Arabische Dichter

Aus der Literaturgeschichte der Araber

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1850-56)



Rebia der kleine Morakkisch
(Anfang des 7. Jh.s)


Geht es gut, so heisst's: du bist zum Glück geboren


Geht es gut, so heisst's: du bist zum Glück geboren,
Sonsten heisst's: die Mutter hat ihr Kind verloren.

O! der Spuren, so des Auges Thräne tränkt,
Wo Bewohner Karawanen fortgelenkt,

Wo die Strausse ihre zarten Jungen weiden,
Wo die wilden Küh' ergeh'n sich auf den Weiden.

Müd' von Idschlan's Tochter ist die Phantasie,
Doch mein wack'res Lastthier fällt zusammen nie;

Wird dann nach durchwachter Nacht das Bild zu nichte,
Liegt das weite Land vor mir im Morgenlichte.

Rath und Klugheit weckt vom Schlaf das wunde Herz,
Lindert mit Erzählungen desselben Schmerz;

Doch ihr Bild folgt mir auf allen Stationen,
Durch der Nächte und des Morgens Regionen;

Abgewendet hat sie sich, und meine Qualen
Sind die grössten, wann die Thränen strömend fallen.

Reiner Wein, der wie der reinste Moschus düftet,
Wann der Spund des Weingefässes wird gelüftet.

Zwanzig Jahre lang gefangen in dem Kruge
Und verstopft wird er gekühlt im Windeszuge,

Eingekerkert hatte selben einst ein Jude
Zu Dscheilan, dass er bereich're seine Bude.

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Rebia der kleine Morakkisch: Rebia Ben Sofjan Ben Sad Malik Ben Dhobaia, der Oheim Tharafa's, der grössere Dichter der beiden Morakkisch, wiewohl er der Kleinere heisst, und der länger lebende; ein Bruder, nach Anderen ein Vetter des Vorhergehenden, einer der berühmten arabischen Liebeshelden.
Er liebte Fathima, die Tochter Monsir's. Seine Liebe zu Fathima ist sprichwörtlich geworden: Lieberasender als Morakkisch. Sie hatte eine Sclavin Namens Hind, die Tochter Idschlan's, welche sich jede Nacht einen Mann, der ihr gefiel, zubrachte. Des Morgens sah die Gebieterin an der Magd gewisse Zeichen, welche ihr die nächtliche Orgie verriethen, und die Sclavin gestand dieselben ohne weiters zu. Ihre Gebieterin gab ihr eine Rauchpfanne und einen Zahnstocher, und sagte: Wenn er morgen wieder kommt, so reich' ihm diesen Zahnstocher, wenn er sich ohne weiters  damit die Zähne ausstochert und auf die Rauchpfanne setzt, so hat er keine Erziehung, und taugt mir nicht, wenn er diess nicht thut, so kannst du mir ihn bringen; die Sclavin that wie's ihr befohlen, sie reichte ihm zuerst die Rauchpfanne, er, statt sich darauf zu setzen, wie gemeine Leute thun, die sich zugleich durchräuchern und dabei warm haben wollen, bediente sich derselbe bloss, um sich Bart und Haar zu durchräuchern; sie gab ihm dann einen Zahnstocher, und Morakkisch, statt mit demselben gleich in den Mund zu fahren, ohne zu bedenken, ob sich nicht schon Jemand zuvor den Mund ausgestochert, schnitt die Spitze ab, und bediente sich erst hernach desselben. Die Magd hinterbrachte diese Beweise der guten Erziehung ihres Schlafgenossen ihrer Gebieterin, die sich ihn nun aufführen liess, und sogleich auf das heftigste in ihn verliebte. Die Zoffe kam mit ihren nächtlichen Besuche in's Gerede. Der König Monsir befahl, Sand um den Palast zu streuen, und denselben mit geschleppten Kleidern zu ebnen, so dass jede Spur sichtbar. Die Tochter Ibn Idschlan's dessen gewahr, trug den Ibn Morakkisch die Nacht, die er im Palaste zubrachte, auf ihrem Rücken hinein und heraus, und schleppte ihr Kleid hinten nach, so dass nur von diesem und nicht von ihren Tritten die Spuren sichtbar; so wurden Spurenforscher (el-Kafet), welche der König des nächsten Tages sandte, irregeführt. Amru Ben Hobab, der dem Morakkisch den ersten Einschlag gegeben, verlanget von ihm zur Belohnung, dass er ihn seiner statt eine Nacht von Ibnet Idschlan in den Palast tragen lasse. Diess geschah auch; als aber Ibnet Idschlan erkannte, dass sie einen anderen als Morakkisch getragen, gab sie ihm mit dem Fusse einen Stoss auf die Brust, und Amru Ben Hobab biss sich aus Reue die Finger ab.
Ibn Koteibe erzählt, dass Morakkisch einen Vertrauten, Namens Auf Ben Malik, gehabt, dem er kein Geheimniss verhehlte; dieser beredete ihn eines Nachts, ihm zur Geliebten zu folgen, und gab ihm dann Anleitung, wie er es anstellen müsse, um von ihr zugelassen zu werden. Als sie sich aber von ihm gar nicht berühren liess, sagte Morakkisch: Gott fluche dem Geheimniss meines Correpetitors. Die Magd kam, und warf ihn zur Thür hinaus. Über diesen Rath beklagte sich nun Morakkisch in Versen, welche bei Ibn Koteibe erhalten sind, und auf diese Begebenheit bezieht sich auch das folgende zum Sprichworte gewordene Distichon:
Wer es vollbringt, wird von der Welt gelobt,
Der Nichterfolg' als Fehler stets erprobt.

 




 

Aus: Literaturgeschichte der Araber
von ihrem Beginne bis zum Ende
des zwölften Jahrhunderts der Hidschret
Von Hammer-Purgstall
Erste Abtheilung
Die Zeit vor Mohammed und die ersten
drei Jahrhunderte der Hidschret
Erster Band
Das Jahrhundert vor der Hidschret und die
ersten vierzig Jahre nach derselben
Wien 1850
(S. 269-270)

 

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