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Philippine Engelhard (geb. Gatterer)
(1756-1831)
Der unerwartete Fund
Ein Ritter aus berühmtem Stamm,
Noch zu den Fehdezeiten,
Floh vor dem Titel: Bräutigam,
Um den sich Andre streiten.
Wenn seine Mutter zärtlich sprach:
Sohn, läßt du keine Kinder nach,
Wer soll nach unserm Sterben
Die schönen Güter erben? -
So sagt er sanft, nach Kinderpflicht:
"Von allen, die ich kenne,
Verdienet auch die Beste nicht,
Daß ich nach mir sie nenne.
Sie wollen nur mit Perl' und Stein
Geschmückt, in Stoff gekleidet sein,
Und gern mit gold'nen Spangen
An Hals und Armen prangen.
Für ihre Lumpenstickerei
Geb' ich nicht guten Morgen!
Was thun sie sonst? Sei's was es sei,
Da muß der Mann für sorgen.
Wüßt' ich ein Fräulein, nackt und bar,
Doch häuslich, wie einst Sara war,
Und keusch, und sanft von Sitten:
Ich freit', ohn' euer Bitten!"
Einst, als er Reh' und Hirsche schoß,
Kam schnell ein starker Regen,
Doch an dem Walde lag ein Schloß
Ihm diesmal sehr gelegen,
Denn durch und durch war er schon naß,
Auch hungert' ihn noch über das,
Drum eilt' er, was er konnte,
In's Schloß des Herrn von Dronte.
Der Ritter war da sehr bekannt,
Drum ging er jetzt, wie immer,
Die Trepp' hinauf und rechter Hand
Nach Herrn von Drontens Zimmer.
Er öffnete die Thür, und sah
Zum erstenmal ein Fräulein da
Von reizendem Gesichte,
Des Ritter Drontens Nichte.
Erst seit drei Tagen war sie hier,
Der Wirthschaft vorzustehen,
Drum wundert sich der Ritter schier,
Statt Drontens sie zu sehen,
Und wie er in der Thür so stand,
Sah er, daß sie mit schneller Hand
In's Bett etwas versteckte,
Das Neugier ihm erweckte.
Sie aber ihm entgegen ging
Mit solcher Huld und Minne,
Daß gleich der Ritter Feuer fing
Und dacht' in seinem Sinne:
O, möchte die doch mehr versteh'n
Als Putzen und Spazierengeh'n,
Daß ich ein Weibchen hätte
Nicht bloß zu Tisch und Bette.
Indem an's Bett er denkt, da fällt
Ihm ein mit Centnerschwere:
Wie? wenn das, was sie heimlich hält,
Ein Liebesbriefchen wäre?
Sie schwatzt ihm vor, bald dies, bald das,
Auch dies behagt dem Ritter baß,
Nur möcht' er gerne wissen,
Was sie verbergen müssen?
Ihn treibt der Hunger, sich von ihr
Ein Frühstück auszubitten;
Sie, auf vom Stuhl, und aus der Thür
Mit zwei, drei leichten Schritten.
Der Ritter aber schlich sich hin
An Drontens Bett und fand darin
Zum größesten Vergnügen -
Und was? das rathet! - liegen.
Er fand zwei Strümpfchen, weiß und fein,
Der eine noch zerrissen,
Den sie mit zarten Händelein
Zu flicken sich beflissen;
Der andre war schon fein geflickt,
Und unten wieder angestrickt. -
Froh schlug er in die Hände:
Mein Warten hat ein Ende!
Jetzt trat sie in die Thür' hinein;
Das Frühstück trug die Dirne
Mit Wein ihr nach. Sie schenkt' ihm ein;
Mit Lächeln auf der Stirne
Und Lieb' im Blick sah er sie an,
Und sprach: Auf's Wohlsein von dem Mann,
Dem du dein Herz gegeben!
Gott laß' ihn lange leben.
Erröthend schlug sie alsobald
Die schönen Augen nieder,
Und Schauer fuhren, heiß und kalt,
Durch ihre zarten Glieder.
Dann sagte sie mit süßem Ton:
Glaubt ihr vielleicht, ich liebte schon?
Noch ist mein Herz vom Lieben
Beständig frei geblieben.
Als sie noch sprach, sieh da! da kam
Der Oheim just nach Hause,
Und zu des armen Ritters Gram
Entstand hier eine Pause.
Doch er entschloß sich kurz und gut
Und bat um ihre Hand. "Da thut
Ihr beide wohl!" sprach Dronte,
Und lachte, was er konnte.
Der Ritter ward drauf ihr Gemahl,
Beglückt durch ihre Gaben,
Nach Jahren Vater einer Zahl
Von Mädchen und von Knaben,
Die lieblich anzuschauen war,
Mit blauem Aug' und blondem Haar
Und ihre Mutter freute
Sich lang der kleinen Leute.
Moral ist viel zu hoch für mich,
Ich kann nur Märchen singen,
Drum nehme Jeder selbst für sich
Was ihm kann Nutzen bringen.
Ihr Mädchen, die ihr eitel seid,
Ihr jungen Männer, die ihr freit,
Merkt: daß die schönsten Hände
Nie Fleiß und Arbeit schände.
Aus: Deutschlands
Dichterinnen.
Blüthen deutscher Frauenpoesie
aus den Werken deutscher Dichterinnen
der Vergangenheit und Gegenwart ausgewählt von Karl Wilhelm Bindewald
Osterwieck / Harz o. J. [1895] (S. 30-31)
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