Christian Hofmann von Hoffmannswaldau
(1617-1679)
Liebe und Lebenslauff Peter Abelard und Heloisen
Abelard an Heloissen
Mein Schreiben ist verderbt / die Feder ist verschnitten
Die Tinte fleust nicht mehr / wie sie zuvor gethan /
Es wird ein kleiner brief dich umb Verzeihung bitten
Daß ich forthin als Mann / dich nicht bedienen kan.
Dein Abelard ist nicht / was er zuvor gewesen /
Er flöst dir künftig nicht die Zucker-Tropfen ein
Du kanst bey mir nicht mehr die Liebes-Apfel lesen.
Dich heist man ohne Lust / mich ohne Kräften seyn.
Kein fleischlich Jubel-Jahr ist mehr von mir zu hoffen
Nach dem ich lebenslang die Faste halten muß /
Das Messer / so mich schied / das hat dich auch getroffen /
Man gönnt dir ferner nichts als einen schaffen Kuß
Helisse meynt vielleicht / daß ich ein Retzel schreibe
Und ein verdörrter Scherz den Brief bekleiden soll /
Nein! was die Seele quält / das quilt aus meinem Leibe /
Sie ist der kalten Angst / er heisser Schmerzen voll.
Wo ist der edle Lenz / wo bleibt die süsse Stunde /
Als mich der heisse Strahl / der LiebesSonne stach /
Als ich die Regeln dir auf dem ZinoberMunde /
Und in der engen Schoß die Zucker-Rosen brach.
Ich kan im Geiste noch den süssen Honig schmecken /
Der mir aus deinem Mund auf meinen Lippen floß.
Was eingeschlafen lag / das kontest du erwecken /
Du warst mein SeelenZug und ich dein Leibgenoß.
Die süsse Kützelung die spielt mir noch im Herzen /
Als in dem warmen Schnee ich rothe Beeren laß /
Recht satt von Buhlerey / und voll von LiebesScherzen /
Auf des Gelückes Schoß / und auch auf deiner saß.
Mein Frühling ist verblüht / es ist mein Winter kommen
Die nackte Liebe scheut erkalten Reif und Schnee /
Dein falscher Vetter hat mir meinen schatz genommen /
Er stielt mir meine Lust / und schenckt mir Ach und Weh.
Er kan mich füglich nicht von deiner Seite treiben /
So raubt sein HenckersSinn / mich endlich selber mir /
Was mänlich in mir lag / daß hier er mir entleiben.
Vor Perlen findest du die leere Muschl hier.
Ach wie verfolget mich das flüchtige Gelücke /
Ich meynt es richte mir ein Bett' aus Liljen zu /
Ich wär' ein weisser Zweck von seinem LiebesBlicke.
Es führte sein Magnet mich in den Port der Ruh.
Ich äß' aus seiner Hand ambrirte Mandelkochen /
Es legte mir das Haupt auf seine weiche Brust /
Es hätte vor mein Heil und Leben gut gesprochen /
Er tränckte mich mit nichts als Moscateller-Most.
Es hätt' auf ewig sich mir treu zu seyn verschworen /
Es salbte mir das Haupt mit frembden Balsam ein /
Mein Unstern hätte sich aus der Natur verlohren /
Mein Lied das würde nichts als Halleluja seyn.
So spielt der selbst Betrug umb unsre blöde Sinnen /
Cometen scheinen oft in unsrer Freuden-Hauß /
Den LustSaal schauen wir wie dünnen Schnee zerrinnen /
Und dieser Bau verfällt auch ohne ZiegelGraus.
Wo vor die Freudigkeit uns wolte Palmen steruen
Und Bisem und Zibeth uns opfert ihre Schoß /
Da will das ungemach mit seinem Donner dreuen
Und läst auf uns erzörnt entbrennte Keile loß.
Der Hoffnungs-Ancker bricht / der Freudens-
Grund verschwindet /
Man hört wie uns die Lust verlohren Söhne heist /
Wie das Verhängnis uns mit JammerSeilen bindet /
Und unser Herze selbst aus unsern Herzen reist.
