Liebes-Balladen, Romanzen u. ä.

Frederic Leighton Der Fischer und die Sirene um 1856-58


 

Friedrich Müller (Maler Müller)
(1749-1825)


Inhaltsverzeichnis der Balladen:
 





Das braune Fräulein

Laßt an dem Stock die Lilie,
Laßt Ros' und Holderblüt'
Am Stengel, holde Mädchen,
Und horchet meinem Lied.

Ich sing' zerrißner Treue,
Verlaßner Liebe Schmerz;
Euch schmelzen zarte Klagen
Das wehmutsvolle Herz.

Und du, aus tausend Mädchen
Die Frömmste, höre du
Des braunen Fräuleins Klagen
Und ihrem Jammer zu.

Es beb' dein junges Herzchen,
Verborgen jeder List;
Dein junges fühlend Herzchen,
Das ganz nur Unschuld ist.

Wenn durch die bange Saite
Des Fräuleins Seufzer steigt,
Des Fräuleins, das an Treue
Dir holdem Schätzchen gleicht:

 O wenn von deinem Auge
Auch nur ein Thränlein fiel',
Gekrönt wär' dann, geheiligt
Wär' dann mein Saitenspiel.

Dort sitzt an einer Eiche
Das Fräulein in dem Moos;
Viel helle Thränen rinnen
Herab in ihren Schoos.

Dreymal schickt sie den Knaben
Zur hohen Burg hinan,
Zum Führer blauer Greife,
Dem schönsten Rittersmann.

Die Sonne eilt, sie harret
Lang unter Gluth im Thal:
Wo bleibst du, holder Ritter,
Du Trost in meiner Qual?

Doch seht, die Zweige beben,
Es rauschet um den Bach.
Mein Ritter kommt! Du bist es,
Geliebter Heinrich, ach!

Geflügelt springt sie, hänget
 An seinen Nacken sich,
Küßt froh die braunen Wangen
Und weinet bitterlich.

Wo bliebst du, meine Ruhe,
Mein bester Trost, so lang?
Lang harrt' ich dein im Thale,
Ach auf der Aue lang.

Denk', unsre stille Liebe
Ist jedermann bekannt!
Mich stossen meine Freunde
Hinweg mit harter Hand.

Schütz' du mich, holder Ritter,
Mich, die ich elend bin!
Dir gab ich meine Liebe,
Ach, alles gab ich hin.

"Sei ruhig, spricht der Ritter,
Nur ruhig bis zur Nacht.
Neun Schlösser hat mein Vater,
Bethürmt und wohl bewacht.

Reitst mit mir in das schönste,
Vor allem ausgeschmückt,
Sobald vom Sternen-Himmel
Die Nacht herunterblickt."

Sollt' ich im Dunkeln fliehen,
O Rittersmann, mit dir?
Im Angesicht der Sonne
Schwurst du einst Treue mir.

O führ' vor allen Augen,
Im Hochzeit-Kranz, beblümt,
Mich aus der Jungfraun Kammer
Wie's, Liebster, sich geziemt.

"Ha, stolzes Fräulein! Glaubst du,
Mit Musik sollt' ich dich
Aus deiner Kammer führen,
Als eine Braut für mich?

Den Blumen-Kranz dir flechten
Um das gelockte Haupt?
Dem Mond zur Seit' zu stehen,
Ist Sternen nur erlaubt.

Zwar du bist süß und lieblich,
Wie Frühlings-Sonnenschein.
Doch von dem feinsten Golde
Sieh hier ein Ringelein.

 Es funkelt in der Mitte
Ein doppelter Rubin,
Ein Bild der warmen Lippen
Der jungen Raugräfin,

Die mir mit ew'ger Treue
Ihn zum Geschenk heut gab;
Vom Thurme, holdes Fräulein,
Blickt sie nach mir herab."

Was, lieber, holder Ritter?
Schrie hier das Fräuelein.
O bey dem hohen Himmel!
Dieß kann nicht möglich seyn.

Mich! Mich willst du verlassen,
Verlassen nun, ach Gott!
Dein armes braunes Fräulein,
Zu aller Menschen Spott!

Nein, nein, es ist nicht möglich,
Daß du mich so betrübst!
Hast doch so oft geschworen,
Daß du mich ewig liebst!

Wirf in die tiefsten Fluthen
Den falschen Ring von dir!
Laß, laß mich ihn zerreißen!
Den Ring, den Ring gib mir!

"Den Ring? Daran denk' niemahls,
O zartes Fräuelein!
Gleich Zwillingsbrüdern stehen
Zwey Schlösser an dem Rhein.

