feuer angefacht.
Ich warf ihm vor ein Stück von unserem Braten,
Aus Scham weil Gleiches die Genossen thaten;
Es freute sich mit seinem Kopfe schüttelnd,
Wie Wolf sich freut an seiner Beute rüttelnd.
Im Wüstendunst rennt es auf Pfosten zu,
Als wären's Männerköpf in Wasserfluh';
Wer selbem folget, wird zurecht geführt,
Wenn auch der Staub die Spuren rings verwirr't.
Ich nahm Milchrest und suchte Milch nicht weiter,
Woher käm' Milch, wenn trocken ist das Euter,
Die braune Geissel sticht es wie ein Speer,
Mit dem der Treiber hinter selbem her.
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Morakkisch der Grosse:
ist Rebiat Ben Sad Ben Malik, oder nach Anderen Amru Ben Malik Ben Sad
Ben Dhobeiat Ben Kais Salebet; er ward Morakkisch d. i. der Bunte,
beigenannt von seinem Verse:
Das Zelt ist wüst, nur bunte Spuren sind geblieben,
Als hätte sie der Kiel auf Saffian geschrieben.
Er ist einer der berühmten Liebeshelden der Araber; seine Geliebte war
Esma, Tochter Auf's, des Sohnes Malik Ben Dhobeiat Ben Kais Ben
Salebes, und folglich seine Base, die aber ihr Vater in Abwesenheit
von Morakkisch Einem aus dem Stamme der Beni Murad vermählte.
Morakkisch, als er dieses bei seiner Rückkehr vernommen, nahm einen
Diener aus dem Stamme der Beni Gafilet, mit dem er die Reise zur
Geliebten antrat. Auf dem Wege ward er krank; der Diener verliess ihn
in der Höhle, und kehrte mit der Nachricht zurück, dass er gestorben.
Seine Geliebte liess ihm nachforschen, und fand ihn in der Höhle, wo
schon die wilden Thiere ihm die Nase weggefressen; sie hauchte
hierüber ihren Schmerz in Versen aus, die sie in himjerischer Schrift
auf ihren Sattel schrieb. Als diese zur Kenntniss des Stammes
Morakkisch kamen, brachten sie den Diener zum Geständnisse der
Wahrheit und tödteten ihn.
(...) Als ein Beispiel der Redefigur der getrennten Vergleichung (Teschbih
el-mefruk) gibt der Commentar der Verse des Telchiss das folgende
Distichon des grossen Morakkisch:
Die Haare Musk, die Wangen Gold
Und Anem ihre Finger hold.
Anem:
ein rothe Beeren tragender Baum,
denen die Finger verglichen werden.
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