Heliß ich weiß forthin kein rechtes Wort zu machen
Die Seele blutet mir / es kräncket Geist und Muth;
Wem Schmerzen / scham und furcht tief in dem
Geiste wachen /
Der schreibet / wie du siehst / gewieß nicht allzu guth.
Ich schlafe wachende / und kan kein Auge schliessen /
Du schaust / wie meine Schrifft nicht Gleiß und
Ordnung hält;
Ich ließ dich zwar die Kunst des klugen Schreibens wissen /
Die mir als Meistern selbst aus dem Gedächtnüß fält.
So trennt durch Zufall sich / was Lehr und Leben heisset /
Ein kleiner Neben-Zug reist Löwen Kräfften ein;
Man schaut / wie uns die Noth aus dem gewichte reisset /
Und grosse Riesen heißt verachte Zwerge seyn.
Ich meint auf heiser Glut wie auf den Thau zu lachen /
Es solte mir kein Dorn verschrencken meine Bahn;
Ich dacht' auf dünnen Eiß ein Buhler-Lied zu machen /
Itzt lern ich / daß ein schnitt mein Meister werden kan.
So hebt die Hochmuth uns auch über das Gestirne;
Vergist was menschlich ist / und kennt die Erde nicht.
Verliebt sich in sich selbst / und bauet im Gehirne /
Was ein geringer Wind wie Spiegel-Glaß zerbricht.
Helisse kennstu noch was ich zuvor gewesen;
So kehre mir auch itzt ein treues Auge zu.
Laß deine Wehmuth mich aus einem Briefe lesen /
Der nach dem Himmel schmeckt / und lieblich ist / wie du.
Du kanst allein mir das beste Pflaster senden /
So mir die Schmerzen dämpft / und mich der Noth entreist /
Und dis alleine steht in deinen zarten Händen.
Ich weiß / daß mich dein Mund noch seine Seele heist.
Du hast ja meinen Geist zu erste lernen kennen /
Mein Geist hat deinen Geist eh als den Leib geliebt.
Und glaub: ich werde noch in meiner Seele brennen /
Ob gleich der matte Leib nicht rechte Funcken giebt.
Mein Geist sol deinen Leib auf neue Weisse küssen /
Und mein Gemüthe wird stets unverschnitten seyn.
Ich weiß / der Himmel selbst wird meine Noth versüssen /
Und streut die Liebligkeit mit reichen Händen ein.
Nicht scheu dich diesen Brief in deine Hand zu schliessen /
Er ist verwund / wie ich; ach druck ihn nicht zu sehr!
Laß doch zu meinem Blut auch deine Thränen fliessen;
Die Feder fällt mir hin; Heliß ich kan nicht mehr.
Heloisse an Abelarden
Auf einen Brief von Blutt gehört ein Brief von Thränen /
Ich fühle wie dein Schnitt mich auch zugleich sticht
Ach daß der Himmel mich den Jammer läst erwehnen /
Und mir nicht auch dabey das matte Herze bricht.
Kein Zug der Eitelkeit / kein Dunst beflammter Lüste /
Macht daß ich deine Noth entzuckt beweinen muß /
Die Geister führen mich in eine dürre Wüste /
Gedencke ich künfftig mehr an einen geilen Kuß.
Ich scheue mich zwar nicht in Schwachheit zu bekenen
Daß deine kühne Faust mich in die Gluth geführt;
Wie solte nicht ein Weib in ihren Geist entbrennen /
Wann ihr ein Abelard so schöne Funcken rührt?
Das Wort / damit dein Mund mein Ohre hat bestritten /
Bezwang mir auch den Geist durch süsse Zauberey.
Ich bin mein Edler Frund durch deine Hand geglitten /
Und lebte sonder dich von allem Falle frey.
Ich bin durch dich allein auß dem Gewichte kommen /
Doch wer durch Helden fält / der fält nicht ohne Ruhm
Daß du mich hast bekriegt / und mir das Heft genommen /
Das bleibt der beste Schatz von meinem Eigenthum.
Mein Einfalt schärftest du durch viel gelehrte Küsse
Die Geilheit legtest du in bunde Schalen ein /
Es machte mir dein Kuß Gall und auch Wermut süsse
Du liest Vertrauligkeit der Keuschheit Wiege seyn.
