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Karl Philipp Conz
(1762-1827)
Inhaltsverzeichnis der
Balladen:
Des Ritters Herz
Zu der heil'gen Heerfahrt mahnen
Ludwigs Boten weit umher;
Nach dem Osten weh'n die Fahnen,
Winkt der Krieger Schild und Speer.
Aus den Erkern seh'n die Frauen,
Lichte Augen sind getrübt;
An den Seufzern kann man schauen,
Was geliebet wird und liebt.
Seiner Dame naht ein Ritter
An der Gartenmauer sich;
Aus dem stillen Fenstergitter
Blickt sie nieder tugendlich.
"Hat mein Lied dir süß geklungen,"
Ruft er, hold gebeugt das Knie;
"Hab' ich deine Huld errungen,
O vergiß mich ewig nie!"
Eine Bitte! Nicht versagen
Wird die Bitte deine Hand.
Nur ein Zeichen laß mich tragen,
Deiner Gunst ein Unterpfand!
Daß es mich zur Schlacht begleite,
Als ein heilig Weihegut,
Mich begeist're, wenn ich streite,
Mit des Mannsinns höchster Gluth!
Und das köstlichste Geschmeide,
Eine Lock' aus ihrem Haar
Schön in Perlen und in Seide
Eingefaßt, reicht sie ihm dar:
Nimm dies Denkmal schöner Stunden,
Nimm's auf Leben oder Tod!
Was die Liebe zart gebunden,
Trennet nimmer rauhe Noth!
Traurig-freudig mit den Schaaren
Eilt er in das heil'ge Land,
Dürstend nach des Kriegs Gefahren,
Auf dem Helm das theure Pfand.
Wo die kühnsten Panner wallen,
Weht sein Helmbusch hoch daher;
Viel der Saracenen fallen,
Unter seinem starken Speer.
Eine Feste zu befreyen
Aus der wilden Syrer Hand,
Kommen jezt der Franken Reihen
Mit dem Ritter angerannt.
Schon erstiegen sind die Wälle;
Auf der Zinne steht der Held,
Als, gezückt mit Blitzesschnelle,
Giftiges Geschoß ihn fällt.
Und er ruft herbey den lieben
Knappen, nah' der letzten Noth:
"Meine Augen, sagt er, trüben
Schon, umdämmert, sich dem Tod.
Eile, nimm die heil'ge Binde
Mir vom Helme, nimm mein Herz,
Wenn ich todt bin, und umwinde
Mit dem Schmuk das treue Herz."
"Meiner Dame dies Vermächtniß
Bringe heimlich deine Hand!
Gib zu ewigem Gedächtniß
Wohl verwahrt ihr dieses Pfand!
Schwöre meinen letzten Willen,
Wenn ich je dich treu erfand,
Deinem Freunde zu erfüllen,
Schwör' ihm's an des Todes Rand!"
"Sag' ihr: wo der Herr gelitten,
Uns von Sünden zu befrey'n,
Hab' ich ehrlich auch gestritten,
Freudig bis zur letzten Pein.
In des Krieges schwühlen Stunden
War Begeist'rung mir ihr Bild,
Hat gelabt mir manche Wunden,
Mich mit Trost im Tod erfüllt."
Und der wackre Speergeselle,
Als er sah den Ritter todt;
Weinend thut er, doch mit Schnelle,
Jetzt was Schwur und Treu' gebot.
Fort von des Orontes Strande,
Eilt er mit dem theuren Hort,
Durch die weiten Meer' und Lande
Nach der Heimath süssem Ort.
Jetzt dem Schloß der Dame nahe,
Fest des Eides eingedenk,
Sinnt er, daß geheim empfahe
Sie des todten Herrn Geschenk:
Und er reicht der Dienerinnen
Jüngsten das geweihte Pfand.
Wo er Treue will gewinnen,
Hat Verrath sein Netz gespannt.
Schwur und Eide sind verloren,
Und verloren Geld und Gut;
Selbst die Wände haben Ohren,
Hält die Eifersucht die Hut.
Ach! im Kerker muß er büssen
Seine Treu' in herber Noth,
Der Ertappte; Thränen fliessen
Auf sein hartes Botenbrod.
Bald der Herr zu frohem Mahle
Ladet rings die Ritter ein;
Festlich blinken die Pokale,
Und der Tisch von Speis' und Wein.
In dem Becher kreist die Freude,
Und Getümmel herrscht im Saal.
Auch geheilt vom kranken Leibe
Scheint das adliche Gemahl.
