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Ignaz Hub
(1810-1880)
Inhaltsverzeichnis der Balladen:
Belmonte
(Romanze)
Saß die Fürstin stumm und bleich,
Voll das Herz von schwerem Kummer;
Träumt im finstern Schattenreich
Sich den sanften Friedensschlummer.
Keine Thräne näßt die Wangen,
Keine Klage nennt das Bangen
Ihrer Seele, Glutverlangen
Hält verschlossen tief die Brust.
Er, dem sie mit treuem Sinn
Herz und Hand zum Opfer brachte,
Ging zu seinen Vätern hin,
Und das herbe Schicksal lachte.
Den Gemahl, den sie verehrte,
Den in Liebe sie begehrte,
Hüllet graue Modererde
In den eisern ew'gen Schlaf.
Und sie trauert mondenlang,
Und schon kömmt der Tod gegangen
Seinen grausig hohlen Gang,
Die Herzliebste zu umfangen.
Und die bleichen Lippen beben,
Und das junge Blüthenleben
Soll verwelkten, soll verschweben
In die schwarze Grabesnacht.
Von dem Rosenpfade steigt
Jetzt der Abend purpurn nieder,
Und der Stern der Liebe neigt
Sich herab im Westgefieder.
Und im weichen Abendschatten
Sich die Blümlein liebegatten,
Und herab von grünen Matten
Flötet sanft des Hirten Rohr.
Doch der Abendbalsam geust
Ladung nicht in kranke Seelen;
Ist der Liebe Glück verwaist,
Will der Tod den Tod vermählen.
Und wenn sich das Azur röthet,
Philomele süßer flötet,
Hat der Sehnsucht Schmerz getödtet
Schon manch Blümlein liebehold.
Und sie sitzet stumm und bleich!
Will kein Himmel ihr gefallen,
Nicht der Mond im Silberteich,
Nicht das Lied der Nachtigallen.
Nicht Magie der Sphärenklänge,
Nichts, was ihren Schmerz bezwänge,
Hat der Himmel, hat Natur.
Horch, da strömt in weichem Sang
Sängers Lust und Sängers Klage,
Sehnsuchtsqual und Liebesdrang
Zu des Herzens Sarkophage.
Orpheus Leyer folgten Bäume,
Damon flötet Zauberträume,
Doch in Hygiea's Räume
Führt des Sängers Wundermacht.
Und der Abendschatten lauscht,
Und die Nachtigallen schweigen,
Und des Meeres Nymphe lauscht,
Und Zephyr in seinen Zweigen.
Luna schwebt im heitern Glanze
Auf dem leichten Wolkentanze,
Und herab vom Sternenkranze
Regnet blüthenhelle Luft.
Ist es Wahrheit, ist es Traum?
Hebt das Haupt die bleiche Rose,
Und vom bleichen Lippensaum
Zittert's sanft, wie Westgekose.
Höher wölben sich die Bogen
In dem Schnee der Herzenswogen,
Bald, wie Silberschwäne, zogen
Leicht des Friedens Wellen hin.
Und ein Diamantenkranz
Perlt von ihren schönen Augen,
Und der hehre Sternenglanz
Will den Thränennektar saugen.
Wie am Abend Blüthen thauen,
Liebe thränend auf den Auen,
Und den Morgen prächtig schauen,
Fließt Belmontens Thränenquell.
Und der Lippen Morgenroth
Breitet seine Oriflamme
Ueber Siechthum, über Tod
In dem zartgefügten Stamme.
Ihrer Augen milde Sterne
Blinken, wie aus Himmelsferne,
In der Leiden Nacht so gerne,
Und die Maienrose blüht.
Was die Seele arg betrübt',
Was den tiefen Schmerz gebunden,
Hat der Töne Macht zerstiebt,
Sängers Lied zur Lust gewunden.
Geister spielen aus den Saiten,
Deuten uns des Lebens Freuden,
Hoffnung, Liebe, Sehnsuchtsleiden,
Heilen selbst mit Wunderkraft.
(S. 78-81)
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Treue Liebe
(Romanze)
Durch Nebelmeere schleichen
Die Schauerwolken hin;
Die Berge schau'n so düster
Von ihrem Baldachin.
Die kalten Winde heulen
So grausig durch die Nacht,
Daß aus dem öden Schlummer
Das Echo laut erwacht.
