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Ferdinande von Brackel
(1835-1905)
Am See
Ballade
O trau' dem See nicht: mit glattem Gesicht
Er dumpf in der Tiefe doch grollt.
Der Wassergeist liebet die Menschen nicht
Und wird ihnen nimmermehr hold.
Er liebt nicht ihr warmes, kreisendes Blut,
Weil das seine so eisig und kalt!
Er haßt ihre flammende Herzensgluth,
Weil sein nicht die holde Gewalt.
Darum er alljährlich nimmer ruht,
Bis Einer im Arme ihm lag,
So kalt gleich ihm, bis eine Gluth
Er auszulöschen vermag;
Bis einen Thränenquell er trinkt,
Den verlassene Liebe zollt.
O trau' dem See nicht, wie lieblich er winkt:
Denn dumpf in der Tiefe er grollt.
Es steht das Mädchen am Uferrand,
Sie wäscht die weißen Linnen;
So schmeichelnd küßt die Well' ihre Hand,
Als wollte sie um sie minnen.
Und von Minne und Lieb' in den Lenz hinein
Läßt froh ihr Lied sie erschallen.
"Und heut' über's Jahr soll die Hochzeit sein,"
Das klingt ihr am süß'sten von allen.
Das singt sie so hell mit lachendem Mund
Und denkt ihres braven Gesellen,
Dessen Auge so blau wie der See zur Stund', -
Da fällt etwas hart in die Wellen.
Das Lied ihr stockt, die Wange wird bleich,
Sie starret erschreckt in die Wogen -
Es haben die trüg'rischen Wellen weich
Vom Finger den Ring ihr gezogen.
Vom Finger das güldene Brautringlein,
Womit ihr die Treue versprochen.
"Und heut' über's Jahr soll die Hochzeit sein!" -
Ach, wird ihr die Treue gebrochen?
Weh', hat ihr der tückische Wassergeist
Damit ein Zeichen gegeben?
Er greifet nach warmen Herzen zumeist,
Nach jungem, wonnigem Leben.
Und Todesgrauen durchschauert sie kalt,
Als säh' sie der Wasser Verlangen;
Sie weichet zurück, - da, mit neck'scher Gewalt
Ihr Liebster hält fest sie umfangen.
Laut schluchzend sinket sie ihm an' Herz
Und stammelt erschreckt ihre Kunde.
Doch was ihr Grauen - es dünkt ihm Scherz,
Er hört es mit lächelndem Munde.
Er küsset die trüben Augen ihr hell,
Und roth ihr die blassen Wangen.
Ein neues Ringlein ist bald ja zur Stell';
Wenn nur nicht die Treue vergangen!
Er drohet voll Scherz in den See hinein,
Der so sein Gold ihm verschlinge.
Und heut' über's Jahr soll die Hochzeit sein,
Mit neuem güldenem Ringe!
Ja, heut' über's Jahr - der Tage Reih'n,
Wie sind sie so selig entflogen.
Doch diesmal spiegelt der Frühlingsschein
Sich nicht in den bläulichen Wogen.
Der Sturmwind fährt darüber hin,
Doch kräuselt er keine Wellen;
Mit blankem Stahlschuh fliegen gleich ihm
Hinüber viel schmucke Gesellen.
Eiskönig hält fest noch den See gefaßt
Mit seinem starken Banden! -
Das Mägdlein hat im Kämmerlein
Am Hochzeitsschrein gestanden.
Sie hat so freudig ihr Linnen geschaut,
Zum Brautschatz fleißig beendet -
Da denkt sie des Morgens, wo ihr gegraut,
Als die Wellen den Ring ihr entwendet.
O gut, daß das schreckliche Zeichen so log,
Der See ist fest ja in Banden.
Ihr neues Ringlein! Drei Tage nur noch,
Dann hat am Altar sie gestanden!
Drei Tage nur noch, - kein Ahnen mehr liegt
Ihr auf den sonnigen Träumen!
Weh', sie siehet die lauernden Wogen nicht,
Die unter dem Eisbanne schäumen.
Sie sieht ihren schmucken Liebsten nicht,
Wie eben so kühn er geglitten!
Sie sieht nicht, wie tückisch die Decke zerbricht,
Als sei sie vom Stahlschuh zerschnitten;
Daß plötzlich aufjähnend ein Abgrund droht,
Eine tiefe, klaffende Spalte -
Sie höret ihn nicht, den Schrei der Noth,
Der gellend im Märzsturm verhallte.
Nein, sorglos blieb sie am Hochzeitsschrein
Und zählte ihr Linnen, das weiße.
Wie wusch es der See so blank und rein,
Wie küßte ihr Lieb' da so heiße!
O schließe den Schrein nur - der Wassergeist
Hält fest ihn ja jetzt schon im Arme,
Erstarrt ist das Blut ihm, das nimmermehr kreist,
Erstarret das Herz ihm, das warme.
O schließe den Schrein, und nimm nur heraus
Ein Linnen zum Todtenkleide -
Der See wusch es blank, der See wusch es rein.
Weh'! dir nur zu bitterem Leide!
Er harret wollüstig der bitteren Fluth,
Die deinem Auge entspringe.
O, lieber hättest du selbst ja geruht
Tief drunten bei deinem Ringe!
Und nach drei Tagen am Altar - nein,
Am Ufer stand wieder die Arme
Und starrte verzweifelnd zum See hinein:
Daß Gott sich ihrer erbarme!
Und das Wasser ging hoch und zerbrach den Bann,
Der eifrig auf ihm gelegen;
Es tobten die schäumenden Fluthen heran
Und brausten ihr stürmisch entgegen.
Der tückische Nix, er hat, was er will:
Viel Thränen tranken die Wellen, -
Da spülten sie eines Tages ihr still
An den Strand ihren todten Gesellen.
Aus: Gedichte von Ferdinande Freiin von Brackel
Zweite Auflage Köln 1880(S. 137-141)
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