Es war die buhlerey mit Weißheit überzogen /
Ja unsre Geilheit selbst mit Keuschheit angethan
Mit solcher Liebligkeit ward unser Lust gepflogen
Daß ich sie auch itzund nicht gämzlich tadeln kan;
Es gieng die Schlüpfrigkeit in einem reinen Kleide /
Ich ward von deiner Brunst geziehret / nicht befleckt /
Es war mein PurpurRock nicht ohne weisse Seide.
Wer liebt die Speise nicht so nach der Tugend schmeckt.
Als Monde wolt' ich nur durch dich o Sonne scheinen.
Mich schreckt auf deiner Schoß kein Bild betrübter Nacht
Ich dacht' auf dieser Welt forthin nicht mehr zu weinen /
Ach daß sich unser Lust zur UnlustMutter macht.
Du hattest mir so viel von tugend fürgestellet /
Daß sich die Schelmerey dadurch nicht blicken ließ.
Mit solcher Liebligkeit ward ich durch dich gefället
Daß ich in Lust entzückt / es nicht mehr Sünde hieß.
Mich deucht ich sündigte / diß Sünd' und Schuld zunennen /
Was süsser ist als Most und nach Jeßminen schmeckt.
Ich meynt' / ich würde hier in einer Flamme brennen /
So nur zu leutern weiß / und nichts an uns befleckt.
Ich schlug in solcher Lust Geist und auch Auge nieder /
Wer Adlern gleiche sieht / wird durch die Liebe blind /
Was ich aldar empfand / bringt mir kein Monath wieder /
Es ist verrauschte Flut und längst verrauchter Wind.
Ich will forthin nicht mehr in Liebes Schrancken kämpfen
Ich will itzt Meisterin von meinem Blute seyn.
Ich weiß der Himmel selbst wird meine Lüste dämpfen /
Und druckt mir albereit der Keuschheit Siegel ein.
Ein guter Vorsatz kan uns mehr als Stah verschneiden /
Wer ihm sich selbst entbricht / fährt in den Port der Ruh
Wir schmecken keine Lust / als in der Lust / zu meiden
Und was dein Leib entgeht / das wächst der Seele zu /
Es hat mein Abelard mich niemahls recht geliebet /
So er der Meynung ist / daß ich ihn lassen kan /
Ein edles Weib wie ich / so nicht als Hure liebet /
Schaut Leibespracht als Spreu / die Seel als Körner an.
Man muß die Liebe nicht mit gleicher Ele messen /
Gemeine Buhlerey sucht nichts als Fleisch und Blut /
Doch der ein edler Geist das Herze hat besessen /
Die läst das Schlacken Werck / und sucht ein höher Gut.
Hat mich dein ZuckerMund zu Fleischlich angerühret
Und in ein Rosenthal ein schlüpfrich Haus gebaut /
So hat doch keine Brunst mir die Vernunft entführet
Es hat ein ieder Kuß auf deinen Geist geschaut.
Ich hielt vor ungereimt den edlen Leib zu hassen
Wo dein erlauchter Geist so kluge Hofstadt hielt.
Kam gleich mein Abelard mich fleischlich zu umfassen
So scherzt ich mehr von Lieb / als Geilheit angefüllt.
Ich weiß der Himmel läst uns leicht Genade finden
Der unser Seele hat tief in das Bluth gesetzt /
Ach schreib ich auch zuviel? dergleichen zarte Sünden /
Seyn der Vergebung mehr als Grobe werth geschätzt.
Als Engel werd ich dich forthin umbfassen können /
Was Männ-und Weiblich heist / bedenckt die Seele nicht /
Es scheint die Sterne selbst belachen mein Beginnen /
Und haben Cronen mir von Strahlen zugericht.
Wir wollen einen Eiß von tugend-Liljen bauen /
An dem kein schwarzer Fleck vermehrter Lüste klebt;
Die Welt wird mich und dich in einen Bande schauen /
Auf dem die Kostbarkeit von Zucht-Gewircke schwebt.
