Arabische Dichter

Aus der Literaturgeschichte der Araber

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1850-56)




Sur-rommet
(gest. 737)


Auf Meije's Angesicht ist wohl der Schönheit Anstrich



Auf Meije's Angesicht ist wohl der Schönheit Anstrich,
Doch hässlich ist sie unterm Kleid fürwahr!

Sie ist das Wasser bitteren Geschmackes,
Wiewohl dem Ansehn nach es rein und klar.

An Meije hab' ich Verse weggeworfen,
Als nicht in meiner Macht das Herz, das irre, war.

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Weh'n die Winde von der Gegend Meije's,
Wird das Herz durch's Wehen mehr entflammt,

Aus den Augen stürzen Thränenbäche nieder;
Jeder liebt den Ort, woher das Liebchen stammt.

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Charka's beide alte Wasserschläuche,
Die vertrocknet nicht mehr Wasser fassen,

Halten selbes besser als die Augen,
Die sich in Erinn'rung gehen lassen.

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Vollendet ist die Wallfahrt wann die Karawan'
Vor Charka's Zelte weilt, wenn sie sich kleidet an.

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Vor meinem Auge stehet wieder hell,
Die schön verlebte Zeit von sil-Esel;

O könnte sie doch wiederkehren!
O dass wir noch einmal so glücklich wären!

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O meine Freundin hat mich angeschmissen,
Der Freundschaft Strick, o Meije! ist zerrissen,

Nun kehrt zu uns nicht mehr zurück Genuss,
Demselben folgt die Trennung auf den Fuss,

Wusst' ich denn nicht, dass Wasser öde Speis',
Wiewohl dasselbe rein, von Farbe weiss.

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Ich sah der Sänfte Meije's Schwanken,
Wie Palmen oder Stirnenhaare schwanken,

Die Augen waren nackt, die Brust verdeckt,
Es schlief der Schmerz, der Thränenströme weckt.

Der Liebende beweint, dass er getrennt,
Dass nicht erlaubt ein Parlament.

Parlament: Dass ihm nicht erlaubt, von seinen
Geheimnissen und Gebrechen zu sprechen.

_____



Ihr beiden Freunde, lenkt mit den Kamelen ein,
Nach Husira, dass ich verlass'nen Ort bewein',

Die Unruh' wird vielleicht durch Thränenstrom gestillt,
Vielleicht wird so geheilt das Herz, das Angst erfüllt.

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Mit Anmuth jagt der Wein ihr in's Gesicht das Blut,
Indessen unter'm Kleid sie roth von Scham und Glut.

_____

 

Sur-rommet: Einer der arabischen Dichterhengste. Er trug seine Verse auf dem Kamelmarkte vor, und fragte des Feresdak, welcher verweilte, um ihm zuzuhören, wie er das, was er gehört, fände. Feresdak sagte: Sehr schön. Wie kommt es denn, sagte Sur-rommet, dass ich nicht unter den Dichtern genannt werde? Das hast du, antwortete er, deinen Threnodien und deinen langen Beschreibungen der Misthaufen und Dunghügel arabischer Stätten zuzuschreiben. Er war einer der berühmten Liebeshelden der Araber. Seine Geliebte war Meije, die Tochter Mokatil Ibn Thalibe's Ibn Kais Ibn Aassim, deren Schönheit Sur-rommet in seinen Gedichten pries, und auf deren Liebe Ebu Temam in seinen Versen anspielt:
Und Meije's Zelt, um das
Die Streifer Gailan's erschienen,
War nicht wie deines schön,
Wiewohl es liegt nun in Ruinen.
Ibn Koteibe erzählt in seinen Classen der Dichter, nach Ebu Dinar el-Ganewi, dass Meije länglichen Angesichts mit einer Adlernase. Meije hatte lang von Sur-rommet und seinen Versen gehört, ohne ihn persönlich gesehen zu haben; sie gelobte ein Kamel zu schlachten am Tage, wo sie ihn das erstemal sehen würde; als sie ihn aber sah, fand sie in ihm einen schwarzen hässlichen Mann, während sie selbst sehr schön. O wie hässlich! rief sie aus, und Sur-rommet entgegnete:
Auf Meije's Angesicht ...
[siehe das Gedicht oben]
(...)
Sur-rommet pries auch die Reize der Charka aus dem Stamme Beka. Er erblickte sie eines Tages, als er durch die Thäler der Wüste zog, vor ihrem Zelte, und verliebte sich in sie; um eine Gelegenheit zu haben sie zu sprechen, zerriss er seine Schläuche und nahte sich ihr mit der Bitte sie auszubessern. Wahrhaftig, sagte sie, eine schöne Beschäftigung für mich, die ich Charka heisse; so hiessen auf arabisch die Schooskinder arabischer Familien, die, aller Arbeit enthoben, ihre Zeit im Nichtsthun zubrachten.
(...)
Er starb in der schönsten Hälfte seines Lebens im vierzigsten Jahre, und sagte, als er den nahenden Tod fühlte: Ich habe die Hälfte des greisen Alters, mein vierzigstes Jahr erreicht. (...)
Sur-rommet hielt sich viel zu Bassra und Kufa auf, wo er den Schmarotzer machte. Er war von rundem Gesichte, schönem krausen Haar, dünnen Wangen, lieblichem Lächeln, und wann er wollte der Beredteste der Menschen. (...)
Assmai sagte, er kenne keinen der Dichter, welcher vor dem Islam und in selbem die Liebe zarter besungen als Sur-rommet. (...)

 

 

Aus: Literaturgeschichte der Araber
von ihrem Beginne bis zum Ende
des zwölften Jahrhunderts der Hidschret
Von Hammer-Purgstall
Erste Abtheilung
Die Zeit vor Mohammed und die ersten
drei Jahrhunderte der Hidschret
Zweiter Band
Unter der Herrschaft der Beni Omeije vom Jahre der Hidschret 40 (661)
bis 132 (750)
Wien 1851
(S. 402-411)

 

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