Noch wandelt ganz alleine
Ein Jüngling, thränenschwer;
Zu suchen, was ihm heilig,
Trotz Sturm und Gegenwehr.
Die Braut, die ihm verblichen,
Sie ruht auf feuchtem Grund;
Die Lilje ist gebrochen,
Zerrissen war der Bund.
Die Holde, die ein Leben
Voll zarter Lust ihm gab,
Ach, heim ist sie gegangen,
Umarmt ein kühles Grab!
Die reine Engelmilde,
Die aus den Blicken quoll,
Der Sanftmuth schönste Blüthe,
Von der ihr Busen schwoll;
Der keuschen Lippen Honig,
Der Unschuld Weihaltar,
Der Wangen ros'ge Wölbung,
Die Stimme silberklar;
Die azurblauen Sterne,
Der Locken Ringelkranz,
Der anmuthsüße Zauber,
So schön beim Wechseltanz:
Die Reize, ach, verschlungen
Hat eine frühe Zeit;
Die Rosen sind geschaffen
Für die Vergänglichkeit.
Er harrt von Frost gebleichet
Auf ihres Grabes Moos,
Und tiefer stets und tiefer
Fühlt er sein eisern Loos.
"Was kann die Welt mich fesseln,
Ist ja so trüb und leer!
Möcht' gerne schlafen gehen,
Lacht mir kein Himmel mehr.
Treuliebchen, will mich betten
Bei dir im Kämmerlein,
Da bin ich dein auf ewig,
Bist ewig dann auch mein."
Da taucht's empor vom Grabe,
Wie frischer Blüthenschnee.
"Bist mein auf ewig!" flistert
Die brautgeschmückte Fee.
Und hin sinkt er, des Herzens
Erkorne zu umfah'n;
Die Sinne sind geschlossen,
Vereint entflieht der Wahn.
(S. 108-110)
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Der Mönch
I.
Es saß in seiner
Zelle
Ein Mönch, gar trüb und schwer,
Des Ernstes finstre Welle
Wogt' auf der Stirn umher;
Die starren Blicke lagen
Auf einem Todtenhaupt,
Im Herzen bange Klagen,
Die Lippen wie verschraubt.
Vom siechen Körper quellte
Der Geiselhiebe Blut,
Ein hohler Husten gellte
Aus kranker Seele Glut;
Und will hinauf er beten
Zum Kruzifix in Huld,
Da liegt er, wie zertreten,
Vor seiner großen Schuld.
Nicht kann er ruh'n, nicht rasten,
Kein Schlummer lädt ihn ein;
Durch Geiselung und Fasten
Will er sein Herz befrei'n.
Doch schrecklich tobt die Rache!
Das Kreuz ist ja kein Hord
In seiner heil'gen Sache
Für einen Brudermord.
Er sitzt in seiner Kammer
Beim düstern Ampelschein,
Bis fürchterlich der Hammer
Der Mitternacht schlägt ein.
Da faßt ihn Höllenbangen,
Er faßt sich selber nicht -
Der Bruder kömmt gegangen,
Und ruft sein Strafgericht.
II.
Ottokar und
Hugo, Brüder
Eines stolzen Hauses, waren
Wie durch Adel ihres Blutes,
So im Kampf auch und Gefahren,
Wo es galt um Recht und Ehre,
Zarte Frauen zu beschützen,
Eigenthum nach Pflicht zu wahren,
Stets des Hauses tücht'ge Stützen,
Stets der Gegner tücht'ge Wehre,
Ihrer Ahnen würd'ge Glieder.
Auf das wahre Brüderpaar
Schaute Vater Benno freudig
Nieder mit dem Silberhaar.
Was voll Kraft einst der Gebieter,
Er, der Stolz der Ritterschaft,
Kämpfend stets für Ehre wirkte,
Schaut er in den Sprossen wieder,
Ruhmbedeckt durch Muth und Kraft
In so manchem blut'gen Straus.
Irmengard, ein Edelfräulein,
Von gar hohem Rang und Stand,
Nahe seinem Haus verwandt,
Las gar bald in Hugo's Blicken
Liebessehnsucht und Beglücken,
Ihr darbietend Herz und Hand.