Die Seelen werden sich auf eine Weisse küssen /
Die man empfinden kan / doch nich zu nennen weiß.
Ein süsses Etwas wird von Geist zu Geiste flüssen /
Vor Liebestöckel pflanzt man künftig Ehren-Preiß.
Viel hundert JahreRost wird unsern Ruhm nicht stören;
Gesetzte Tugend sprost auch aus der Buhlerey.
Wer allzu eifrig zörnt / wird diese Worte hören:
Gar wenig Menschen seyn von Lieb und Blattern frey
Ich küsse dich itzund in diesem kurzen Schreiben /
Die Seele schreibet mehr als diese schwache Hand.
Laß mich nur deine Magd in Ewigkeit verbleiben /
Ich bin dir längst verschenckt / du darffst kein ferner Pfand.
Vor deinen Schaden kan ich itzt kein Pflaster senden /
Wenn meine Wehmut man nicht deine Salbe heist.
Hiermit empfehl' ich dich des Himmels treuen Händen /
Der heile deinen Leib / und stärcke meinen Geist.
Peter Abelard in Frankkreich unfern Nantes in Britannien / aus einem
adelichen Geschlechte gebohren / verließ das Recht der ersten Geburth
seinen jüngern Brüdern / den freyen Künsten desto ruhiger obzuliegen. Er
begab sich erstlich nach Paris / so damahls in Wissenschafften ein
ziemliches zuthun begunte / und vertrauete sich einem fürnehmen Manne
Compelense genannt / so in gelehrten Händen über die massen erfahren war;
Es wehrete nicht lange so wuchs der Schüller über seinen Meister / kriegte
einen Anhang von jungen Leuthen / begunte selbst zu lehren / und weil
dieses Werck ein übel Ansehen hatte / und er ihm allerhand Feindschafft
damit erweckte / muste er Paris verlassen / und sich nach Corveil begeben
/ da er in einer Crone junger Leuthe sich tapfer hören ließ. Weil dan
mitler Zeit sein alter Lehrmeister ein Münch worden / begab sich Abelard
wieder nach Paris / und brachte es dahin / daß der jenige dem gedachter
Compelense sein Lehr-Ampt vertrauet hatte / es ihm willig überließ / und
sein Zuhörer ward. Welches ihn dann wiederumb bey seinen Wiederwertigen so
grossen Neid verursachete / daß er sich mit seinem Anhange aus Paris / und
nach Melun verfügen muste. Nach dem nun vorgedachter Compelense Bischof zu
Chalon erwehlet worden / und auch daselbst Abelarden zu drucken begunte /
so wendete er sich abermahls zurücke nach Paris / doch nur in die Vorstadt
/ weil sein voriger Lehr-Platz schon von einem andern eingenommen war.
Compelense treibet endlich auch aldar Abelarden auf / und nöthigt Ihn sich
als ein Schüller in die Aussicht Anselmes eines berühmten
Schrifftgelehrtens zu begeben; Aber dieses Werck bleibet nicht lange in
seinem Stande und dieser hochmütige Schüler begunte endlich seinem meister
zu Kopfe zu wachsen / und ihn von seiner Stelle zu dringen / welcher
Hochmuth dann eine gefährliche Rache abgab. In dem nun Abelard in seinem
Orte Meister spielete / und sein Nahme in aller Mund und Herzen war / er
auch sich albereit vor unvergleichlich zu halten anfieng / begab es sich /
daß ein Thum Herr / mit Nahmen Folbert, eine junge Vetterin aus dem
