Liebes-Balladen, Romanzen u. ä.

Frederic Leighton Der Fischer und die Sirene um 1856-58


 

Ignaz Franz Castelli
(1781-1862)


Die Liebeslaute
(Ballade)

I.
"Ruft mir den blassen Sänger herauf,
Er soll mir das Zwerchfell erschüttern,
Ein lustiges Liedel spiel' er mir auf,
Von Feien und Gnomen und Rittern."

Und Liebemund trat in das Prunkgemach
Inmitten von horchenden Scharen!
"Fang' an!" rief der Graf, - doch der Sänger sprach:
"Ich kann Eurem Wunsch nicht willfahren."

"Herr Graf! seht hier meine Laute; - die Hand,
Die theure, der Schönsten der Schönen
Hat mir sie geziert mit dem Rosenband,
Die Laute darf Liebe nur tönen."

"Ihr weih' ich jegliche Melodei,
Sing nur von Mathilden und Minne,
Und eher brech' ich die Laute entzwei,
Eh' ich andere Lieder ersinne."

"Ho ho!" - grinst der Graf, "das klingt ja sehr dreist,
- Indem er ihn höhnisch verlachet -
Laß sehen, mein kecker trotzender Geist,
Ob der Kerker nicht zahmer dich machet!"


II.
Was tönt aus jenes Thurmes Mauern,
Wer singet noch zu dieser Stund'?
Es ist der Liebe banges Trauern,
Es ist der Sänger Liebemund;
Er thut der Nacht und ihren Schauern
Die Sehnsucht seines Herzens kund;
Es klingt so sanft, es klingt so süß,
Wie Engelsang im Paradies.

Es lauscht der Graf in seiner Stube
Dem Himmelston - bas wurmt es ihn:
"Trotzt er noch lange mir der Bube?
Beugt nichts des Stolzen festen Sinn?
Wohlan, so sei die kalte Grube
Des Sängers Lohn, des Lieds Gewinn!" -
Sprach's - lehnt vor's Fenster sich - da klang
Vom Thurm herüber dieser Sang:


III.
Kling' meine Laute,
Preise die Traute,
Die dich geziert mit dem rosigen Band!
Tön' ihr im Schlummer,
Tön' ihr den Kummer,
Den nur für sie der Geliebte empfand.

Quälen und plagen,
Fesseln und schlagen
Könnt ihr den Sänger, der euch widerstrebt,
Niemals ihn zwingen
Das zu besingen,
Was nicht im innersten Herzen ihm lebt.

Frei in die Lüfte
Steigen die Düfte,
Ist nicht die Welt ihr geräumiges Haus?
Frei in dem Herzen
Wohnen die Schmerzen,
Frei haucht die Lippe des Sängers sie aus.

Dich meine traute
Herrliche Laute
Stimmt nicht nach Willen des Mächt'gen Gebot,
Singst nur die Triebe
Mächtiger Liebe,
Bis du verklingest bei Liebemund's Tod.


IV.
Hart an der Veste ein Felsen steht,
Wo immer Sturmwinde sausen,
Wo sich schaudernd der Blick von dem Abgrunde dreht,
In welchem die Wasser brausen,
Dorthin ward beim ersten Sonnenstrahl
Der Sänger gebracht, wie der Graf es befahl,
Rund um ihn stand schweigend der Knappen Zahl.

"Noch einmal - so redet der Harte ihn an: -
Laß ich Gnade für Recht dir ergehen,
Ein lustiges Liedel von dir will ich ha'n,
Wo nicht, soll dir Schlimmes geschehen;
Erfüllst du nicht gleich den Befehl, den ich gab,
So stürzt man dich in die Tiefe hinab,
Die brausenden Wasser dort sind dein Grab!"

Und lächelnd Liebmund den Grafen mißt:
"So leicht wird kein Sänger bezwungen!"
Er stimmet die Laut', die Antwort ist
Das Lied, das im Thurm er gesungen;
Dabei ihm Augen und Wangen glüh'n,
Er schaut so getrost in die Wogen dahin,
Als säh' er das Bildnis des Liebchens darin.

D'rob entbrennt der Graf in schrecklicher Wuth;
Die Brauen zusammengezogen,
Schreit er wütend: "So büße den Frevelmuth,
Hinab ihn, hinab in die Wogen!"
Da ergreifet der Sänger die knechtische Schar,
Noch flattert im Winde sein schwarzes Talar -
Doch bald wird man nichts mehr vom Sänger gewahr.

Die Saiten reißen, und klagend und schwach
Klang Liebmunds getreue Laute
Noch lang' in den Wogen so sehnend nach
Die Melodei zu dem Lied an die Traute. -
Und jetzt noch höret der Wandersmann,
Der manchmal steigt diesen Felsen hinan,
Die Töne der Laut' aus den Wogen an.


Aus: I. F. Castelli's sämmtliche Werke
Erstes bis viertes Bändchen
Vollständige Ausgabe letzter Hand, in strenger Auswahl
Wien Druck und Verlag von Ant. Pichler's sel. Witwe 1844
(Band 2 S. 50-54)
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