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Ludwig Kossarski
(1810-1873)
Die Eisengruben bei Falun
I. (1760)
Es glimmt durchs Hüttenfenster
Der erste Morgenschein;
Ein Glückesbote glänzt er
Ins niedre Kämmerlein.
Da eilt mit rüst'gem Schritte
Ein Bergknapp nach dem Schacht,
Der tritt hinein zur Hütte
Und klopft ans Fenster sacht.
Ein Mägdlein frisch und munter,
Vom Lager aufgestört,
Lacht bald zu ihm herunter,
Vom Morgenrot verklärt:
"Glück auf! Nur wenig Stunden
Sind bis zum Augenblick,
Wo ewig wir verbunden
Zum festen Liebesglück.
Warum vom Schlummer störst Du
Mich auf in stiller Nacht?
Du Lieber, was begehrst Du,
Da kaum der Tag erwacht?" -
"Mußt mir dies Tüchlein säumen,
Es soll mich zieren schön,
Wenn wir in süßen Träumen
Heut zum Altare geh'n" -
Er eilt hinweg zum Schachte,
Glück auf! sagt ihm ihr Blick;
Sie weinte und sie lachte
Und dachte an ihr Glück.
Sie setzte sich und säumte
Des neuen Tuches Saum;
Bei jedem Stiche träumte
Sie schönen Liebestraum.
Die Arbeit war vollendet; -
Das holde Mägdlein stand,
Den Blick zum Schacht gewendet,
Das Tüchlein in der Hand.
Die Sonne lacht herunter,
Da stand im Hochzeitkleid
Das Mägdlein froh und munter; -
Es war die Trauungszeit.
Es bleicht des Tages Schimmer,
Und Dunkel deckt das Land;
Das Mägdlein steht noch immer,
Das Tüchlein in der Hand.
Die Sonne sinkt hernieder,
Die Sonne steigt herauf;
Der Knappe kehrt nicht wieder,
Ihm tönt nicht mehr: Glück auf! -
II. (1809)
Wie dröhnt von dumpfen Schlägen
Die weite Erdenkluft!
Wie hämmern sie verwegen
In der lebend'gen Gruft!
Hell tönt es in den Gruben
Im tiefen Eisenschacht -
Wo in den schwarzen Stuben
Der Tag auch wird zur Nacht. -
Bis daß die Sonne unter,
Da ruft es laut: Glück auf!
Die Knappen steigen munter
zum Tageslicht herauf.
Sie haben in den Stollen
Heut guten Fund getan,
Den sie herniederrollen
jetzt auf den grünen Plan.
Doch wie sie's näh'r betrachten, -
Steh'n sie von Schmerz erfüllt;
Was aus dem Schacht sie brachten, -
Es war ein Jünglingsbild.
Das schien seit einer Stunde
Verschüttet in dem Loch
Von schwarzem Eisengrunde;
So kenntlich war es noch.
Doch niemanden vermissen
Sie hier seit manchem Jahr;
Und keiner wollte wissen,
Wer dieser Tote war.
Da nähert sich dem Kreise,
der um den Jüngling steht,
Ein Mütterchen, das leise
An einer Krücke geht.
Kaum hat die matten Blicke
Zur Leiche sie gewandt,
Da fällt sogleich die Krücke
Aus ihrer dünnen Hand.
Sie sinket sterbend nieder
Und ruft, als wenn sie träumt:
"Mein Bräut'gam! kehrst Du wieder?!
Dein Tüchlein ist gesäumt!" -
Die Menge steht verwundert,
Von Schreck und Schmerz erstarrt; - -
Es hatt ein halb Jahrhundert
Die treue Braut geharrt. -
Ein Tüchlein, fest umwunden,
Von ihrer Brust man nahm;
Das hat man umgebunden
Dem toten Bräutigam.
Aus: Thomas Eicher (Hrsg.) Das Bergwerk von Falun
Varianten eines literarischen Stoffes
Münster LIT Verlag 1996 (S. 52-53)
Basierend auf: Kossarski Ludwig: Die Eisengruben bei Falun
In: Odeum. Eine Auswahl von ernsten und launigen Gedichten,
welche sich zum mündlichen Vortrage in geselligen Kreisen
eignen. Gesammelt und hrsg. von Alexander Cosmar
Band 10 Berlin Rudolph Zesch 1839 S. 40-41
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