fürnehmen Hause Mommoranci in Latein und andern Wissenschaften ziemlich
erfahren / bey sich hatte / und unsern berühmten Abelard dieser Jungfrau
in Sprachen und Wissenschafften eine Stunde zu lesen ansprach. Abelard
schlug dieses nicht ab; Sondern nahm diese anmuthig Schüllerin mit Freuden
an / und sie begunte in kurzen mercklich zu bessern. Es geschah endlich /
daß dieser geschickte Lehr-Meister seiner untergebenen zu tief in die
Augen schaute / und etliche gefährliche Funcken fühlete / so Witz und Buch
Ihm aus Gemüth und Händen wunden. Er begunte albereit mit seiner
Schüllerin freundlicher umbzugehen / er gebrauchte sich ungewöhnlicher
Arten zu reden / und ein Kuß war die erste Losung / daß er forthin etwas
mehr als Lehrmeister seyn wolte. Diese junge Tochter merckte endlich
dieses verborgene Spiel ziemlich deutlich / und ließ Ihr nicht gänzlich
unangenehm seyn / von dem / der an Anmuth und Beredsamkeit wenig seines
gleichen hatte / bedient zu werden; Mit einem Worte sie waren unfleissig
auf eine andere Arth fleissig zu werden; Abelard fieng nunmehr an seine
Schüllerin bald wegen Ihrer entzündeten Augen / bald wegen Ihrer weissen
Hände / bald wegen Ihres röthlichen Mundes / bald wegen etwas verborgeners
zu rühmen / und was er diesen Augenblick gelobet / wolte er den andern mit
Augen schauen; oder mit Händen und Lippen berühren / der Durst wuchs
endlich durch den Trunck / iemehr kleine Freyheiten unser verliebter genoß
/ iemehr er geniessen wolte / und die Anmuth dessen / was er allbereit
überkommen / ward durch die imbrünstige Begierde etwas vollkommenes zu
holen gleichsam vergället. Es gerieth endlich dahin / daß nunmehr das
liebe Latein sambt andern Wissenschafften gänzlich vergessen war / und
diese zwey verliebten in ihrer Muttersprache ziemlich offenherzig zu reden
einen Anfang machten. Heloisse that dem Ansuchen ihres Liebsten endlich
Thür und Angel auf / und der Canari-Zucker gegenwertiger Zeit / ließ sie
an Wermuth der künfftigen nicht wohl gedencken. Was nur ungewöhnlich in
der Liebe zu finden / war sinnreich hergeführet / und sie meyneten / es
were eine Unvollkommenheit / wann sie allein gelehrt reden und schreiben /
und auch nicht zugleich gelehrt buhlen solten. Sie überschütterten sich
endlich dergestalt mit Wollustgerichten / daß unsre schöne Jungfrau sich
in kurzen gegen ihren Liebsten vertrauen ließ; Daß sie diesen Tag der
Stunde wegen Unwillen des Magens nicht abwarten konte / und wenig Zeit
hernach fragte / was es doch wohl bedeutete / wann einem zwey Herzen
zugleich im Leibe schlügen; Abelard war dieses Uhrwerck / so er selbst
aufgezogen / nicht unbekandt / er verständigte seine Schöne / daß sie
ehestens ein stummer Gast verrathen würde / und entschloß sich Spott und
Schaden zu vermeiden / endlich heloissen aus ihres Vatern Hause zu seiner
Schwester in das Französische Britannien zu führen / da sie dann einen
jungen Sohn / den sie Astrolabe nennen ließ / auf die Welt brachte.