Schnell sich jetzt die Thür' erschließet,
Und ein Harfner tritt hervor,
Singend er die Gäste grüßet,
Und es lauschet jedes Ohr;
Und er singet von dem Streiter,
Der, als er zu sterben kam,
Noch sein Herz, im Tode heiter;
Treu vermachte seiner Dam'!
Als jetzt Klang und Sang verklungen,
Rasch den wallenden Talar
Hinter sich zurück geschwungen,
Ein Gefässe weißt er dar,
Naht der Frau mit ernstem Gange,
Und der Schloßherr ruft entbrannt:
"Nimm verrätherische Schlange!
Nimm, dies ist dein Buhlerpfand!"
Alle Gäste steh'n erschrocken:
Als zerstückelt sie das Herz.
Schauet und den Schmuck der Locken,
Ueberfällt sie jäher Schmerz:
Von dem Stuhle sinkt sie nieder,
Und es bricht ihr Herz die Qual:
Nimmer, ach! erstand sie wieder,
Und Entsetzen füllt den Saal.
Aus: Gedichte von Carl Philipp Conz Erster Band
Tübingen bei Heinrich Laupp 1818 (S. 194-199)
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Die Windesbraut
Schön Anny ging heim um Mitternacht
Wohl von dem lustigen Tanz.
In den Wolken der Geist des Windes wacht,
Durch zerrissen Gewölk scheint Mondesglanz.
"O weh'! wie haucht's so schaurig daher!
Wie ist so wüst der Weg!
Vom Dörfchen scheint kein Lämpchen mehr;
O wär' ich hinüber den Felsensteg!
Und unter dem Felsen saust und braust
Der Strom durch Waldesschluft,
Und die Tannen und Eschen der Wind zerzaust,
Und hohl wiederhallt's aus der Bergeskluft.
O wär' ich bey meiner Mutter doch
Daheim im warmen Bett!
O daß ich dem lockenden Ruf zum Tanz
Doch nicht gefolget hätt'!
Was fuhr vorüber? welch' ein Gesicht!
Aus der Wolke grinßt's zuhand.
O weh mein Traum aus letzter Nacht!
Da zupft und rupft michs am Gewand."
Und als sie auf dem Hügel steht,
Da zischt und gischt es laut,
Und wirbelt empor sie in die Luft!
Und zischt, "bist meine Braut!"
Sie ringt, bis ihr die Sinnen vergeh'n,
Und Athem stockt und Mund,
Es wirbelt umher sie in die Luft
Im drehenden Kreis umher zur Stund'.
Und nieder dann am Strom vorbey
Hinab zur Felsenschluft;
Es ächzen und krächzen die Raben drein,
Und bang das Echo ruft:
Die Mutter, die Mutter, sie bangt daheim,
Schickt Boten aus noch spät,
Die Fackeln, sie kommen leer zurück,
Als schon der Hahn gekräht.
Mein Kind, o Gott! mein einziges Kind,
Verloren in finst'rer Nacht!
Als Betglock klang und die Nacht brach an,
Da hatt' auch sie's vollbracht.
Um Mitternacht vom Hügel herab,
Rauscht's oft wie Windeslaut,
Und vom Felsen hallts, und vom Strom erschallts:
Ich bin des Windes Braut.
Aus: Gedichte von Carl Philipp Conz Erster Band
Tübingen bei Heinrich Laupp 1818 (S. 222-224)
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Gadafer
Es scharret am Ufer ein milchweiß Roß,
Es scharret und stampft die Erde bloß,
Es wiehert hinaus in die Morgenluft;
Zum Himmel sein sehnend Wiehern ruft.
Ists nicht Herrn Grünlands milchweiß Roß?
Das scharret alljährlich die Erd' hier bloß,
Seit es verloren den edlen Herrn,
Herrn Grünland, des Artusordens Stern.
Es war die schönste Maienzeit,
Die Anger blühten im Blumenkleid,
Die Sonne so lind, die Lüfte so frisch,
Herr Grünland reitet durchs Gebüsch.
Und jetzt dem Ufer des Meeres nah,
Hilf Himmel, was er da nicht sah!
In einem Nebel von Seide gehüllt
Schlief dort das schönste Frauenbild.
Ab sprang er vom Roß, er hielt sich nicht;
Er schlich auf den Zeh'n zum Wundergesicht;
Er küßte die holde Schläferinn wach,
Und Zorn und Verzeihung folgten nach.