Was in ihrer Brust sich regte, -
Dieses leise, stille Sehnen,
Diese Glut und dieses Drängen,
Nach des Theuren Bilde hin,
Oft benetzt mit Wonnethränen,
Zeigte auf der Liebe Gängen
Deutlich auch der Jungfrau Sinn.
Wie auch Ottokar sich mühte,
Diesen Preis sich zu erringen,
Unbekannt mit jenen Qualen,
Die des Bruders Herz umschlingen;
Wie er auch vor Liebe glühte,
Sie an's warme Herz zu drücken,
Sie als seine Braut zu schmücken:
Mußt' er doch vergeblich werben,
Sich des Zweifels Bilder malen,
Die ihn nimmermehr beglücken -
Kann doch mit dem zweiten Herzen
Nimmer reine Liebe scherzen,
Eine Liebe und Ein Grab!
Nicht verborgen blieb's dem Vater,
Wohl bedacht und wohl erfahren
Mit des Daseyn's Wechselgängen, -
Wie mit Herbstes Schauerklängen
Durch das Leben ernst und trübe,
So dem Glühn der Jünglingsliebe
In dem Lenz der Rosenjahre,
Fand er bald Gelegenheit
Einer Freite für die Maid.
Krieg bedrohte hart das Land;
Nimmer kann, an Jahren alt,
Er für seinen Kaiser fechten,
Drum soll in der Söhne Armen
Neu das frische Blut erwarmen,
Mit der Feinde Troß, dem schlechten,
Muthgestählt und kühn zu rechten.
"Kämpfet Eurer Ahnen werth!"
Sprach der Alte, "dies allein
Ist's noch, was mein Herz begehrt.
Euch die Hochzeit zu verkünden,
An dem eignen Vaterherd,
Seyd ihr ja schon beide werth,
Doch mit Irmengarde will ich den verbinden,
Der seinen Lorbeer mir mag um die Stirne winden!" -
Drauf zogen mit den Mannen
Die Brüder von dannen.
Was in Hugo's Busen stürmte,
Stürzte mit ihm fort zur Schlacht.
Dort wo heiß die Lanzen klirrten,
Furchtbar die Geschosse schwirrten,
Wo der Tod Entsetzen hauchte,
Kammeradenblut verrauchte,
Rannt' er wüthend, wie der Leu,
Trotzend jeglichen Gefahren,
In der Feinde dichte Schaaren,
Ob zum Tode, ob zum Lohne,
Ob der Eifersucht zum Hohne. -
Ihm zur Seite focht der Bruder,
Der nicht kraft- und muthverlegen
Vorwärts strebend, schon das Ruder
Seiner Mannen hatt' erreicht,
In die Flucht den Feind gescheucht,
Als ein meuchelmordend Eisen
Tückisch ihm die Brust zerfleischt,
Und in zarter Jugend Fülle,
Mit den goldnen Ringellocken,
Und den schöngeformten Gliedern,
Eine Zierde seines Stammes,
Seiner Krieger Muth und Stolz,
Ottokar, der junge Held
In den Arm des Todes fällt.
Brudermord! - Er war vollbracht!
Denn die Hölle selber facht
Ihre heißen Zweifel an,
Schürt und treibt und hetzt und lacht,
Ist der arge Schritt gethan,
Der nie wird zum ungethanen.
Siegreich zog nach heißer Schlacht
Unversehrt und reich geschmückt
Durch des Kaisers Gnad' und Huld
Hugo heim mit seiner Schuld.
Und es weint wohl manche Thräne
Um den jungen Heldensohn
Ach, der Vater. - Seine Braut,
Ihm jetzt nur zu Lieb' gegeben,
(Wie ihm däucht in seinem Wahn)
Führet er im Frevelmuth
Mit Bruderblut
Noch bespritzt zum Altar hin -
Doch bald mahnt die Rache ihn.
Schrecken und Verwirrung künden
Seine Sinne bleich und starr
Harrt er unverwandten Blicks,
Wohl zur Sühne schwerer Sünden,
Bis auf schwärzerem Gefieder
Steigt die Mitternacht darnieder,
Sonder Ruh' und sonder Rast,
Auf den blut'gen Hochzeitsgast.
Irmengardens reine Liebe
Will die Arme um ihn schlingen,
Ihm den Frieden wieder bringen;
Hält umklammert
Fest den Mann der süßen Triebe,
Seufzt und jammert -
Doch kein süßer Augenblick
Bringet ihn sich selbst zurück.
