Arabische Dichter

Aus der Literaturgeschichte der Araber

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1850-56)



Ebu Ssachr el-Hodeili
(7. Jh.)


Wann sammelt sich ihr waches Bild in dieser Nacht


Wann sammelt sich ihr waches Bild in dieser Nacht,
Die nach dem Schlafe mich erst völlig krank gemacht?

Will es mich leiten zu den Freunden in die Ferne,
Indessen untergeh'n des Himmels höchste Sterne?

Orion sinkt, und seine Schulterstern' geberden
Sich in der Tief' wie wilder Stiere irre Heerden,

Die Freundin weilet in Tihame's tiefsten Senken,
Wo Erak und Tonhob die Dornen scharf verschränken.

Die Schenkin liegt im Schlaf mit Weine, der so frisch,
Dass für den feuchten Zahn entschädigt sein Gemisch;

Als Kissen wird vom Haupt der volle Arm gedrückt,
Dess' Finger roth gefärbt mit Perlen reich geschmückt.

Die Kodhaaitin aus canaldurchschnitt'nem Land,
Wo unter den Canalen thürmet Kies und Sand;

Und weiter Kaan-nakii, Askof und Dschoneib,
Das Thal Bathnol-akik und endlich Oneib.

Von einem Weiss ist Sie, das nicht entstellt ein Maal,
Das nicht verschändelt wird von Augen roth zumal;

Die Leucht' in Finsterniss von Moschus ganz durchhaucht,
Nicht weil sie übel riecht, und grau die Schminke braucht.

Von langen Gliedern und von zartgeformtem Bauch,
Als Jungfrau anzurühren ganz, wenn Witwe auch.

Als Jungfrau schloss ich sie in meine Arme süss,
Die Nächte zähl' ich nicht und sie weiss es gewiss;

Ihr Speichel mein Gewürz, das täglich frisch gebraut,
Mir zum Getränk, bis dass mein altes Haupt ergraut.

Ich kenne keinen, dem, wie mir sie Lieb' gewährte,
Und keinen, der wie ich verzweifelnd sie begehrte.

Und wenn nach uns'rem Tod sich mischet unser Rost,
Und wir entronnen sind der Erde, wo kein Trost,

So wird auch dann mein längst verwittertes Gebein
Beim Namen Leila's fahren auf in Lust und Pein.

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Wird das Herz, weil es von Hunger klopft, entrissen?
Kehret jemals wieder, was wir jetzt geniessen?

Was uns in dem Leben ängstiget und quält,
Gleicht der Wolke, welche blitzend niederfällt.

Finst're Nacht, in welcher Leila's Trennung naht,
Hat nicht gröss'ren Schreck' als diese Trennung hat.

Wenn gewiss der Bruch nicht zwischen ihr und mir,
Mögen Raben immer krächzen im Revier.

Was soll meiner Jugend ich gedenken heut,
Wo das Alter Grau mir auf den Scheitel streut!

Alter lehrt ergeben sich in das Geschick,
Selbst den Mann, den der Verstand nicht hält zurück;

Gib das anvertraute Pfand zurück der Welt
Auf die schönste Weise, wie zurück man stellt.

Sann ich eines Tags auf den Bruch mit ihr,
War das Herz der Rath, der widerrieth es mir.

Sicher ward ich durch die Traurigkeit gestellt,
Durch die Liebe ward gehorsam ich der Welt;

War mit ihrer leichten Liebe wohl zufrieden,
War's, nachdem mir ihr Besitz zuvor beschieden.

Meinem Herz, das zankte, sagt' ich: siehst du nicht,
Der Verstand ist weg, wenn man sich füget nicht!

Lang bekämpft Erak* dich schon mit seinen Waffen,
Weide, Liebender, ist nicht für dich geschaffen.

Rasend liebst du sie, der Tod gibt dir nicht Ruh,
Nützlichen Genuss kannst nimmer hoffen du.

Sprach's, und meine Rippen sprachens auch,
Fürchtend, dass die Rückkehr werde Brauch.

Endlich war ich ein durch Dich besiegter Mann,
Schaue selbst, was Du an mir gethan!

Bitte den Allmächt'gen heut' um einen Trost,
Gott ist's, welcher Alles schauet, Allem los't.