Abelard bemühete sich darauf seien Schwagern / der Zorn-Gluth und Feuer
bließ / so viel möglich zu besänftigen / verspricht seine Freundin in der
Stille zu ehlichen / doch mit der Bedingung / daß es nicht der Welt allzu
sehr lautbar werden möchte. Mit welchem Fürschlage sich auch gedachter
Thum-Herr dem Scheine nach befriedigte / und solches mit Kuß und vielen
verbündlichen Worten versiegelte Abelard begiebt sich hiermit wiederum zu
seiner Geliebten / erzehlete ihr den Fürsatz der abgeredeten Verehligung /
wurd aber durch allerhand bündige Einwürfe davon abgehalten / sie stellete
ihm unter andern von / daß ihres Vettern rechgieriges Gemüthe durch nichts
dergleichen würde besänfftiget werden können: Sie gab ihm zu erkennen /
daß es höchlich zu beklagen were / wenn ein so hohes Gemüthe / so die
Natur zu etwas edelern gewidmet durch / Sorgen der Nahrung und andere
unvermeindliche Mühseeligkeiten geschwächet werden solte. Sie erinnert ihn
/ daß sein und ihr Name die bißhero vor ein Beyspiel aller Tugenden
gehalten weren worden / mercklich gekräncket / ja der Glanz beyder Ehr und
Tugend durch diese ungebundene Händel ganz dunckel werden würden mit
angeheftem Vermelden / daß es Ihr annehmlicher seyn solte seine Freundin
als seine Ehefrau genennet zu werden. Nach dem sie aber ihres geliebten
Fürsatz durch diese und andere Einwürfe nicht zurücke lencken konte / gab
sie sich endlich mit diesen Worten in seinen Willen / daß gewiß mit
Verderb ihrer beyden / die kommende Schmach grösser als die vergangene
Freude seyn würde / sie übergab darauf den jungen Sohn des Abelards
Schwester / machte sich auf den Weg und ward in Beyseyn etlicher weniger
Freunde in Pariß mit diesem / der neben den Zucker der Wissenschafft / ihr
auch zugleich die Galle der Unkeuschheit eingeflößt / ordentlich
vermählet. Folbert begunte darauf dieses Ehewerck durch die ganze Stadt
ruchtbar zumachen Heloisse aber ihren so hochgeschätzten bey Ehren zu
erhalten / leugnete so gut sie konte / und dieses Werck gerieth endlich
dahin / daß Abelard gezwungen war / seine Ehegattin nach Argenteil unsern
von Pariß gelegen / in ein kloster zu senden / und sie biß auf den Fechel
aldar einkleiden zu lassen. Diese Entweichung der Heloisse verbitterte den
Folbert iemehr und mehr / der sich auch endlich aus Nachgier dahin
verleiten ließ / bey Abelard / nach dem er zuvor seinen Knecht mit Gelde
bestochen / bey nächtlicher Zeit seines Herren Schlafgemach zu eröfnen /
durch dazu gleichfalls erkaufte Personen in seiner Ruh zu überfallen / und
zu entmannen. Diese ungewöhnliche That war alsobald durch ganz Paris
ruchtbar / und Abelard / dem die angethane Schmach / mehr als der
LeibesSchmerz empfindlich war / schauete in wehrender Niederlage stündlich
eine grosse Anzahl Frembde umb sich / so ihr Mitleiden / mit Seuffzen /
Worten / und Thränen scheinbar spühren liessen. Nach dem nun besagter
unglückseeliger Zufall unsern Abelard untüchtig gemacht / seiner Liebsten
Heloisse nach voriger Arth künftig beyzuwohnen / so entdeckte er derselben
/ den unvollkommenen Zustand seines Leibes / so dann nach Vergiessung
tausend Thränen / endlich ihr Gemüthe / als ein gelehrtes Weib weißlich
bestillete / und sich völlig als Nonne zu Argenteil einkleiden ließ /
Abelard aber in den Kloster des H. Dionis. die MünchKappe gleichfalls
anlegte. Den elenden Zustandt / darein Abelard in besagtem Kloster / wegen
eines geistlichen Streites / dazu er wegen seines hitzigen Gemüthes sehr
geneigt war / in kurzen gerieth / were zuverdrießlich hier ausführlich zu
erzehlen. Die Geistlichkeit erhub insgesambt wider ihn / also daß er aus
Furcht auch in des damahligen Königs in Franckreich Ungenade zu fallen /
unter eines Grafen in Champagnien Schutz mit Namen Thiboult sich begab /
der sich nicht ungeneigt erzeigte auf allerhand Weisse auszusöhnen / so
aber keinen andern Ausschlag gewinnen wolte / als daß er endlich Erlaubniß