Und schon mahnt die Mitternacht -
Stille! tiefe Stille! - Sacht
Oeffnet sich das Brautgemach.
Und mit bleichen, starren Zügen,
Eine Wunde tief im Herzen,
Wallt zu seinem Mörder, wehe!
Ottokar, den Blick voll Schmerzen.
Helles Blut quillt, wie in Strömen,
Von dem Leichenhemd des Todten,
Und beflecket rings den Boden.
Und sein Blut strömt immer lauer
Und besät die weite Veste.
Vor der erste Morgen ruft,
Steigt der Geist in seine Gruft,
Und der blut'gen Spuren Maal,
Fern von seinem Ehgemahl,
Das in Jammer längst den Tod
Fand zum schönern Morgenroth,
Wäscht an Bruders kalter Hand
Hugo aus der Erde Sand.
Durch den ganzen Lebenslauf
Büßt er so die Frevelthat,
Und in schwerer Büßertracht
Schleicht er durch die Klosterhallen
Jede Nacht,
Bis die Chorgesänge schallen.
III.
Er saß in seiner
Zelle.
Die Mitternacht schlägt an -
Dumpf klingt die Pfortenschelle,
Schon keucht's zur Thür hinan.
Der Lampe matten Schimmer
Bläst hohler Nachtwind aus,
Darauf erschallt Gewimmer
Gar kläglich durch das Haus.
Der Bruder kam gegangen
Im Leichenhemd, voll Blut!
Frost saß auf seinen Wangen,
Im Herzen heiße Glut.
Die Todeswunde gähnte
Schrecklich aus tiefem Schlund,
Des Todten Auge thränte, -
Ein Blutstrom färbt den Grund.
Und immer mächt'ger quellet
Und klafft der Wunde Glut;
Ein Feuerschein erhellet
Die grelle Purpurfluth.
Der Mönch stürzt ihm zu Füßen,
Und schlürft das Rächerblut,
Die Frevelthat zu büßen,
Bis er im Tode ruht.
(S. 110-117)
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Die Brautnacht
(Ballade)
"Leb wohl, gedenke mein
Auch in dem fernsten Lande!
Vergiß der schönen Bande,
Die treue Liebe wande,
Vergiß der Schwüre nicht,
Die vor des Höchsten Angesicht
Dem Deinen du geschworen,
Bleib rein,
Gott unverloren!
Und kehr' ich nimmer einst
Von jener heil'gen Erde,
Die Gottes Wunder mehrte,
Die Heidensinn entehrte,
Vom Sarazenenland:
Wenn auch der Tod mein Haupt umwand,
Erschein' ich, Kunigunde,
Dir einst
Zu dieser Stunde."
So Ritter Gunibald.
Und mit dem Abschiedsgruße,
Im heißen Scheidekusse
Entsagt er dem Genusse.
Und rasch das Ahnenschwert,
Im blut'gen Kampfe längst bewährt,
Umgürtet, zieht von dannen
Er kalt
Mit seinen Mannen.
Noch lange schaut die Braut
Mit starren nassen Blicken,
Mit Wehmuth und Entzücken
Auf steile Bergesrücken,
Wo noch ein letzter Gruß,
Ein zugeschickter Händekuß
Ihr Trost und Hoffnung blinkte,
Bis laut
Die Nacht ihr winkte.
So schaut sie einsam oft
Vom Schlummer nie umfangen,
Mit ahnungsschweren Bangen,
Mit heißem Glutverlangen
Vom Söller in die Nacht,
Und weinet bitter, ruft und klagt
Den Schatten ihre Klagen,
Und hofft,
Was sie ihr sagen.
Doch nichts labt ihren Schmerz.
Nur Gram und innre Leiden
Zernichten ihre Freuden.
Sie will sie alle meiden.
Wie auch der Freier Schaar
Zu Füßen ihr gelegen war,
Gott will sie sich verdingen,
Ihr Herz
Zum Opfer bringen.
In stiller Einsamkeit
Durch gottgeweihtes Streben,
Ein fromm, beschaulich Leben,
Die Weihe sich zu geben,
Eilt sie dem Kloster zu,
Dem Zelt der Tugend und der Ruh',
Und in der Schwestern Mitte
Erfreut
Sie milde Sitte.
