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Otto Heinrich Graf von Loeben
(1786-1825)
Inhaltsverzeichnis der Balladen:
Romanze von der weißen Rose
Vor der zarten Donna Pura,
Still gewärtig ihrer Rede,
Lag der Page auf den Knieen,
Den ihr Gatte hergesendet.
Und sie hob die schönen Augen,
Ließ daraus zwei schwere Perlen
Thauen auf die weiße Rose,
Die um ihren Busen wehte:
"Nenne seiner Pura Namen,
Don Ramiro, deinem Herrn!
Diese weiße Rose bring ihm,
Die der Abendthau benetzte,
Sag' ihm, diese weiße Rose
Sei mein einz'ger Schmuck gewesen;
Weiter hab' ich nichts zu sagen,
Laß für mich die Rose sprechen;
Rothe Rosen, frische Rosen
Solle mir der Ferne senden." -
Und der Page ging von dannen,
Brachte dieses vor den Herzog,
Der, entfernt von seiner Pura,
Saß im Jagdschloß Leonella's.
Als der Herzog das vernommen,
Ließ er sich die Rose geben,
Füllte sie mit Edelsteinen,
Schickte sie ihr durch denselben.
"Macht mir Hoffnung Don Ramiro?"
Rief ihm Pura weit entgegen;
Doch der Page reicht ihr traurig
Das Geschenk statt aller Rede.
Halb entblättert war die Rose,
Halb versengt die zarten Reste,
Ob sie gleich im hohen Glase
Von dem Herzog hergesendet.
Pura nahm die bleiche Rose,
Nahm die strahlenden Geschenke,
Und die Lichter ihrer Augen
Loschen aus in heft'ger Wehmuth.
Auf die Rose tief gebeuget,
Wollte sie die Qual verbergen.
"Nannt'st du seiner Pura Namen,
Don Ramiro, deinem Herren?
Will er niemals wiederkommen,
Kennt er nicht mein quälend Sehnen?"
Wohl als Antwort sann der Knabe,
Sah dann schmerzlich auf die Erde.
"Kennst du," fragt ihn Donna Pura,
"Kennst du schon der Liebe Wehen?
O, so nimm die schönen Steine,
Gib sie dem geliebten Wesen!
Nur die Perlen sind für Pura,
Alle andern magst du nehmen!
Meine Perlen waren Thränen,
Nur der Tod löst diese Perlen." -
Wie der Herzog das vernommen,
Fühlt er eine neue Sehnsucht,
Liebe kam, ihn heiß zu quälen,
Und er schied von Leonella,
Eilte bang nach seinem Schlosse,
Dort zu ruh'n an Pura's Herzen,
Rothe Rosen ihr zu bringen,
Sich Vergebung zu erflehen.
Ihn empfing mit offnen Armen
Pura, da er wiederkehrte;
Eine Rose war ihr Antlitz,
Eine weiße Ros' im Sterben.
"Rothe Rosen, Liebesrosen
Bringst du deiner Pura selber;
Nun dein Auge mir geschienen,
Deine Lippe mich erlechzte,
O, so laß in deinen Armen,
Laß die weiße Rose sterben!"
Da entsanken ihr die Rosen
Und im dunkeln Haar die Perlen.
Ach! die Perlen, ach! die Rosen,
Wollten sie nicht überleben.
(S. 356)
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Lorelei
Da wo der Mondschein blitzet
Um's höchste Felsgestein,
Das Zauberfräulein sitzet
Und schauet auf den Rhein.
Es schauet herüber, hinüber,
Es schauet hinab, hinauf,
Die Schifflein zieh'n vorüber,
Schau', Schiffer, schau' nicht auf!
Sie singt dir hold zum Ohre,
Sie blickt dich thöricht an,
Das ist die Jungfrau Lore,
Sie hat dir's angethan.
Sie schaut wohl nach dem Rheine,
Als schaute sie nach dir;
Glaub' nicht, daß sie dich meine,
Sieh nicht, horch' nicht nach ihr!
So blickt sie wohl nach Allen
Mit ihrer Augen Glanz,
Läßt her die Locken wallen
Im wilden goldnen Tanz.
Doch wogt in ihrem Blicke
Nur blauer Wellen Spiel,
Drum scheu' die Wassertücke,
Denn Fluth bleibt falsch und kühl.
(S. 357)
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Aus: Deutschland's
Balladen- und Romanzen-Dichter
Von G. A. Bürger bis auf die neueste Zeit
Eine Auswahl des Schönsten und charakteristisch Werthvollsten
aus dem Schatze der lyrischen Epik
in Balladen und Romanzen, Mären, Legenden und Erzählungen
nebst Biographieen und Charakteristiken der Dichter
unter Berücksichtigung der namhaftesten kritischen Stimmen
von Ignaz Hub Zweite, gänzlich umgearbeitete und stark vermehrte Auflage
Karlsruhe Verlag von Wilhelm Creuzbauer 1849
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