|
Else Galen-Gube
(1869-1922)
Ballade
Es klingt aus alten Zeiten
mir eine Mär so traut,
von einem blonden Komteßchen,
das wurde Königsbraut.
Sie liebten sich heimlich so innig:
Doch der alten Königin
wollte die Liebe der beiden
aus Hochmut nicht in den Sinn.
Sie sprach zu ihrem Sohne,
das Antlitz aschenfahl:
"Es kostet dir Zepter und Krone,
nimmst du die Dirn zum Gemahl.
Es rollt in ihren Adern
kein Tröpfchen fürstlich Blut,
und Kaiser Ferdinands Tochter,
die schwarze Schön-Ann, ist dir gut."
Das süße Komteßchen hörte
es unten auf einsamer Bank,
sie weinte bittre Tränen
und schlich sich zum Söllergang.
Sie stieg hinauf zur Zinne:
"Leb wohl, lieb König mein,
leb wohl, du süße Minne,
ich senke mein Leid in den Rhein."
Der blinkte und winkte so silbern
beim bleichen Mondeslicht,
der König freite Schön-Annchen,
die blonde Komteß sah man nicht.
Es sah sie niemand wieder,
es wird sie niemand sehn,
es mußte Lieb und Treue
schon damals zu Grunde gehn.
Aus: Im Bann der
Sünde Gedichte von Else Galen-Gube
Königsberg i. Pr. Thomas & Oppermann 1905 (S. 79-80)
_______
|