So lang an meinem Finger
Der Ring blinkt, sind sie mein;
Drum bitt' ich dich, o Fräulein,
Stell' alles Klagen ein.

Was hilft's, daß ich geschworen?
Dein Weinen kommt zu spät!
Der Wind hat drein gesauset,
Hat Alles weggeweht.

Sieh, du bist mir zu Willen,
Du zärtliche Jungfrau,
Sollst blühen und gedeihen,
Wie Blumen voller Thau.

Du wohnst in einem Schlößchen,
Schön wie ein Schloß der Lust,
Dein Gast bin ich fein öfters,
Verweil' an deiner Brust."

Und voller Gram und Jammer
Dreht sich das Fräulein um:
Du raubst mir meine Ehre,
Mein einzig Eigenthum.

Und willst mich nun verstoßen,
Mich, die so schmerzenwund
Dich ewig zärtlich liebet,
Dem Himmel ist es kund.

Hab' ich gleich keinen Vater,
Kein'n Bruder, der die Schmach,
Die du mir gibst, könnt' rächen,
So wird's der Himmel, ach!

Doch für dich will ich bethen,
O Jüngling, höre mich!
Laß von der reichen Gräfin,
Sie liebt dich nicht wie ich.

Ach wälz' nicht neue Schmerzen
Auf mich, die jammervoll
Die Schmerzen einer Mutter
Ohn' dieß bald fühlen soll.

So schluchzet sie und senket
 Sich vor ihm hin auf's Knie.
Es nickt die dunkle Eiche
Und säuselt sanft auf sie.

Durch ihre Locke seufzet
Das Windchen hin und späht
Der Blume nach, die tauicht
Von ihren Thränen steht.

Ach dein so zartes Klagen
Rührt Alles, Fräuelein,
Schwellt auf die heischre Quelle,
Erweicht den Kieselstein;

Nur er, der harte Ritter,
Schenkt dir nicht einen Blick.
O, ruft sie, eh' du scheidest,
Sie noch einmahl zurück!

Ach von mir Tiefgekränkten
Geh' nicht mit Zorn erfüllt,
O Ritter, wenn du grausam
Mich nicht mehr lieben willt.

Noch einmahl diese Stimme,
Die sanft das Herz mir band!
O reich' mir noch zum letzten,
 Zum letztenmahl die Hand!

Dann geh' zu deiner reichen,
Geliebten Gräfin hin!
Vielleicht wird dich es reuen,
Wenn ich gestorben bin.

Du weinest schon, mein Mädchen?
Wisch' nicht das Thränlein ab.
Mehr als die reichste Perle,
Die Indien je gab,

Schmückt sie die warme Wange,
Schmückt sie dein schönes Aug'.
Wie lieb' ich diese Thräne
Am seelenvollen Aug'!

Ja Mitleid, süßes Mitleid,
Vom Himmel stammst du nur,
Vom Angesicht des Schöpfers
Stahl dich einst die Natur.

Des Wilden Herz ist grausam,
Der bessre Mensch allein
Kann tragen fremden Jammer,
Kann fühlen fremde Pein.

Laß, laß die Thräne rinnen,
Bald stürzet sie hinab,
Lockt tausend goldne Schwestern
In deinen Schoos herab.

Der wilde Ritter gehet,
Er geht, betrachtet nicht,
Wie nun am Felsen ringend
Des Fräuleins Herz zerbricht.

Stumm sitz sie an der Erde,
Schaut bang' den Himmel an.
Ach er geht fort, ich Arme!
Was soll ich fangen an?

Die du an meinem Herzen
So süß und sanfte ruhst,
Du Zeuge meiner Treue,
Daß du mit welken mußt!

Doch besser noch, es decket
Ach dein- und meine Schand'
Ein einzig's Grab auf ewig
Im kühlen weichen Sand.

Einst kämest du erwachsen:
Wo, Mutter, ist der Mann,
 Den ich soll Vater nennen?
Hab' ich kein'n Vater dann?

Verstoßen, sagt' ich weinend,
Bist du, o Söhnelein,
Er liegt in andern Armen,
Nennt andre Kinder sein!

Dann würdest du, durchdrungen
Von Scham und Haß, auf mich
Und meine Wehen fluchen,
Die einst gebohren dich.

So schluchzet sie und stürzet
Voll zärtlichem Gemisch
Von Raserey und Liebe
In's dunkelste Gebüsch.

Wie eine trübe Quelle
Durch Klippenmoos nun bang
Zum schwarzen Thale flüchtet
Im schwermuthsvollen Drang;

Wo sie nur irret, fühlet's
Des Schäfers horchend Ohr
Am seufzenden Gemurmel
Vom Weidenbusch hervor:

 So fliehet sie drey Tage,
Am vierten steht sie still.
Hier ist es, wo ich ruhen
Und wo ich sterben will.