Nimmer liebet der, den nur zur Sehnsucht stimmen
Wohlgereimte Worte in der Dichter Stimmen;

Nicht, wer von der Freundin einen Tag getrennt,
Fürchtend die Geduld, von heller Unruh brennt,

Nicht, wer Peinen scheuend, weint der Freundin vor
Um Erbarmen, weil der Laut ihr dringt in's Ohr;

Sondern Liebe wählt das lange heisse Sehnen,
Gähen Tod und Leiden voll von schweren Thränen,

Finsternisse, Thränenströme, Seufzersturm,
Und was sonst das Rippenfell zerfrisst als Wurm.

Erak: Ein Dornenbaum

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Die Spuren Hind's erkannt ich zu Si thud,
Wo Nachbarin die weiche weisse ruht,

Wo Wild und Turteltaub' sich früh ergeh'n,
Und Hügel in der Reih' vereinzelt steh'n;

Wo Renner siegender besiegt die Zeit,
Und frische Erde ist durchfurchet weit.

Die Zeit zerschlagt die Erd' in feinen Staub,
Und immer wird der Mist dem Sand zum Raub,

Wo Sclavin die gespalt'nen Kerne reiht,
Und Strom sich eingräbt in die Erde breit,

Wo Topfesstützen nicht an Strick gehängt,
Der Dreifuss, so mit Russ als Staub gesprengt;

Wo Wegeszeichen tiefer Staub verwischt,
Und allen Proviant, der aufgetischt,

Wo Nachmittags der Staub mit Winden spielt,
Und Regen immerfort die Erd' aufwühlt.

Dort stand der Hind (mit dicken Hüften) Haus,
Als Licht in Finsterniss nahm es sich aus,

Ausfüllt den Ring, Gelenk von Hand und Fuss,
Weich, zart und schlank, wollüstig zum Genuss.

Ihr Gurt umschlingt die Hüft', Sandhügeln gleich,
Die glättet Sommerwind so glatt und weich,

Den Silbergurt füllt aus Bananenzweig,
Mit ihrer Weiche weiss und weich wie Teich.

Wenn sie ihr Kleid aufhebt, das schön besetzt,
Ist sie die wilde Kuh von Thau benetzt;

Ihr krauses, dichtes Haar, das seitwärts hängt,
Stellt schwarze Trauben vor, die dicht gemengt.

Ob sie geschmückt, ob nicht, so findest du
Sie stets als schöne, wohlgenährte, gelbe Kuh;

Ihr Speichel der der Bienen und so rein,
Wie in Steinkrügen aufbewahrter Wein.

Wie lang er stand, das weiss der Trinker nicht,
Der, wenn der Wein aus, o wär' es mehr noch! spricht.

Wer ihr das Kleid ausziehet zum Genuss,
Der wird zudecken sie mit seinem Kuss.

O Zeit, wo ich in reiner Lieb' entbrannt'!
Doch wieviel alte Liebe wird verkannt!

Wär' ihr Versprechen wie das erste treu,
Mich machte der Betrug des letzten frei.

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Soll mich die Wassersucht ob Leila's Trennung quälen,
Die wie Hyän' bei Nacht begann sich fortzustehlen!

Ja, wenn für Esma nicht ich brennt' in Flammen hellen,
Für Sie, das holde Kind, dess' zarte Brüste schwellen,

Für Esma! - und mich kümmern weiter nicht Gefahren,
Der mit Betrug zu Left* umgarnten Reiterschaaren.

Allein der Liebe Duft schlägt jungen Mann zu Boden,
So dass es wenig fehlt', dass ihm ausging der Odem;

Doch seit zum Bösen mir Begierde ward gesendet,
Hat meine Seele sich reuvoll zu Gott gewendet.

Ich fürchte, wenn ich zürne, wird die Lust sich zeigen,
Und zum Halswirbel auf von unt'ren Rippen steigen.

Ich fürchte zu verrathen was im Herzen ist,
Wenn ich vergess' der Schuld, der Rechner nicht vergisst,

Mir wohnet nicht mehr Lust zu Sängerinnen bei,
Wenn es nicht die nach Ihr, die mich bezwungen, sei. (...)

Left: ein Ort zwischen Mekka und Medina

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Ich kenn' zu Satolbein von Leila das Haus,
Ein anderes zu Satolschisch in Staub und Graus;

Als unveränderlich erschienen sie mir beid',
Doch über beide ging hinweg der Fuss der Zeit.

Ich stand auf beider Spur mit wehmuthsvollem Sehnen,
Die Augen füllten sich mit einem Guss von Thränen.

