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Hedwig Hertel
(um
1888-1893)
Die Fürstenwahl
Vom Söller auf die bunte Menge
Und auf des Jagdzugs laut Gedränge
Schaut träumerisch die Fürstin hin, -
Wie sie dem Land den Herrn erwählet,
Auf den das Volk vertrauend zählet,
Bewegt den jungfräulichen Sinn.
"Nicht braucht's des Purpurs, nicht der Krone,
Im Bettler wie im Fürstensohne
Wohnt Menschenwürde, Menschenwerth;
Doch königlich will ich sein Denken,
Mein Volk - ich will den Herrn Dir schenken,
Den seines Herzens Adel ehrt!
Nicht will das meine ich befragen,
Doch prüfen darf ich sonder Zagen
Auch dort mit gleichem, heil'gen Recht"; -
Sie schlägt das Auge auf, das helle,
Da trifft es an der off'nen Schwelle
In schlichtem Kleid - den Edelknecht.
Demüthig schaut der Jüngling nieder,
Auf bleicher Wange ruh'n die Lider.
"Herrin, ich kam" ... er stockt und schweigt;
Sie steht vor ihm so hold und prächtig,
Da sinkt er, seiner nicht mehr mächtig,
Auf's Knie, das tief er vor ihr neigt.
"Ich trag' es länger nicht verborgen,
Des Herzens Gluth, sein heißes Sorgen
Um Dich, du königliche Maid, -
Und sollt's in tausend Stücke brechen,
Von seiner Liebe müßt' es sprechen
Sonst ging's zu Grund in seinem Leid".
Doch streng, das Antlitz fortgewendet,
Die Fürstin spricht: "Verweg'ner, endet
Der Rede unheilvollen Lauf,
Ob sie auch keck sei und vermessen,
Ich will das kühne Wort vergessen,
Um eig'nen Herzens Glück - steht auf!
Schaut- drunten hoch im Reitertrosse
Der Königssohn auf edlem Rosse,
Der ist's, den meine Huld beglückt.
Des Herzens Stimme drum vor allen,
Des hehren Gleichklangs selig Wallen
Ist's, was euch meinem Zorn entrückt".
Ein hold' Erröthen färbt die Wangen, -
Der Jüngling schweigt, wie traumbefangen
Küßt er der Herrin das Gewand.
Dann geht er stumm mit schwankem Schritte;
Die Fürstin in des Söllers Mitte
Preßt fest auf's Herz die weiße Hand.
Noch steht sie in verlornem Sinnen,
Da sprengt er drunten wild von hinnen
Mit Schild und Speer dem Jagdzug nach.
Im Herzen tief die Todeswunde,
So stürmt er hin in finst'rer Stunde,
Die ihm sein Glück in Trümmer brach.
Dort, wo der Waldstrom tosend brüllet,
Die weißen Schleier schäumend hüllet
Um wild Geklüft und Felsgestein; -
Dort wo die Brücke hängt am Grunde,
Hoch über grausem Todesschlunde
Dort holt er die Genossen ein.
Da - horch - ein Schrei - und wo er eben
Geschaut noch hat in blüh'ndem Leben
Des hohen Fürstensohns Gestalt,
Da bäumt ein Roß, da zuckt die Welle,
Da wirft's wie mit Gedankens Schnelle
Den Reiter in des Stroms Gewalt.
Entsetzen rings - nicht Hand, nicht Zügel
Regt sich zur Rettung - fest im Bügel
Hält sie voll Grau'n das Wogengrab.
Nur Einen faßt's mit edlem Grimme,
Und diesen mahnt's wie Dämons Stimme:
"Der, den sie liebt, sank dort hinab!" -
Ein Kampf tief drunten, einer droben,
Gleich wild und schwer - und doch verwoben
Nur der Sekunde finst'rer Macht; -
Dann aber schleudert Speer und Bogen
Der Jüngling fort, und in die Wogen
Stürzt er sich kühn trotz Todesnacht.
Er ringt voll Muth, ob auch zerschmettern
Der Klippen branden wildes Wettern
Den Starken will im Streite heiß;
Da, wie die Kräfte schon erlahmen,
Eh' noch die Retter helfend kamen,
Trägt er davon des Kampfes Preis.
Und laut, mit hellem Jubelschalle
Begrüßten rings die Knechte alle
Den toderweckten Königssohn, -
Doch der für ihn sein junges Leben
Geeilt, so selbstlos hinzugeben,
Der schlich von dannen ohne Lohn.
Ihn trieb's, den einen nur zu schauen
In ein paar Augen, süßen, blauen,
Die er vor heißem Schmerz bewahrt; -
Und wie sich füll'n des Schlosses Hallen,
Steht er der Letzte unter Allen,
Wie sich das Volk auch drängt und schaart.
Und durch der Menge off'ne Mitte
Tritt jetzt mit stolzem Herrscherschritte
Der Fürst vor die Gebiet'rin hin: -
"Heil ist mir, Herrin, widerfahren,
Nun krön' den Tag, nun laß mich wahren
Mein Recht, nun beug' den strengen Sinn.
"Erhöre Deines Volks Verlangen,
Laß mich als Gattin Dich umfangen,
Und laß mich theilen Deinen Thron;
Und dem ich dank' des Tages Rechte,
Daß ich ihn leb', - dem Edelknechte
Gieb seiner Arbeit Goldeslohn!"
Da falten sich der Fürstin Brauen,
Die lichten Augen finster schauen,
Zum Werke ist sie jetzt gestählt: -
"Nie werd' ich dess', der Todesqualen,
Verzweiflung wähnt mit Gold zu zahlen;
Mein Fürst - verzeiht - ich hab gewählt!"
Des Volkes Reih'n sieht man sie theilen,
Hin zu dem Hocherglühten eilen,
Dem Jüngling in dem Knechtsgewand:
"Seht, ihm gab ich mein Herz zu eigen,
Ich aber hieß es stille schweigen,
Bis ihn der Prüfung Stunde fand.
Denn tapf'rer noch als Abgrunds Fluthen
Hat er bekämpft die düstern Gluthen
Tief in der Brust verborgnem Kern.
Er hat den hohen Preis errungen,
Er hat das eig'ne Herz bezwungen:
Mein Volk - begrüße Deinen Herrn!" -
Aus: Deutschlands
Dichterinnen.
Blüthen deutscher Frauenpoesie
aus den Werken deutscher Dichterinnen
der Vergangenheit und Gegenwart ausgewählt von Karl Wilhelm Bindewald
Osterwieck / Harz o. J. [1895] (S. 76-77)
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