Und oft er kam zu dem einsamen Strand,
Und oft die schöne Fey er dort fand:
Sie schwelgten zusammen bei Kuß und Kuß,
Die Herzen tauschend im Liebegenuß.
Seitab vom Rasen auf grasigem Feld
War Gadafer stets zur Wache bestellt.
Es umschirmten Erlen den Hügel der Lust
Manch Ahnen durchzittert Gadafers Brust.
Als Pfingsten erschien im Mondenschein
Da halten die Schwestern den lieblichen Reih'n:
"O Lieber, o Lieber, so stell' dich doch ein,
Zu tanzen mit mir in dem lieblichen Reih'n."
Herr Grünland, ganz von Liebe berückt,
Als der Mond auf geht, zum Ritte sich schickt:
"Was sträubst du dich Roß? was wandelt dich an?
Fort! tummle dich, bring' mich zum heimlichen Plan!"
"Fort! tummle dich, sey willfährig dem Herrn!
Schon läuten die silbernen Glöckchen von fern;"
Die Düfte der Lüfte so rein und so fein,
Und lichte Gesichte hell funkeln darein.
Seitab vom Hügel auf grasigem Feld
Ist Gadafer jetzt zur Wache gestellt,
Als Grünland nah an des Meeres Gestad
Der Schönsten der Schönen sich wieder naht.
Sie führt in der Schwestern Reihen ihn ein,
Sie tanzt mit ihm in dem lieblichen Reih'n,
Und von unsichtbaren Saiten erschallt
Die schönste Musik durch den Zauberwald.
Wie glühen die Blicke! wie brennt sein Gesicht!
Gadafer wiehert, er hört es nicht:
Der Mond durchbebet der Erlen Kranz,
Um den sich wirbelt der lustige Tanz.
Sie herzt ihn, sie drückt ihm die Hände so warm,
Geschlungen um ihn den seidenen Arm,
Die Schwestern staunen! In Wollustgluth
Ist aufgelöst sein ganzer Muth.
Die Schwestern winken; "die Luft wird kalt"
Auf enden den Tanz wir "der Hahn kräht bald"
Sie drückt an ihn ihr Rosengesicht:
Gadafer schnaubt stärker, er hört es nicht;
O folge mir Lieber! verlaß mich nicht!
Mit brünstigen Armen sie fest ihn umflicht;
Sie zieht ihn fort an des Meeres Strand,
Sie verschwindet mit ihm in das - Feenland.
Es scharrt am Ufer ein milchweiß Roß,
Es scharret und stampft die Erde bloß
Es wiehert hinaus in die Morgenluft,
Zum Himmel sein sehnend Wiehern ruft.
Ists nicht Herrn Grünland milchweiß Roß,
Das scharret alljährlich die Erd' hier bloß,
Seit es verloren den edlen Herrn
Herrn Grünland des Artusordens Stern.
Aus: Gedichte von
Carl Philipp Conz Erster Band
Tübingen bei Heinrich Laupp 1818 (S. 225-228)
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Der Schwanenritter
Es wallet und woget in lichtem Schein
Ins Land hinein der alte Rhein,
Und über ihm ein stattliches Schloß
Sich lustig beschauet in seinem Schoß.
Die schönste der Jungfrauen tritt herfür:
"Mir wird so eng im Schlosse dahier:
O könnt' ich doch, ihr Wellen, mit Euch
Hineilen in das weite Reich!"
Und wie nieder sie schaut, sieh! wohlgethan
Kommt auf dem Strome geschwommen ein Schwan;
Der hätt' ein gülden Kettlein an,
Und hinter dem Kettlein zeucht ein Kahn.
Und stolz in dem Kahn' ein Recke steht,
Hoch, edler Geberde, voll Majestät,
Im schönen blinkenden Panzergewand;
Ein Hörnlein trägt er in der Hand.
An der Seite schimmert sein Schwert so breit;
Vom Fingerlein* glänzt ein Edelgeschmeid,
|*Ring
Das Fingerlein strahlt von Golde so hell
Hinunter in die rauschende Well'.
"O wär' der herrliche Jüngling mein,
Und wär' die Nacht ich mit ihm auch allein,
Würd' mir nicht bang und die Zeit nicht lang",
Seufzt sie erröthend von Liebe krank.
Und wie sie seufzet, landet der Kahn
Schon an dem lachenden Ufer an,
Und heraus der herrliche Jüngling tritt,
Und nahet der Burg mit raschem Schritt.