Ein schwarzes Bußgewand
Umzieht der Anmuth Blüthen;
Das Kreuz ist ihr beschieden
Zu wahrem Gottesfrieden.
Und vor dem Gnadenbild
Ergießt sich sanft und mild
Ihr Herz in fromme Zähren;
Kein Band
Kann ihnen wehren.
Wie sie mit heißem Flehn
Gebetet und gerungen,
Der Jungfrau Knie umschlungen,
Zum Christe sich geschwungen:
Sieh da! ein Strahlenglanz
Erfüllt der Halle heil'gen Kranz,
Und vom Madonnabilde
Zu seh'n
War Himmelsmilde.
Da faßt ein namenlos
Ein seliges Beglücken
Ihr Herz, aus ihren Blicken
Flammt Hoffnung, sprüht Entzücken.
Und was ihr fromm Gebet
Von Gottes Mutter selbst erfleht,
Es läßt sie nimmer zagen,
Ihr Loos
Sie will es tragen. -
Schon flieht das dritte Jahr,
Das sie des Eid's entbunden,
Seit Gunibald verschwunden.
Ihn hat kein Aug' gefunden,
Wie viel auch unversehrt
Vom Kampfe längst zurückgekehrt.
Doch hatt' er sie erkoren,
Sie war
Ihm unverloren.
"Du gabst dein Ritterwort,
Du gabst es mir als Kunde
Zur letzten Abschiedsstunde!"
So seufzt's von ihrem Munde.
Wenn auch die Hoffnung sinkt,
Ihr goldner Stern dann schöner blinkt;
Sie sieht ihn bald erscheinen,
Um dort
Sich ihm zu einen.
Und wenn der Feierklang
Der Abendglocke hallet,
Des Chores Klage schallet,
Sie auf den Gräbern wallet.
Das Leben scheint zu flieh'n,
Es will hinab, hinauf sie zieh'n,
Bis sich die Dämmrung neiget,
Und bang
Die Orgel schweiget.
Bis früh der Morgen tagt,
Harrt sie in ihrer Zelle,
Und aus des Blickes Quelle
Rinnt um ihn Well' auf Welle.
"Willst du, o Trauter, nicht
Der treuen Liebe schönste Pflicht
Gewähren Kunigunden?"
So klagt
Sie bange Stunden.
Der Anmuth Blüthe stirbt,
Die Rosen auf den Wangen,
Der Blicke Glutverlangen
Hält blasser Gram umfangen.
Der Lippe Scharlachsaum,
Der frohen Jugend Blüthenbaum
Ist längst, ist längst verblühet.
So wirbt,
Wer liebeglühet.
Und wieder kehrt die Zeit.
Der Trennung bange Stunde,
Entfloh'n dem Zeitenschlunde,
Verheißt ihr frohe Kunde.
Wie sie auch oft gekehrt,
Die Braut des Bessern nie belehrt:
Sie sieht den Liebsten winken,
Wo weit
Die Waffen blinken.
Der bange Tag enteilt.
Schon senkt die Nacht sich nieder;
Den Schwestern fromme Lieder
Verhallen leise wieder.
Und süßer Schlummer scheucht
Den Kummer, der die Wangen bleicht.
Noch harret Kunigunde,
Und weilt
Zur Abschiedsstunde.
Die Feierglocke ruft.
Wo doch der Liebste bliebe!
Die Braut, sie schaut so trübe,
Sie harrt der neuen Liebe.
Das Herze schlägt doch bang,
Wie säumt der Bräutigam doch lang!
Die raschen Pulse zagen -
Zur Gruft
Wird er sie tragen.
Und horch! wie Waffenklang
Schallt's von der Klostermauer,
Und durch die nächt'ge Trauer
Ruft seine dumpfen Schauer
Ein hohles Echo aus.
Und bang vom öden Gotteshaus
Ertönet weich und leise
Gesang
Nach Geisterweise.
Und dumpfer, stärker dröhnt
Es in den weiten Gängen
Von tiefen Grabgesängen,
Und klageschweren Klängen;
Und lauter, Schritt für Schritt,
Wie Hammerschlag und Marmortritt,
Dröhnt's an die keusche Pforte,
Verhöhnt
Am heil'gen Orte.