Hier unter dieser Buche,
Wo oft bey der Natur,
Beym Himmel selbst, der Falsche
Mir Lieb' und Treu' beschwur.

Einst kommt er mit der Liebsten,
Die er nun zärtlich küßt,
Vielleicht zu meinem Grabe
Und fraget, wem es ist.

Weht, Lüftchen, weht's gelinde,
Daß es das meine sey,
Das Grab des braunen Fräuleins,
Die für ihn starb aus Treu'.

Sie schweigt. Da fällt vom Hügel
Ein heller Glockenschall,
Ein frohes Lärmen hallet
Zurück durch's ganze Thal.

Von hohen Thürmen flosse
Der Harfen Silberklang
Zum Hochzeitsfest der Gräfin
Und ihrem Brautgesang.

Auch rühmten die Trommeten
Des Heinrichs stolze Zier,
Der siegreich sich bezeiget
Im adlichen Turnir.

Der Lilje gleich, die stürmisch
Ein Regen niederschlägt,
Sitzt hinter dunkeln Aesten
Das Fräulein unbewegt.

Gott, dieses war sein Name,
Dieß seiner Stimme Ton!
Du freust dich, holder Ritter,
Und ach, ich sterbe schon.

Ach, ach, dein Mädchen sinket!
Vielleicht denkst ihrer nie!
Vielleicht, daß du sie suchest,
Und nimmer findst du sie!

So seufzet sie und blicket
Zur hohen Burg und schweigt.
Ihr braunes Auge dämmert,
Ihr Rosenmund erbleicht.

Viel goldne Thränen blinken
Herab in ihren Schoos,
Noch einmahl seufzt sie Heinrich!
Und sinkt in's weiche Moos.

Du fällst, o braunes Fräulein,
Ein Opfer deiner Treu'.
Schleicht, zärtlichste der Winde,
Vom Blumenthal herbey,.

Faßt auf das letzte Thränlein,
Das ihr im Auge blinkt,
Und tragt's zum Stern der Liebe,
Der tief in Trauer sinkt.

Ihr aber, Mädchen, höret
Das schreckliche Gericht!
Lang' weilt des Himmels Rache,
Doch ewig weilt sie nicht.

Der wilde Ritter sitzet
Am hochzeitlichen Mahl,
Zwar Freuden in den Augen,
Im Herzen Angst und Qual.

 Ach«, denkt er: die Verstoßne,
Wo mag sie jetzo seyn,
Ihr Aeuglein Thränen gießen,
Wo jammert sie allein?

Ach! Hab sie doch betrogen.
Ihn peinigt Angst und Qual.
Zerreißt die Hochzeitkränze
Und flieht hinab in's Thal.

Umsonst der Freunde Flehen,
Der Gräfin banger Blick,
Sein Fräulein sieht er liegen
Und schreyt und schlägt zurück.

"Ist's todt, das sanfte Händlein,
Das freundlich mich umschlang?
Ha! Todt das zarte Herzlein,
Das dann vor Freude sprang!

Ha! Freunde, seht ihr's, Freunde?
Mein erstes Weib liegt dort
Erblasset! Wenn ihr's höret,
Ich, ich hab' sie ermordt!

Was soll ich länger schweigen,
Zerreißt mich innrer Schmerz,
Ihr brach ich Lieb' und Treue,
Und dieses brach ihr Herz.

Vollend's nun, Höll' und Teufel!
Er knieet auf die Erd',
Zieht wild und voller Feuer
Sein scharfgeschliffnes Schwert!

Zerschmettre falsche Herzen
Und Untreu, Donnerkeil!
Hinweg aus meinen Augen,
Die Hölle bleibt mein Theil!

Ja süßes, sanftes Mädchen
Aus Treue starbst du, ach!
Muß grausam dir nun folgen,
Dein Geist, der winket nach!"

Aus: Mahler Müllers Werke Zweyter Band
Heidelberg bey Mohr und Zimmer 1811 (S. 322-337)

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Kalid und Vala
Eine Mohrenballade

Ueber Strom und über Welle,
Setzt das Herz in kühner Eil',
Liebe hält nicht Joch und Zügel,
Nichts beschränket ihren Flügel,
Leichter schwebt sie wie ein Pfeil,
Rascher wie des Kaimans Schnelle,
Wie vom Fels' herab die Quelle
Treibt sie ohne Rast und Weil.