Und die Jungfrau, züchtig zu ihm gewandt,
"Woher, o Jüngling aus welchem Land,
Wer ist dein Herr Vater, laß mich fragen,
Und deine Frau Mutter und deine Magen?"
"Und willst du mich freien, so bin ich dein;
Will dir und der Burg ein Schirmherr seyn,
Nur nicht nach Vater und Mutter und Magen,
Nach meinem Nahmen sollst du nicht fragen!"
"Vertraust du meinem Worte zuhand,
Und glaubst, dir habe mich Gott gesandt,
So wird die Eh' zum Segen uns werden,
Und ein Himmel uns blühen auf der Erden."
"Zur Stunde, da du zweifelnd wirst fragen
Nach meinem Vater, Mutter und Magen,
Muß ich mit meinen Schwanen verschwinden,
Und nie wirst du mich wieder finden."
Sie lebten in liebesel'ger Eh'
Es grünte des Berges lustige Höh',
Es grünt' im üppigen Segen die Au,
Die Sonne war schöner, die Luft war blau.
Schön wurde gewaltet zu Schirm und Wehr
Das segenprangende Land umher;
Der Ritter, er hieß der Ritter von Schwan,
Und liebliche Kinder blühten heran.
Da einst in liebetrunkener Nacht
Spricht zum Ritter Frau Else mit Unbedacht:
Herzlieber, um deine Kinder, sag' an:
Wer ist dein Vater, wer ist dein Ahn?
Der Ritter, er seufzt', er seufzte tief,
Und traurig an ihrer Seit' entschlief;
Früh Morgens, da kam mit dem Schwane der Kahn,
Und führt hinweg den Ritter vom Schwan.
Und als sie erwacht' und den Lieben nicht fand,
In Ohnmacht jeglicher Sinn ihr schwand,
Von Stund' an erkrankt sie in herzschwerem Leid,
Und starb bald nach derselbigen Zeit.
Doch die Kinder sie blühten den Rosen gleich,
Und wurden Grafen und Fürsten im Reich.
Noch ist die Schwanenburg zu schau'n,
Und warnt vor Neugier die zarten Frau'n.
Aus: Gedichte von
Carl Philipp Conz Erster Band
Tübingen bei Heinrich Laupp 1818 (S. 233-236)
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Fräulein Anne
(Altschottisch)
Schön Anne saß in ihrer Laub'
An Waldes grüner Seit',
Und Blüth' auf springt und Vögelein singt,
S' war fröhlichen Maies Zeit.
Doch Anne schön nach Wilhelm rief,
Ihr Aug vor Thränen schwer:
Ob untreu mir, doch Heil mit dir!
Im Krieg wohl überm Meer.
Vom Wald des Sommermorgens früh
Drei Knaben nah'n herbey;
Sie sangen all' und spielten Ball,
All mutternackt die drei.
"O sieben Jahre säß ich hier
Gern unter Frost und Schnee;
Wär' einer nur der Knaben mein,
Die Ball ich spielen seh'."
Dann auf und sprach der älteste Knab':
Nun horch du Fräulein fein:
Im Herzenshort prüf' jedes Wort!
Dann wähle von uns drei'n.
Ich hier bin Peter, das ist Paul,
Und der, so schön zu schau'n,
Er spielt mit uns zwölf Monden kaum
Auf Paradieses Au'n."
"O dort den Knaben, weiß wie Schnee,
Den schönsten dort will ich." -
"Und würd' ich dein, dir eigen seyn,
Was thätest du um mich?" -
"Ich kleidet' dich in Seid' und Gold,
Herzt' dich als liebstes Kind." -
"O Mutter, Mutter, als ich dein,
Warst nicht so hold gesinnt."
"Dem Rasen nah, worauf ich steh',
Scharrt mich die falsch' Ann' ein:
Dein Mordstahl hier steckt noch in mir;
Dein mag ich nimmer seyn."
Aus: Gedichte von Carl Philipp Conz Erster Band
Tübingen bei Heinrich Laupp 1818 (S. 240-241)
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Lucie und Antonio
Legende
In Bologna lebt' ein edler Jüngling,
In Bologna lebt' ein edles Mädchen.
Zärtlich liebt' Antonio die schöne
Engelreine Lucie, die fromme,
Deren Neigung zwischen Erd' und Himmel
Schwankend jetzt am schönen Jüngling weilte,
Innig weilte, jetzt, als wäre Sünde
Solche süße Regung, mit der Regung
Ungetheilter Himmelsliebe kämpfte.
Und es siegt die hohe Gottesminne.
