Arabische Dichter

Aus der Literaturgeschichte der Araber

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1850-56)



Ibn Doreid
(gest. 932)


O Mädchen! die von allen der Gaselle gleich



O Mädchen! die von allen der Gaselle gleich,
Die Feldviolen pflückt in mitten Wüstenbäumen,

Siehst du nicht meinen Kopf, den lichte Silberstreife
Wie Morgenlicht den Schleppenrand der Nacht einsäumen?

Siehst du die weisse Flamm', aufgehn aus schwarzem Holz,
Wie Gluthen in dem feuerhalt'gen Gadha schäumen.

Mein Kopf die finstre Nacht, an deren Rand der Tag
Aufgeht, und offenbaret wird den Himmelsräumen.

Siehst wie die Freundschaft das Loos getrocknet hat,
Und wie der Sinn es spornt mit Schmerz und Stachelzäumen?

Und wie der Hahn der Jugendlust ist ausgedorrt,
Wo Stamm und Ast der Üppigkeit sich nicht mehr bäumen?

Und wie der Trennung Gluth die Kohlen angezündet,
Die in dem Eingeweid' zu brennen nicht versäumen?

Und wie Schlaflosigkeit im Auge Wache hält,
Seit von den Wimpern floh der Schlaf mit seinen Träumen?

Doch alles, was begegnet mir, ertrüg' ich leicht,
Wenn nur das Liebchen nicht getrennet wollte säumen.

Kehrt wohl die Zeit zurück in voriges Geleis,
Soll ich vielleicht allhier von Hoffnung nicht mehr träumen?

Mich griff'st du an, der, wenn einstürzten auch die Himmel,
Den inn'ren Schmerz darob im Stande ist zu zäumen?

Gezwungen geb' ich mich, denn Zwang erheischt Ergebung,
Wem fällt es ein, dem Loose nicht das Feld zu räumen?

Auch Imrolkais verfolgte heiss das Ziel,
Allein es nahm der Tod ihn auch der Rennbahn Räumen.

Und kömmt Verzweiflung über mich, die Kraft zu brechen
Bin ich bereit, den Muth entgegen ihr zu däumen.

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Lässt Sie den Wangenstrahlen ihren Lauf,
So geht im Osten nicht die Sonne auf;

Ein schlanker Zweig, der auf Sandhügeln thront,
Und unter finst'rer Nacht ein heller Mond.

Soll And'rer Thorheit herrschen, zählt sie nicht,
Soll sprechen Anderer wer immer spricht,

Durch's dunkle Haar sind wir im Occident,
Und durch ihr hell' Gesicht im Orient;

Ihr Glanz sticht in die Augen, die sein Ziel,
O weh! dass sich ihr Aug' nicht schliessen will.

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Aus: Literaturgeschichte der Araber
von ihrem Beginne bis zum Ende
des zwölften Jahrhunderts der Hidschret
Von Hammer-Purgstall
Erste Abtheilung
Die Zeit vor Mohammed und die ersten drei Jahrhunderte der Hidschret.
Vierter Band
Unter der Herrschaft der Beni Abbas, vom zehnten Chalifen Motewekkil
bis zum einundzwanzigsten Chalifen Mottaki,
d. i. vom Jahre der Hidschret 232 (846) bis 333 (944)
Wien 1853
(S. 684-687)

 

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