Ebu Dehbel el-Dchomhan
(7. Jh.)
Wie lang ist diese Nacht, eh' dass es tagt
Wie lang ist diese Nacht, eh' dass es tagt,
Die Thräne müde Augenlieder schlagt;
Ich schlafe nicht mit Schmerzen angestammten,
Als ob in meinen Rippen Kohlen flammten;
Bald macht von Amret sicher mich die Liebe,
Bald stürmen auf mich ein der Sehnsucht Triebe.
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Dem Guten folgt' ich nach, das ging mir vor,
Da sah ich die Gaselle an dem Thor,
Die Schönheit, die bezaubert so gestalten,
Verhüllt in ihres weiten Kleides Falten,
Preis Gott, der so geschaffen diese Freie,
Dass in die Herzen sie die Krankheit streue;
Ich schrecke auf, wenn sie mein Sinn begehrt,
Sie ist nicht eine, welche leicht gewährt.
Von hohem Haus und hohem Schutzrevier,
Bewacht vom Kämmerer und vom Portier.
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Die Nacht ist lang, ich lieg' als trauriger,
Und mich betrübt die Wohnung in Dscheirun,
Der Aufenthalt ist mir allhier* verleidet,
Durch falschen Wahn der Leute, die nicht ruh'n;
Ich wein' aus Furcht, von Ihr getrennt zu werden,
So weinet um die Küchlein liebend Huhn,
Der Perlen Blüthe ist sie für den Taucher,
Sie, die Juwele, weiss wie Eiderdun,
Wenn ich sie lobte, würde ich nicht finden
In Höheres, als was vorschwebt mir nun.
Der Moschus, Aloe und alles Süsse
Brennt auf dem Herd für sie im Mond Kanun.**
Ich fand sie wieder an dem grünen Dome,
Dess' Säulen auf dem glatten Marmor ruh'n,
Am Dom des Zeltes für sie aufgeschlagen
In Winterkälte als Gemach Kaithun,***
Wenn sie hineinging, war's zu meiner Linken,
Und wenn hinaus, war es zur Rechten nun;
Ich sagte bei Verlängerung der Nächte,
Und als mein wildes Herz nicht konnte ruh'n:
O möchte Liebe mir den Schlaf verjagen,
O wäre - die Gaselle bei mir nun!
* Damaskus
** Kanun: heisst zwar der Herd, aber auch
die beiden Wintermonate December und Jänner
*** Kaitun: Ein Cabinet
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Ebu Dehbel el-Dchomhan:
Seine Mutter war aus den Beni Hodeil, dem Stamme, der so viele Dichter
zählt, so dass er die Liebe zur Poesie mit der Muttermilch einsog; sie
hiess Hodeilet B. Selma. Ebu Dehbel war ein schöner Mann, dem langes
Haar über die Schulter herabfloss. Er lebte zu Ende des Chalifat's Ali,
lobte aber noch den Moawije und Abdallah B. Sobeir, der letzte vertraute
ihm in Jemen einen Posten der Verwaltung an. Er liebte ein Weib aus
seinem Volke Namens Amret, bei der sich Weiber und Männer versammelten
und die Zeit mit Gedichten und Geschichten kürzten. Dehbel pries die
Amret in seinen Liedern, und Ibn Koteibe gibt Distichen ihres Lobes.
Dehbel war einer der grossen Herren der Beni Dschomh, einer ihrer
Reichsten, aber auch Freigebigsten und Gastfreiesten. Die Beni Dschomh
meinten, er habe die Amret geheirathet; sie hielten ihre Liebe geheim,
aber zuletzt erfuhr dieselbe doch seine Gattin, diese sandte eine
listige Gevatterin an sie, welche ihr durch ihr Gespräch die Überzeugung
beibringen musste, alle Koreisch, Grosse und Kleine, wüssten von ihrem
Verhältnisse mit Ebu Dehbel, und man wundere sich nur, dass er nicht
heirathe. Amret, welche auf ihre Ehre hielt, zog sich von diesem
Augenblicke an von aller Gesellschaft zurück, und war auch für Ebu
Dehbel unsichtbar, der darüber sich in seinen Versen beklagte. (...)
Aatiket, die Tochter Moawije's, sass einstens zu Mekka an einem sehr
heissen Tage unverschleiert, als Ebu Dehbel vorbeiging, lange, ohne dass
sie es gewahr ward, den Blick auf sie heftete, und sogleich auf das
heftigste für ihre Schönheit entbrannte; er sagte:
Dem Guten folgt' ich nach, das ging mir vor ...
[siehe das Gedicht oben]
Diese Verse kamen bald unter die Leute, und wurden auf den Strassen
gesungen. Aatiket, die es hörte, lachte dazu, sie gefielen ihr und sie
sandte dem Dichter ein Kleid; sie schrieben sich dann einander, und als
sie Mekka verliess, zog der Dichter mit ihr fort, er hatte sein Zelt in
der Nähe des ihren, und wurde von ihr mit Gnade überhäuft. Zu Damaskus,
wo er sie nicht mehr sehen konnte, verfiel er in eine schwere Krankheit,
und sang dann seine berühmte Kassidet aus dem Nun, worin es heisst:
Die Nacht ist lang, ich lieg' als trauriger ...
[siehe das Gedicht oben]
Das Gedicht lief herum; Moawije liess den Dichter rufen und sagte ihm:
Du bist der Beredteste der Koreisch, aber nur deine Verse: Ich fand
sie wieder an dem grünen Dome, überschreiten das Mass; was meinst du
denn von einer Prinzessin, deren Vater Moawije, deren Grossvater Ebu
Sofjan, deren Grossmutter Hind, die Tochter Abbas? Bei Gott! sagte Ebu
Dehbel, ich meinte nichts dabei, es kam mir so auf die Zunge. Fürchte
nichts, sagte Moawije, ich weiss schon, was sich die Dichter im Preise
der Schönheit für Freiheiten erlauben; auch weiss ich die Ehre meiner
Tochter zu bewahren. Ebu Dehbel nichtdestoweniger erschreckt, floh nach
Mekka; er schrieb an Aatiket, ein Verschnittener, der den durch die Luft
hereingeworfenen Brief beobachtete, setzte davon den Moawije in
Kenntniss, der sich nun mit seinem Sohne Jesid berieth, was zu thun, um
die Ehre der Tochter und Schwester zu schirmen. Moawije verwarf den
Vorschlag ihn aus dem Wege zu räumen, was das Gerede nur noch grösser
machen würde. Er unternahm eine Wallfahrt blos Ebu Dehbel wegen, berief
zu Mekka alle Koreisch und vertheilte Geschenke unter sie. Den Ebu
Dehbel fragte er besonders, ob er verheirathet sei, und drang ihm zwei
tausend Ducaten Heirathsgut auf, um eine seiner Basen zu heirathen. Er
lebte nun als Familienvater, aber die Erinnerung an die Dscheirunitin
(die Tochter Moawije's) gab ihm noch Kassideten ein. (...)
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