Bald als Braut dem Höchsten sich verlobend
Schwur sie jetzt vor des Altares Stufen
Flucht der Welt und Huldigung dem Himmel.
Ach und kann der Mensch sein Herz verschwören!
Oft noch neben des Erlösers Bildniß
Drängt das Bild sich ihres Zartgeliebten;
Manchen Raub an ihren Himmelsseufzern
Mußte der Gedank' an ihn begehen.
Traurig schlich der Jüngling jeden Morgen
Unters Fenster, wo heraus sie lauschend
Messe täglich hörte von dem Dome.
Sah der Andacht Lilien er prangen
Auf dem Rosenhimmel ihrer Wangen,
O wie fühlt' er schmachtendes Verlangen!
Sah er ihrer Augen Sternenbogen
Zu dem ew'gen Licht hinaufgezogen,
Und, zu heilen allen Erdenschaden,
In dem Urquell alles Heiles baden,
Regten sich in ihm auch andre Flammen,
Und den ird'schen Wunsch muß er verdammen;
Doch mit herben, bittersüßen Leiden,
Unter Thränen muß er immer scheiden.
Ach, und kann sie solche Schau vermeiden!
Den geliebten Räuber ihrer Freuden,
Ihrer Himmelsfreuden muß sie sehen
Täglich vor dem Klosterdome stehen.
Und da tritt ein Warner vor die Seele
Ihr mit eins des Bischofs ernste Rede,
Als er ihr gereicht den Nonnenschleier:
"Von den Augen aller Männer trenne
Deine Augen ewig dieser Schleier!"
Als Antonio kommt am andern Morgen,
Eng vergittert findet er das Fenster,
Was er kam und wieder kam und harrte,
Eng vergittert blieb das strenge Fenster,
Das vom Himmel seiner Wonn' ihn trennte.
Und nun schwur er, sich dem Herrn zu weihen,
Einzig nach dem Vorbild seiner Lieben,
Nahm das Kreuz und zog zu frommem Streite
Fort ins Land, da heilige, geweihte,
Das getrocknet viel der Christenthränen,
Dort zu kämpfen mit den Sarazenen.
Schon im ersten Treffen, wie er wüthend
Eindringt in die lanzendichte Reihen!
Tod, nicht Sieg ist sein Verlangen, theuer
Will sein Leben dennoch er verkaufen.
Mordend unter mörderischen Streichen
Nieder stürzt er, wird vom Feind lebendig
Fortgeschleppt, in Kerkernacht geworfen.
Aus dem Kerker bald in ehrnen Banden
Seht ihn wandern nach der Marterkammer!
"Frei der Qualen leb' als unser Bruder,
Schwöre deinen Glauben ab, bekenne
Mahoms" - riefen dort ihm zu die Feinde; -
Doch er würdigte sie keiner Antwort,
Standhaft stumm ertrug er jede Folter.
Mitten unter ihren herbsten Qualen
Rief er: "heil'ge hohe Himmelssonne,
Brunnen aller Huld, Quell alles Friedens,
Ströme deinen Frieden auf mich nieder!
Hör', o höre, Mutter der Erbarmung.
Und du Lucie, der Keuschheit Blume,
Wenn du noch der Erde Lüfte trinkest,
Schließe den, der dich so innig liebte,
Ein in dein Gebet, und hat des Himmels
Seligkeit dein Leben schon umschlossen,
So erwirb mir meines Heilands Gnade
Auf dem letzten dornenvollen Pfade."
Kaum als er die Worte noch gesprochen,
Sank sein Auge wie gebrochen plötzlich,
Und als wär' er unterm Schmerz verschieden,
Ließen todt ihn seine Henker liegen.
Doch erwacht, wie staunt er nun, mit seinen
Fesseln in Bologna sich zu sehen,
Hart am Fuß des St. Christinenklosters;
Und es wuchs sein Staunen zum Entzücken:
Lucie, von Himmelsglanz umflossen,
Stand, als harrte sein sie, vor der Pforte.
"Lebst du", rief er, "lebst du noch, du süße,
Braut des Herzens, du Gebenedeite?" -
"Wohl noch leb' ich; doch das wahre Leben,
Das, gebraucht, nicht abnimmt, ewig zunimmt.
Geh' und lege nieder auf mein Grabmahl
Deine Fesseln, preise Gottes Gnade,
Sie allein! Nur sie hat dir geholfen."