Wenn ich auch lügen wollt', die Thrän' ist Zeug der Wahrheit,
Verborgenes enthüllt sie wie der Mond in Klarheit.

Geduldig trug ich lang der Seufzer bitt're Stunden,
Doch ward zuletzt Geduld durch Unglück überwunden.

Wenn gegenseitig nicht die Liebe sich anspricht,
Ist's gleich, ob man erwähnt Vergang'nes oder nicht;

Wenn ich auch sage: tröstet mich zu dieser Zeit!
So wird doch durch den Morgenwind mein Schmerz erneut;

Erwähn' ich Sie, so wird es um das Herz mir leicht,
Wie Sperlingen, wann sie erfrischt ein Tropfe feucht.

Ich schwör's bei dem, der weinen macht und machet lachen,
Der tödtet und belebt, und der vollbringt die Sachen:

Du machst, dass ich beneiden muss das wilde Thier,
Das durch Instinct gewiss, nicht zweifelt für und für.

Ich floh dich bis Du sprachst: er kennt die Liebe nicht,
Ich sah dich bis Du sprachst: Geduld ihm sehr gebricht.

Du hast ganz Recht, ich bin's, der liebend brennt und flammt,
Zu Liebe heimlicher, zu Zauberei verdammt.

Willkommen Leben mir, so lange Sie am Leben,
Willkommen sei mir Tod, liegt Sie im Grab daneben.

Nur wenig fehlt, dass Hand, die sie berührt, nicht thaue,
Und dass sie grüne nicht wie Bäume in der Aue.

Ich kam zu Ihr als ein von Ihr verlassner Mann,
Wie's Morgenroth ist klar, was Sie mir angethan.

Was soll's damit, dass ich Sie seh'n nur soll allein,
Ich merkte auf, und wusste nicht wie diess so fein.

Vergessen habe ich, was ich bisher bestand,
Wie Trinker, der verlor vom Trinken den Verstand.

In Schwierigkeiten geb' ich nicht den Vorsatz auf,
Bis meinem Aug' sich nicht die Klüfte dringen auf.

Ich kehr zurück, wie ich gekommen, ganz verwirrt,
Ich sag': wo ist der Tag, an dem es leicht mir wird?

Nichts Gutes im Genuss, der meinen Wahn befestigt,
Nichts Gutes in der Nacht, die mich durch Gram belästigt.

Ich schmäh' die Tag', in denen Du dich abgekehrt,
Wie erst die Nächt', in denen Du mir nichts gewährt.

O Leila's Trennung! du hast nun das Ziel erreicht,
Und mehr mir angethan als Trennung sonst bereicht.

O Leila's Liebe, du wirst mehr in jeder Nacht!
O Trost der Zeit, du bist auf jüngsten Tag vertagt!

Wird nicht mit jeder Nacht das Fieber wiederkehren,
So lang der Selem* grünt und frisch (die Heidebeeren).

Es kehren nicht zurück die schon verfloss'nen Tage,
Ich seg'ne das, was kommt, und dank' für meine Lage;

Beschäftigt war mit ihr, mit mir, die ganze Welt,
Die sich, seit wir getrennt, zur Ruhe hat gestellt.

Wer steht bekümmert sich nicht um Begebenheiten
Des Tags, doch geh'n vorbei gar oft die Schwierigkeiten.

Durch Milde werden die Unfälle nicht vermehrt,
Es trifft uns and'res nicht, als was das Loos bescheert.

Der Himmel wendet sich nicht stets nach Einem Ziel,
Und Zank und Hader gibt's auch ausser uns gar viel.

Was uns der Geist eingibt, sei ohne Furcht vollbracht,
Wer bösen Leumund scheut, kämpft wider Meeresmacht.

Selem: der Dornenbaum

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Ebu Ssachr el-Hodeili: Sein Name Abdallah B. Selme es-sehmi, einer der Söhne Mormadh.


 

Aus: Literaturgeschichte der Araber
von ihrem Beginne bis zum Ende
des zwölften Jahrhunderts der Hidschret
Von Hammer-Purgstall
Erste Abtheilung
Die Zeit vor Mohammed und die ersten
drei Jahrhunderte der Hidschret
Zweiter Band
Unter der Herrschaft der Beni Omeije vom Jahre der Hidschret 40 (661)
bis 132 (750)
Wien 1851
(S. 668-676)

 

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