Arabische Dichter

Aus der Literaturgeschichte der Araber

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1850-56)




Kais Ibn Doreisch
(gest. 687)



Sie sagten: Lobna bringt nur Unruh' dir



Sie sagten: Lobna bringt nur Unruh' dir,
Am besten ist, du scheidest dich von ihr;

Den Feinden folgte ich, erfrischend so
Das Aug' des Bösen, welcher schadenfroh.

Die Menschen scheinen mir nach dieser Finte
Der ausgepresste Saft von Coloquinte;

Mein Aug' ist Anderes zu seh'n empört,
Mein Ohr verabscheut Alles, was es hört.

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Vermöchte ich Geduld und Trost zu tragen,
So hätte Lobna Recht, sich zu beklagen,

Allein mein Herz, durch Leidenschaft getheilt,
Sich alles Trostes zu entäussern eilt.

Leicht sind die Widerwärtigkeit, die Plagen,
Nur Trennung nicht von Liebster zu ertragen.

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Der Rabe krächzet Lobna's Trennung mir,
Mein Herz fliegt vor dem Raben hin zu ihr;

Er spricht, dass morgen ferne Lobna's Haus,
Und spottet meinen Wunsch, zu nah'n ihr, aus;

Ich sagte: weh! du bist der Spott der Raben,
Die mit den Menschen sich verschworen haben.

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Weh' Rab', dazwischenfliegender! o wehe dir!
Von Lobna gib die Kunde, die du kennest, mir,

Und wenn du mir nicht sagst, was dir bewusst von ihr,
So wirst du fliegen nicht, ich brech' die Flügel dir.

Ich seh', dass du die Kreise um dein Liebchen ziehst,
Wie du mich um die Heissgeliebte kreisen sieh'st.

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Als die Kamele Lobna's vorbeizogen,
küsste er ihre Spuren und sagte zu denen,
die ihn dess' tadelten:

Ich liebe eure Erde nicht allein,
Ich lieb' die Spur, die ihr sich prägte ein,

Durch Lobna's Liebe lass' ich vor den Leuten
Das Wasser in den Wein hinuntergleiten,

So oft der Ruf den Namen Lobna's spricht,
Werd' ich gescholten, und kann sprechen nicht.

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Die Liebe Lobna's machet krank den Kais,
Die Liebe Lobna's ist ein Fieber heiss;

Als zum Besuch sie kamen hergegangen,
Sprach ich: ich seh' nicht mein Verlangen;

O komm' doch, Lobna! zu besuchen mich,
Sie kommt zu dem nicht, der gewendet sich;

O wehe Kais! von ihr ist dir verbürgt
Des Wahnsinns Krankheit, die dein Herz erwürgt.

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Noch vor der Schöpfung hing an ihr mein Geist,
Die Wiege hat zusammen uns geschweisst;

Die Liebe wuchs, so wie wir wuchsen auf,
Und sie zerbricht nicht End' vom Lebenslauf',

Sie überdauert alles Hinderniss,
Besuchend uns in Grabesfinsterniss.

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Ich müsste schmähend sie dem Mond vergleichen,
Glaubst du, dass Tadler sie dem Mond vergleicht?

Der Menschen Töchter müssen all' ihr weichen,
Wie jede Nacht der Nacht der heiligen weicht.

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Wenn die Sonne aufgeht, bringt sie Gruss
Meiner Lobna in dem Strahlenkuss;

Grüsse, wenn am Morgen sie aufgeht,
Grüsse, wenn im gold'nen Glanz sie steht.

Wenn der Freundin brächtest meinen Gruss,
Würde weinen sie mit Thränenguss,

Würde offenbar, was jetzt versteckt,
Und durch meine Sage sie erschreckt.

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Da Lobna todt, so ist ihr Tod mein Tod,
Was brauch' ich mich zu sehnen nach dem Tod,

Und wenn ich weine über meine Noth,
Strömt Leben aus in Sehnsucht nach dem Tod.

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Und wie sie auch von mir hintangehalten
Durch Schwägerwort, durch Drohung des Emir;

Die Augen können sie vom Weinen nicht abhalten,
Das Unglück nicht, das schwebet über mir.

Ich klage Gott der Leidenschaft Gewalten,
Und Alles, was mich sonst getroffen hier.

