Arabische Dichter

Aus der Literaturgeschichte der Araber

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1850-56)




Tewbet Ibnol-Homeir
(7. Jh.)


Ich soll (sagt sie) das Haus von Leila nicht besuchen


Ich soll (sagt sie) das Haus von Leila nicht besuchen,
Und fest bestehet sie auf Worten, die sie spricht;

Die Männer sagen zwar: was schadet dir die Liebe?
Ist etwa was die Seelen mindert, schädlich nicht?

Ich wünsche Gutes ihr, und weiss sie wird's geniessen
Am Tage, wo sie des Gefang'nen Fessel bricht.

Die Taube klagt im Thal mit süssen Flötentönen,
Der Himmel geb', dass ihr's an Regen nie gebricht!

Nie fehle ihr Berir, die Frucht des Erakstrauches,
Und ihr Gefieder sei stets glänzend und stets dicht.

Nimm dir ein Beispiel, wenn sie girrt und gurrend schmachtet,
Von ihren Seufzern, die ein süsses Liebsgedicht.

Ich seh', es kommt die Nacht; doch kommt sie ohne Leila,
So kommt sie zwar, doch kommt sie ohne Mondgesicht.

Da Leila ich verschleiert immer nur gesehen,
Verwirrte mich ihr unverschleiertes Gesicht.

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Wenn Leila die Achjilische mich grüsst,
Und neben mir das Grab und Säbel blinkt,

So werde ich mich fröhlich ihr ergeben,
Indem auch aus dem Grab die Liebe winkt.

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Tewbet Ibnol-Homeir: der Liebhaber der Achjelischen Leila. Er war die Ursache des Kampfes zwischen den Beni Auf B. Aamir B. Auf B. Okail. Tewbet erschien als Zeuge der Beni Chafadschet und Beni Auf vor Merwan Ibnol-Hakem, dem Emir Medina's unter dem Chalifate Moawijet B. Ebi Sofjan's. Sewr B. Ebi Semaan B. Kab B. Aamir B. Auf Okail hatte dem Tewbet B. Himjer, der gehelmet und gepanzert, einen Schlag gegeben. Tewbet erhielt Kunde, dass Sewr mit einer Partei der Seinen zum Wasser Hewf ausgezogen, Sewr wurde getödtet. Die näheren Umstände dieser Schlacht sind von minderem Interesse als die seiner Liebe zu Leila, der Achjelischen. Moawije, der Chalife, fragte die Leila um Tewbet: Ist es wirklich wahr, was die Menschen sagen? Leila antwortete: Was die Menschen sagen ist nicht Wahrheit, denn die Menschen beneiden die Glücklichen; Tewbet war, o Fürst der Gläubigen! von eiserner Zunge und stählener Lunge, von grossmüthiger Kunde, und lieblichem Munde. Er war, wie ich von ihm gesagt, und was hast du denn gesagt? fragte der Chalife.
Vom Staube fern, vom Volk nicht zu ergründen,
Zanksüchtig, doch mit Wahrheit abzufinden;
Wenn er das Pferd besteigt zum Schirm und Schutze,
Ist's aller Widerwärtigkeit zum Trutze.
Er schützet mit dem Schwert vor allem Leben,
Gescheut, so lang als Tugenden noch leben.
Wer dir! sagte Moawije, die Menschen wähnen, er sei ein ausschweifender Kameldieb gewesen; da sei Gott dafür! sagte sie aus dem Stegreife:
Bei Gott! er war ein Herr von hohem Muthe,
Mittheilend Dürft'gen von seinem Gute,
Von edlem Stamm, dem Geist dünkt abgewelkt,
Der mit den Händen stets die Grossmuth melkt,
Der klar, und ferne sieht, von Festigkeit,
Belebend, und von wenig Schwierigkeit.
Sobald der Gast erscheint, schreit sein Kamel,
Und Überfluss erfolget ohne Fehl.
Den Hunger kenne, wer die Nacht durchwacht
Für seinen Gast; du thust dich selbst in Acht,
Du kleidest Nackte, speisest das Gedränge,
Der Elende ist der, dess' Wohnungen zu enge.
Du übertreibst, sagte Moawije; im Gegentheil, sagte Leila, ich sage zu wenig; nun, was für ein Mann war er denn? fragte Moawije weiter, und Leila antwortete:
Die Tode kamen, als er war vollendet,
Und jedes lange Haar war kurz gewendet;
Er kam gleich einem Leu, der in der Schlucht,
Beschützt die Weiber, und des Leibes Frucht,
Sanftmüthig, wann Sanftmuth ward angesprochen,
Ein tödtend Gift, bis er den Tod gerochen.
Tewbet hatte seine Geliebte nie anders als verschleiert gesehen. Eines Tages fand er sie entschleiert, woraus er schloss, dass sich etwas Ausserordentliches begeben habe; wirklich war's bloss um ihn zu warnen, weil ihre Brüder ihr das Wort abgedrungen, sie von seiner Ankunft zu unterrichten; hierauf bezieht sich der Vers:
Da Leila ich verschleiert immer nur gesehen,
Verwirrte mich ihr unverschleiertes Gesicht.
 
 

Aus: Literaturgeschichte der Araber
von ihrem Beginne bis zum Ende
des zwölften Jahrhunderts der Hidschret
Von Hammer-Purgstall
Erste Abtheilung
Die Zeit vor Mohammed und die ersten
drei Jahrhunderte der Hidschret
Zweiter Band
Unter der Herrschaft der Beni Omeije vom Jahre der Hidschret 40 (661)
bis 132 (750)
Wien 1851
(S. 361-362)

 

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