überkam / einen einsamen Orth zu seiner Wohnstadt ihm zu erkiesen / sein
Leben / doch allzeit unter der Beschaffenheit eines Bruders des Klosters
des H. Dionis. daselbst zuzubringen Es ward ihm ein kleiner Platz / als
ein Allmosen / unfern bey dem Flecken Nogent an der Seene angewiesen /
allwo er auf die armseeligste Weisse ein enges GottesHauß aus gar
schlechten Zeuge aufbauete / und nebenst einen dürfftigen Geistlichen ihm
an den Gottesdienst Handreichung zu leisten / in solcher einsamkeit sein
Leben zu enden entschlossen war. Nach dem aber seine vorige Schüller aus
Liebe ihres Meisters sich häuffig bey ihm einfunden / und zu ihrem
Auffenthalt geringe Zellen baueten / begunten seine Wiedersacher theils
wegen des Namens / so er dem Kloster gegeben / theils wegen daß er
wiederum aufs neue zu lehren anfieng / ihn zu verfolgen / also daß der
Fürst von Nieder-Britannien / weil die Abten des Klosters Hildasse sich
entlediget / solche Abelard auftrug. Diese den Schein nach gelückseelige
Begebenheit verkehrte sich alsobald in neues Unheil / in dem er durch
treue Versorge / viel Unordnung / so unter den Brüdern eingerissen / nach
und nach vernünfftig abstellen wolte / und also ihm tausenderley
verfolgunf auf dem Halß zoge. Nachdem nun der Abt zu H. Dionis. die
geistliche Jungfrauen zu Argenteil, ich weiß nicht / unter was vor einen
Vorwand wandt aus dem Kloster drang / und es mit München besetzte /
reimete Abelard sein GottesHauß Paraclit gedachter Nonnen ein / allwo
Heloisse als Aebtissin ein strenges Leben führete / und mit ihrem
unbefleckten Wandel es dahin brachte / daß die Bischoffe sie vor ihre
Tochter / die Abtisse sie vor ihre Schwester und die weltlichen sie vor
ihre Mutter hielten. Bey welcher gelegenheit theils die gegen dem Abelard
übelgesinnte / ihm daß er gegen gedachtem Kloster nicht gnugsam Vorschub
thete / feindseelig vorrückten / andere / weil er dieses JungfrauKloster
nicht selten zu besuchen pflegete / ihm daß er die Fleisch-Töpfe Argypten
/ und wegen der in der Natur noch steckende Regung seiner alten Buhlschaft
nicht müssig gehen konte / ungeschämet aufbürdeten. Welches aber der
unschuldig Verleumbdete / mit Gedult vertrug / und die Rache / in dem er
mit Stahl und Gift von seinen Widerwertigen verfolget war / Gott allein
heimstellete / so ihn auch hernach in seinem hohen Alter und zwar des
63sten seiner Jahre von Sorgen und Ungemach abgemattet / ausspannete /
nach dem er vor seiner letzten TodesStunde befohlen seinen Lein seiner
geliebten Heloisse zu überantworten / so ihn auch mit ihren Thränen wohl
benetzet / in den besten Orth ihrer Kirchen begraben ließ. Und viel Jahr
hernach aus dieser Welt scheidende den geistlichen Jungfrauen anbefahl
ihren toden Leib gleichfalls unter die Leichen ihres getreuen Abelards zu
legen / so auch dergestalt erfolget / und melden die geschichtschreiber
selbiger Zeit / daß Abelard / als man seine geliebte Heloisse (so mir in
folgenden zwey Briefen wegen des Reimes Helisse zu nennen erlaubet seyn
wird ) nach verlauf vieler Jahre zu ihm in das Grab bracht / mit
ausgestreckten Arm solche umbfasset und an die Brust gedruckt haben solte.
Welches mich dann auch bewogen / diesen so wandelbaren lebens-Lauf mit
folgender Grabschrifft zu beschliessen.
Ein Freund / den Noth berühmt / Verlust hat groß gemacht /
Drückt seine Freundin noch allhier an Brust und Armen
Lieb und Vertrauligkeit / so Tod und Grab verlacht /
Heist die Verliebten Zwey auch in dem Grab erwarmen.
Ein edles Leben macht auch einen edlen Todt /
Getreue Liebe will auch aus dem Grab entspriessen /
Zum Zeugniß daß Sie nun besiegen Todt und Noth /
So wollten sie sich hier auch in der Asche küssen.
Aus: Hofmann von Hofmannswaldau
Christian: Gesammelte Werke; Nach dem Druck vom Jahre 1697
(Hrsg. von Franz Heiduk. Nachdruck Olms 1984, Hildesheim, Zürich)
aus Band I 2 (darin alle Heldenbriefe) (S. 584-600)
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