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Kais Ibn Doreisch: Ada Ibnol-Kenas erzählt, dass Kais Ibn Doreisch der Milchbruder Hosein Ben Ali's gewesen, indem Beide die Omm Kais gesäugt; berühmt durch seine Liebe zu Lobna. Ihre Familie hauste sechs Miglien ausser Medinet. Kais ging dort vorbei, als Lobna, die Tochter Habab's, aus dem Beni Kab, vor ihrem Zelte stand; von schönem Wuchse, süssem Anblicke und Worte. Sie tränkte ihn und lud ihn ein, im Zelte sich zu erfrischen; ihr Vater, der dazu kam, empfing ihn ehrenvoll. Er kam zurück, klagte ihr seine Liebe, und fand sie erwiedert; aber der Vater von Kais wollte von der Vermählung nicht hören, indem, sagte er, eine seiner Basen sich besser für ihn schickte. Er klagte die Verweigerung seines Vaters seinem Milchbruder Hosein und dem Ibn Ebi Atik, der auch sein Freund. Aus Ehrfurcht für Hosein entschloss sich Ibn Doreisch, für seinen Sohn zu werben, und die Hochzeit ward vollzogen. Als die Ehe kinderlos, drangen Vater und Mutter des Kais darauf, dass er sich von ihr scheide und ein anderes Weib nehme. Seine Liebe aber zu Lobna war zu gross, um diesem Vorschlage Gehör zu geben. Kais schlug seinem Vater vor: er möge noch einmal heirathen, um einen anderen Sohn zu erhalten, oder er möge ihn mit Lobna oder allein fortziehen lassen. Zehn Jahre lang drang der Vater auf Ehescheidung, bis er dieselbe mit Gewalt durchsetzte. Alle Gedichte des Sohnes von Doreisch hauchen die glühende Liebe für Lobna. (...)
Er überhäufte sich selbst mit Vorwürfen, dass er in die Scheidung gewilligt. Kais erkrankte. (...) Man schlug ihm vor, sich ein schönes Weib beizulegen, das ihn über Lobna's Verlust trösten könnte; er wies aber den Vorschlag zurück; endlich gehorchte er auch hierin seinem Vater. Sie zogen ins Gebiet der Beni Fesare. Ein schönes Mädchen lüftete den Schleier vom Gesichte. Kais, dessen gewahr, fragte sie, wie sie heisse; sie hiess zufällig auch Lobna. Sobald er ihren Namen vernommen, fiel er in Ohnmacht; sie sprengte ihm Wasser in's Gesicht und sagte: wenn diess nicht Kais, der Sohn von Doreisch, so ist's ein Wahnsinniger. Er zog fort, aber ein Bruder der zweiten Lobna ihm nach; mit diesem machte er Freundschaft, und nach vielen Wochen gelang es diesem, ihn zur Heirath mit seiner Schwester zu bewegen. Er liess sich maschinenmässig dazu bringen, von seinem Vater die Morgengabe zu begehren; als er aber vermählt war, nahte er seinem Weibe nicht, und sprach kein Wort mit ihr. Der Vater klagte bei Moawije, und dieser schrieb an seinen Statthalter Merwan Ibnol-Hakem, des Blutes des Kais nicht zu schonen, wenn er länger halsstärrig; zugleich befahl er, dass die Geliebte des Kais einem Manne des Hauses Kasim's Ben Ssalt el-Kindi vermählet werde. Kais kam hernach an den Ort, rieb seine Wangen in den Staub und hauchte seine Leidenschaft in Versen aus. Es traf sich in einem folgenden Jahre, dass er und Lobna zugleich die Wallfahrt verrichteten; sie sandte ein Weib an ihn, um mit ihm zu sprechen. (...) Auf dem Rückwege ward er krank, und da Niemand sich nach ihm zu erkundigen kam, klagte er in Versen über Lobna's Gleichgültigkeit. Sie nahm sich's sehr zu Herzen, zog in der Nacht aus, ihn zu besuchen, und entschuldigte sich, dass sie nicht gekommen, aus Furcht, ihm durch ihr Erscheinen den Tod zu geben.
Die unverwüstliche Liebe des Kais zu Lobna, die von Zeit zu Zeit durch Botschaften genährt ward, erweichte zuletzt sogar den Chalifen Moawije und seinen Sohn Jesid, welche den Kopf des Kais vogelfrei erklärt hatten; er erschien vor ihnen und sie boten ihm an, an den Mann der Lobna einen Scheidungsbrief zu senden; er nahm den Antrag nicht an, und bat blos um die Erlaubniss, im selben Gebiete mit ihr zu wohnen, indem er sich mit Kunde von ihr begnügen wolle. (...) Über den Tod der beiden Liebenden sind die Sagen uneinig, indem Einige sagen, dass er, Andere, dass sie früher gestorben, und Andere - dass er aus Schmerz den Geist aufgegeben. (...)
 

 

Aus: Literaturgeschichte der Araber
von ihrem Beginne bis zum Ende
des zwölften Jahrhunderts der Hidschret
Von Hammer-Purgstall
Erste Abtheilung
Die Zeit vor Mohammed und die ersten
drei Jahrhunderte der Hidschret
Zweiter Band
Unter der Herrschaft der Beni Omeije vom Jahre der Hidschret 40 (661)
bis 132 (750)
Wien 1851
(S. 413-417)

 

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