An demselben Tage, als Europa
Wehmuthsvoll Antonio verlassen,
War, ein Strahl, der wiederkehrt zur Sonne
Ew'ger Liebe, Lucie verschieden.
Kaum ein Jahr jetzt, das der fromme Dulder
Unter Andacht- unter Liebethränen
An dem theuren Grab in stillem Sehnen
Hin verweinte, was hinweggeschieden,
Ging auch er hinauf zum höhern Frieden.
Aus: Gedichte von
Carl Philipp Conz Erster Band
Tübingen bei Heinrich Laupp 1818 (S. 245-248)
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Die Finnenhochzeit
In König Sumblus Hallen erhub sich Freudenspiel.
Es saßen da der Recken und edlen Degen viel,
Der König in der Krone mit Edelstein geschmückt,
Bey ihm die schöne Tochter im Brautschmuck man erblickt.
Zur Hand der Vogt von Sachsen als Bräutigam ihr saß.
Ey was da nicht von Freuden und Lust ein Uebermaß!
Es strömt in goldnen Schalen der purpurrothe Wein.
All' Sorg' und trübe Schwere, sie müßen vergessen seyn.
Da tritt herein ein Harfner, gar wundersam gestaltet,
Vermummt, mit grauendem Barte, und Rock und Mantel veraltet.
"Willkomm zu hohen Freuden, willkommen schöne Maid!
Willkomm, Herr König in Trauer! willkomm Herr Bräut'gam zu Leid."
"Was Leid im Freudensaale? du wunderlicher Gast!
Setz dich, und wenn du getrunken und satt gegessen dich hast,
So freu' dich mit den Freudigen, und nimm das Wort zurück!
Wo nicht, so eile du Schlimmer von hinnen im Augenblick!"
So Sumblus zu den Gästen. Gar seltsam tritts ihn an;
Der Gast: "Was ihr euch freuet, das ist nur alles ein Wahn.
Was oft mit Freude begonnen, ist bald in Leid zerstoben.
Man soll, hört' ich oft sagen, den Tag vorm Abend nicht loben."
"Wie bist du krank an Sinnen, und doch ein Harfner gut?
Wie bannt dir nicht die Harfe der Sorge schweren Muth?
Auf, greife zu den Saiten! Laß frisch ein Lied uns hören!
Ein neues Lied, ein munteres Lied! So wollen wir baß dich ehren!"
Rasch schlug er in die Saiten, er sang von einer Braut,
Die einem edlen König ein König hätt' getraut,
Und hätt' sie ihm gesichert fest in die rechte Hand,
Und dann in falscher Treuen den Sinn schnell abgewandt.
"O wer auf Weibertreue und Männerschwüre baut,
Dem Sande und dem Wasser der seinen Fuß vertraut.
Ich mochte nimmer zagen mit flammenheissem Muth,
Vor Lanzen und vor Pfeilen, vor Schwertern roth von Blut."
"Acht übermuthe Recken warf hin mein Schwert zumal;
Neun streckte meine Lanze voll wilden Grimms zu Thal.
Und soll jetzt so gehöhnet vor Braut und Rittern steh'n,
Und einem fremden Bräutigam vermählt die meine seh'n? -"
"O du viel falscher Vater, o du viel falsche Braut!
O du viel falscher Bräutigam!" So schrie er wild und laut!
Den König kam ein Zagen, die Braut ein Zittern an,
Als mit gezücktem Schwerte mit eins den Harfner sie sah'n.
Weg warf er Bart und Larve, enthüllte sein Gesicht:
Garm wars, der edle König, entflammt von Zornes Licht
Und alle die Recken im Saale, die fuhren erschrocken auf,
Als auf den Vogt von Sachsen er fuhr in grimmigem Lauf
Und eh' sie sich mochten besinnen, lag Heinz schon todt im Blut:
"Da lieg nun, Ungesunder, und feire die Hochzeit gut,"
Und rasch die Braut aus dem Saale er aufhub löwenstark,
Und fort vom Finnenfeste sie führte nach Dänemark.
Aus: Gedichte von
Carl Philipp Conz Erster Band
Tübingen bei Heinrich Laupp 1818 (S. 249-251)
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Ritters Liebesklage
Die besten Händel sind nicht gut,
Das hab' ich oft gehört.
Mich trieb der Jugend Uebermuth,
Und auf mit Lanz' und Schwert;
Und in die Weite flog das Roß,
Hui! über Stock und Dorn:
Ein wilder Ruffian erschien,
Den nahm ich gleich aufs Korn.