Die Jungfrau bebt zurück.
Und sieh! im Kriegsgewande,
Wie er zum heil'gen Lande
Mit kühnem Muth sich wande,
Tritt Gunibald herein,
Die Züge mild und sanft und rein,
Ein rothes Kreuz zur Linken,
Im Blick
Des Friedens Blinken.
"Ach, theuerster Gemahl!
Was mußt' ich dulden, leiden,
Seit dich die Waffen kleiden!
Des Lebens süße Freuden
Sie schwanden hin mit Dir."
So klagt sie, und er winket ihr,
Als sie ihn will umfassen,
Dreimal
Ernst und gelassen.
"Wie? folgen soll ich Dir
Zur mitternächt'gen Stunde?
Wer ist mit Dir im Bunde,
Was soll die Schreckenskunde!
O komm an meine Brust,
Sie pocht in süßer, banger Lust,
O bleib und laß gesunden
Bei Dir
Die Trennungswunden."
Doch ernster wird sein Blick.
Rasch sprenget sich die Pforte,
Und aus geheimem Orte
Ertönen dumpf die Worte:
"Dort unten wird getraut
Dem Bräutigam die Braut."
Und wie hinaus er schreitet,
Zurück
Der Nachhall gleitet.
Verwirrt ist Sinn und Geist.
"Ach weh, ach weh mir Armen!
Hast du denn kein Erbarmen,
Darf nicht das Herz erwarmen
Bei dir du Herzensfreund?"
So stürzt sie nach; das Echo weint
Mit ihren Klagaccorden,
Umkreist
Des Todes Horden.
Und an dem Heiligthum,
Am Ort der frommen Bitte,
Dort an des Altars Mitte
Entschlafen ihre Schritte.
Erhellt vom ew'gen Licht
Ist matt des Tempels Angesicht,
Und Schauer von dem Wänden
Weh'n stumm,
Das Leid zu enden.
Er, ihr so heiß ersehnt,
Hält sie in Nacht umschlungen.
Das Leben ist verklungen,
Sie hat das Ziel errungen.
Ihr ward ein schöner Kranz,
Der Treue blüthenlichter Glanz;
Die hier das Leid umwunden,
Vereint
Ein Grab dort unten.
(S. 130-139)
_____
Das rothe Kreuz
(Ballade)
Zieht man dem Mainesufer
Entlang die Felsen hinab,
Da winkt ein rothes Kreuzlein
Auf einem Felsengrab.
Hier haben sie begraben
Vor langer Zeit eine Maid;
Das Mägdlein wollte minnen,
Wann froh die Erde mait.
Doch ach, die süße Minne
Weilt von dem Kloster gar fern;
Das Mägdlein war ein Nönnchen,
Sah mancher Buhle gern.
Nur Einer war erkoren,
Von ihrem Herzen geliebt;
Oft auf verborgnen Wegen
Hat sie geherzt, geliebt.
Es war ein schlanker Junge,
Sie gar 'ne herzige Braut,
Sie hatten sich so liebe,
Und waren so vertraut.
Und als der Herbst gekommen,
Ward reif die sündige Frucht;
Kein Himmel hat Erbarmen,
Nicht frommen will die Flucht.
Die harte Sitte richtet.
Voll Klage schallt die Luft,
Die Braut mit ihrem Kinde
Wankt hin zur Felsengruft.
Da wird sie eingemauert,
Das Kindlein an ihrer Brust,
Küßt noch einmal den Engel,
Das Kind voll süßer Lust.
Doch Kindlein will nicht ruhen,
Und weint und jammert und stöhnt;
Die Mutter kann nicht schlafen,
Hat nicht das Bett gewöhnt.
Die Mutter küßt das Kindlein
Noch Tag und Nächte hinfort,
Oft höret man es weinen
An jenem Trauerort.
Tief unten rauschen Wogen,
Und wallen schüchtern vorbei,
Und drüben an dem Kloster
Reißt sich die Fluth entzwei.
Und zu der dumpfen Klage
Erseufzt das Echo so bang,
Thät Mütterlein einsingen
Kindlein bei Sturmessang.
(S. 150-152)
_____
Aus: Lyra-Klänge
Gedichte von Ignaz Hub
Augsburg 1833 Gedruckt bei J. C. Wirth
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