Noch kein Laut aus sichrer Laube,
Vala! kein gewohnter Ton?
Sieh', das Meer, die Sterne trinken,
Und die Nacht verlischt im Sinken
Ihre Silberfackel schon!
Bangem Harm bin ich zum Raube,
Meine schöne, holde Taube
Ist sie mir vielleicht entflohn?

Vor Medina auf der Haide
Sank vor meinem Speer Oron;
Zwey verlarvte Ritter kamen,
Fodernd in des Helden Namen
Rach und Blut mit wildem Ton.
 Ich gewährt's, es fielen Beide;
Aber der, im Purpurkleide,
War Zenith, des Sultans Sohn.

Abbadul, der Vater, sandte
Wüthend dreißig Mörder aus,
Meinen Kopf hoch aufzupfhalen,
Doch nur eitel war sein Prahlen,
Sie verstoben in dem Strauß.
Zwanzig, dem Tyrann zur Schande,
Warf ich von der schnöden Bande
Geyern hin zum Leckerschmauß.

Aber aus Cairo's Thoren,
Stürmten drei mal dreißig her,
Sicher-stolz auf das gewandte
Roß, hält Kali, der Verbannte,
Noch getrost im Sclavenheer.
Da erschallt vor meinen Ohren
Deine Flucht, ich war verlohren,
Meiner Faust entglitt der Speer.

Dennoch schwurst du mir noch immer,
Vala! Treue auf das Schwert;
Mag der Stahl die Brust zerspalten,
Eh die Flamme soll erkalten,
Die allein mein Leben nährt.
 Traue keinem falschen Schimmer,
Edler Freund! sonst wäre nimmer
Vala deiner Liebe werth.

Ha! es tagt, schon kehrt mit Beute
Löw' und Tiger heim; kein Blick!
Muß ich ohne Trostes Zeichen
Heut zum Fünftenmale weichen,
Ueber mir hängt Beil und Strick!
Zweifel, die mich wild erfüllen,
Bange mir die Seel' umhüllen!
Wissen will ich mein Geschick.

Außer sich, gepreßt von bittern
Sorgen, bäumt sich hoch der Mohr,
Wie ein Drach' sich aufwärts drehet,
Schwingt er sich am Speer, und stehet
Auf dem Erker über'm Thor;
Sieh da tritt mit frohem Zittern,
Wie die Sonne nach Gewittern,
Vala voller Huld hervor.

Und gleich Tamarindensprossen,
Aufgehaucht vom lauen Merz,
Thauen Küsse, unverlohren
Bleibt der letzte auf des Mohren
Heißen Mund und glühend Herz.
Die Geliebte hält umschlossen
Kali, wie aus Erz gegossen,
Lange stumm in frohem Schmerz.

Schlag auf Schlag, o süßes Beben!
Sterne berget euer Licht!
Alles ist mir unverlohren,
Und ich werde neu gebohren,
Da mein Herz in Wonne bricht.
Laß, o Vala, laß mein Leben
Auf der Lippe dir verschweben,
Sterben kann die Liebe nicht.

Aus: Gedichte von Maler Friedrich Müller
Eine Nachlese zu dessen Werken
Herausgegeben von Hans Graf Yorck
Jena Druck und Verlag von Friedrich Mauke 1873 (S. 21-24)

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Golo und Genofeva

Durch die Dämmrung sinkt gelinde
nun herab der Abendthau
und die leichte Frühlingswinde
hauchen durch die Blüthen lau;

und des Mondes Silberwallen,
zittert hin auf dunkler Fluth,
möge dir! mein Lied gefallen,
auserwählteste, von allen!
die geweckt von Nachtigallen
nun auf weichem Lager ruht.

Lieblich steiget auf von hellen
Perlen, süßer Mayendufft,
aus der Erde Busen schwellen
Bluhmen tausendfach zur Lufft;

und des Himmels klare Kerzen
gießen nieder milden Schein:
aber fern von holden Scherzen,
klagen einsam wunde Herzen,
bange sind der Liebe Schmerzen,
sie durchnagen Mark und Bein.

Nacht verbreitet still die Flügel,
dämmernd ruhet Feld und Bach;
alles schlummert, Thal und Hügel,
nur mein Aug bleibt thränen wach.

O du weißt mit welchen Stricken
Liebe mir die Seele band.
Willst du mich der Noth entrücken,
lößen ach! mit sanfften Blicken,
Todt und Leben, Quaal, Enzücken!
alles steht in deiner Hand.


Aus: Gedichte von Maler Friedrich Müller
Eine Nachlese zu dessen Werken
Herausgegeben von Hans Graf Yorck
Jena Druck und Verlag von Friedrich Mauke 1873 (S. 95-96)

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