Mit eisenfreß'rischem Gesicht
Starrt er mich lange an,
Ich aber zog den Sarras frisch,
Und legt' ihn auf den Plan.
Und hinter ihm, was trabt einher?
Wohl eine schöne Maid,
Vier Knappen um ihr milchweis Roß,
Sie weint und schluchzt voll Leid.
Die Knappen streckt' ich in den Sand
Und machte frei die Maid,
Und zog an mich ihr milchweiß Roß,
Und trocknet' all ihr Leid.
Die ich jetzt frei gemacht der Haft,
Mit holder Zauberei
Legt' bald mich in Gefangenschaft,
Wer macht mich wieder frei?
Aus: Gedichte von Carl Philipp Conz Erster Band
Tübingen bei Heinrich Laupp 1818 (S. 252-253)
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Die kranke Königstochter
Der König mit der Tochter stand
Vor seines Schlosses Thor;
Halb nackt in triefendem Gewand
Tritt jetzt ein Jüngling vor:
"Bei deinen Knie'n beschwör' ich dich,
O König, hub er an:
O schau' mit Huld herab auf mich,
Den unglücksel'gen Mann!"
"Bey deiner Krone gold'nem Licht,
Das segnend dich umkränzt,
Und bey der süßen Augen Licht,
Das dir zur Seite glänzt."
"O weis' in meinem Elend mich
Nicht unerhört von dir!
Ein Allberaubter flehet dich:
Obdach gewähre mir!"
"Was frevelnd eines Königs Macht
An mir verübt, die Wuth
Des Meers auf's äußerste gebracht,
O mach' es wieder gut!"
- In seinen Blicken glänzt' ein Adel,
Und Ton und Angesicht verrieth
Die reine Seele sonder Tadel,
Und ein nicht niedriges Geblüt.
Der Tochter Augen wurden Zähren,
Des Königs Herz ward tief bewegt:
"Die Bitte muß dir gern gewähren,
Wer die Verlaß'nen gerne pflegt."
Und Diener werden schnell gerufen:
"Auf! schafft ihm reineres Gewand!
Und führet ihn hinauf die Stufen
In meinen Königssaal zu Hand."
Als kreisten nach dem Mahl die Becher,
Und traurig noch der Jüngling saß,
Da sprach der königliche Zecher;
"Was soll der Trauer Uebermaß?"
"Nicht ziemen hier die kranken Blicke;
Verbanne solchen schweren Muth!
Verlornes laß ob neuem Glücke!
Den Gram getaucht in Rebenblut!"
Er greift zum Becher frohen Muthes,
Und trinkt ihn seinem Retter zu,
Und setzt sich neu erfrischten Blutes,
Und fordert eine Harf' im Nu.
Ey wie geschickt er in die Saiten
Und rasch als ein Arion schlug!
Die schönsten Harmonieen gleiten
Süß unter seiner Hände Flug.
Berückt ist aller Hörer Seele,
Des Königs Seele schwimmt in Lust,
Und, Wunder! eine Götterkehle
Tönt auf jetzt aus des Jünglings Brust.
Er singt von längst entschwundnen Tagen
In Lieb' und Leid, in Freud und Pein,
Der Vorwelt ewig junge Sagen,
Und singt sein eigen Schicksal drein.
Von Wollust sind die Hörer trunken;
Allein die Königsjungfrau hört
Die Töne kaum, in sich versunken,
Mehr durch das Aug; als Ohr bethört.
- Und als verklungen Lied und Spiel
Zur Kammer schleicht es ein,
Und drückt die Wangen auf den Pfühl,
Das Königstöchterlein.
Und als sie lag auf ihrem Pfühl,
Die Jungfrau, heißer Schmerz
In Fiebergluthen bang und schwül
Tritt ihr mit eins ans Herz.
Und als erschien das Morgenroth,
Krank lag die Holde, krank;
Der König grämt sich in den Tod,
Die Aerzte stehen bang.
"O wächst kein Kraut, kein Heilungssaft
Für meiner Tochter Pein?
Belohnt soll, wer ihr Hülfe schafft,
Wie nie ein Arzt noch, seyn."
"Und gälts mein halbes Königreich,
Kein Preis ist mir zu hoch;
Ach sonder sie dem Bettler gleich
Wär' ich! - O rettet doch!"
Empor sie jetzt die Augen schlug,
Und starrt' im Kreis umher,
Dann nach dem Harfner wild sie frug,
Den jüngst verschlang das Meer.
O, rief sie, seht die Drachen dort,
Sie faßen wild ihn an;
Ich muß ihn retten; laßt mich fort!
Sonst ist's um uns gethan.
- Gerufen tritt er in die Kammer;
Er sieht der Aerzte bangen Kreis;
Er sieht des Königs schweren Jammer,
Und vor die Seele tritt's ihm heiß.
Sanft läßt er seine Harf' erklingen,
Zu sänftigen den wilden Schmerz
Und die bekannten Töne dringen
Mit neuem Trost ihr an das Herz.
Da weicht der Wahnsinn ihr: "Gerettet,
Ach seh' ich dich gerettet! Kaum
Sah' ich im Meere dir gebettet;
Entflohen ist mein banger Traum.
So bleibe denn, o süßes Leben,
O ewig bleibe nun bei mir,
Und keinem Anderen gegeben
Sey meiner Jugend Blum' als dir!"
Verworren, fremd, doch süß getroffen
Schlägt er die Augen nieder bang;
- Was kann ein armer Bettler hoffen,
Deß ganzes Glück das Meer verschlang? -
Der König stutzt . . . nur Augenblicke,
Als mit gesammeltem Gesicht
Er, väterliche Huld im Blicke,
Erheitert zu dem Jüngling spricht:
"Den Arzt hab' ich an dir gefunden,
Die Krankheit auch; ein solcher Schmerz
Kann nur allein durch den gesunden,
Der, wie er trifft, auch heilt das Herz.
Mein Königswort sey nicht gebrochen,
Das ich dem Arzte zugesagt;
Mein bestes Gut ward ihm versprochen:
- Ich traue solcher Liebe Macht."
Daß Zeus der Rettende es wende
Zu meinem und zu eurem Glück!" -
So fügt zusammen er die Hände
Der Liebenden im Augenblick.
Als jetzt die Ringe sie sich reichen,
Sieh! an des Jünglings Ringe schon
Erkennt er, o geliebtes Zeichen!
Den Freundes- und den Königssohn.
"So hat mein Herz mir nicht gelogen!
Bist du es vielgeliebtes Haupt?
Süß fühlt' ich mich an dich gezogen;
Wer hat dir Kron' und Glück geraubt?"
- "Mich hat Adrastos Lands vertrieben,
Als fromm ich um sein Kind gefreyt,
Das mit verbotner Brunst zu lieben
Sich nicht das Götterscheusal scheut."
"Geraubt hat er mir Kron' und Haabe,
Weil seinen Frevel ich durchdrang,
Drauf meine letzten Schätz' im Grabe
Des Meers, der Woge Zorn verschlang.
Nun, o ihr ewig guten Götter,
Nach schwer bestandenem Geschick,
Find' ich in dir den theuren Retter,
Und Vater und ein schönres Glück."
"Die Götter haben schon gerichtet,
Erfreut der König jetzt begann:
Von treuer Hand bin ich's berichtet;
Gefallen ist er, der Tyrann:
Sein Eidam selbst hat ihn erschlagen,
Und sich die Krone zugewandt,
Mit Sehnsucht seufzet, hör't ich sagen,
Nach dir dein anererbtes Land."
Und als das Hochzeitfest begann
Bey muntrem Saitenschall,
Und durch die Königshallen scholl
Die Freude überall;
Da treten plötzlich in den Saal
Gesandte ferne her,
Und neigen tief ihr Haupt zur Erd',
Und bringen frohe Mähr.
"Lang lebe, König! Unser Fürst
Beut dir zum Bund die Hand,
Und ladet deinen Eidam dir
In sein ererbtes Land.
Begegnen will er dir und ihm
Mit Freundschaft und mit Treu',
Und was Adrastos machte schlimm,
Gut machen all auf's neu."
Der Mähre froh der König zieht
Die Boten zu dem Mahl,
Und froher jetzt und froher sprüht
Die Freude durch den Saal.
Der Bräutigam, er fodert laut
Die Harf' und singt entzückt
Der Harfe Lob, die mit der Braut,
Der Süssen, ihn beglückt.
Die Braut sie neiget sanft ihr Haupt
Hinab in seinen Schoos:
"O Harfner süß, o lasse nichts
Als nur der Tod uns los!"
Der Vater, als das Fest vorbey,
Er rüstet Schiffe aus,
Herzt Sohn und Tochter, weinend dann
Entläßt er sie nach Haus.
Aus: Gedichte von Carl Philipp Conz Erster Band
Tübingen bei Heinrich Laupp 1818 (S. 254-262)
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