Liebes-Balladen, Romanzen u. ä.

 

Frederic Leighton Der Fischer und die Sirene um 1856-58


 

Eduard Mörike
(1804-1875)


Inhaltsverzeichnis der Balladen:
 

 


Storchenbotschaft

Des Schäfers sein Haus und das steht auf zwei Rad,
Steht hoch auf der Heiden, so frühe, wie spat;
Und wenn nur ein mancher so'n Nachtquartier hätt!
Ein Schäfer tauscht nicht mit dem König sein Bett.

Und käm ihm zu Nacht auch was Seltsames vor,
Er betet sein Sprüchel und legt sich aufs Ohr;
Ein Geistlein, ein Hexlein, so lustige Wicht,
Sie klopfen ihm wohl, doch er antwortet nicht.

Einmal doch, da ward es ihm wirklich zu bunt:
Es knopert am Laden, es winselt der Hund;
Nun ziehet mein Schäfer den Riegel - ei schau!
Da stehen zwei Störche, der Mann und die Frau.

Das Pärchen, es machet ein schön Kompliment,
Es möchte gern reden, ach, wenn es nur könnt!
Was will mir das Ziefer? - ist so was erhört?
Doch ist mit wohl fröhliche Botschaft beschert.

Ihr seid wohl dahinten zu Hause am Rhein?
Ihr habt wohl mein Mädel gebissen ins Bein?
Nun weinet das Kind und die Mutter noch mehr,
Sie wünschet den Herzallerliebsten sich her?

Und wünschet daneben die Taufe bestellt:
Ein Lämmlein, ein Würstlein, ein Beutelein Geld?
So sagt nur, ich käm in zwei Tag' oder drei,
Und grüßt mir mein Bübel und rührt ihm den Brei!

Doch halt! warum stellt ihr zu zweien euch ein?
Es werden doch, hoff ich, nicht Zwillinge sein? -
Da klappern die Störche im lustigsten Ton.
Sie nicken und knicksen und fliegen davon.

Aus: Eduard Mörike. Sämtliche Werke in vier Bänden.
Erster Band: Gedichte. Carl Hanser Verlag München 1981
(Auf Grund der Originaldrucke, Hrsg. von Herbert G. Göpfert) (S. 20-21)
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Die schlimme Greth und der Königssohn

Gott grüß dich, junge Müllerin!
Heut wehen die Lüfte wohl schön?
»Laßt sie wehen von Morgen und Abend,
Meine leere Mühle zu drehn!«

Die stangenlangen Flügel
Sie haspeln dir eitel Wind?
»Der Herr ist tot, die Frau ist tot,
Da feiert das Gesind.«

So tröste sich Leid mit Leide!
Wir wären wohl gesellt:
Ich irr, ein armer Königssohn,
Landflüchtig durch die Welt.

Und drunten an dem Berge
die Hütte dort ist mein;
Da liegt auch meine Krone,
Geschmuck und Edelstein.

Willt meine Liebste heißen,
So sage, wie und wann,
An Tagen und in Nächten,
Ich zu dir kommen kann? -

»Ich bind eine güldne Pfeife
Wohl an den Flügel hin,
Daß sie sich helle hören läßt,
Wann ich daheime bin.

Doch wollt Ihr bei mir wohnen,
Sollt mir willkommen sein:
Mein Haus ist groß und weit mein Hof,
Da wohn ich ganz allein.« -

Der Königssohn mit Freuden
Ihr folget in ihr Haus;
Sie tischt ihm auf, kein Edelhof
Vermöchte so stattlichen Schmaus:

Schwarzwild und Rebhuhn, Fisch und Met;
Er fragt nicht lang woher.
Sie zeigt so stolze Sitten,
Des wundert er sich sehr.

Die erste Nacht, da er kost mit ihr,
In das Ohr ihm sagte sie: »Wißt,
Eine Jungfrau muß ich bleiben,
So lieb Euer Leben Euch ist!« -

Einsmals da kam der Königssohn
Zu Mittag von der Jagd,
Unfrohgemut, doch barg er sich,
Sprach lachend zu seiner Magd:

Die Leute sagten mir neue Mär
Von dir, und böse dazu;
Sankt Jörgens Drach war minder schlimm,
Wenn man sie hört, denn du.

»Sie sagen, daß ich ein falsches Ding,
Daß ich eine Hexe sei?«
Nun ja, mein Schatz, so sprechen sie!
Eine Hexe, meiner Treu!

Ich dachte: wohl, ihr Narren,
Ihr lüget nicht daran;
Mit den schwarzen Augen, aufs erstemal,
Hat sie mirs angetan.

Und länger ruh ich keinen Tag,
Bis daß ich König bin,
Und morgen zieh ich auf die Fahrt:
Aufs Jahr bist du Königin! -

Sie blitzt ihn an wie Wetterstrahl,
Sie blickt ihn an so schlau:
»Du lügst in deinen Hals hinein!
Du willt keine Hex' zur Frau.

Du willt dich von mir scheiden;
Das mag ja wohl geschehn:
Sollt aber von der schlimmen Greth
Noch erst ein Probstück sehn.« -

Ach, Liebchen, ach, wie hebet sich,
Wie wallet dein schwarzes Haar!
Und rühret sich kein Lüftchen doch;
O sage, was es war?

Schon wieder, ach, und wieder!
Du lachest und mir graut:
Es singen deine Zöpfe... Weh!
Du bist die Windesbraut!

»Nicht seine Braut, doch ihm vertraut;
Meine Sippschaft ist gar groß.
Komm, küsse mich! ich halte dich
Und lasse dich nimmer los!

O pfui, das ist ein schief Gesicht!
Du wirst ja kreideweiß!
Frisch, munter, Prinz! ich gebe dir
Mein bestes Stücklein preis.« -

Rührlöffel in der Küch sie holt,
Rührlöffel ihrer zwei,
War jeder eine Elle lang,
Waren beide nagelneu.

»Was guckst du so erschrocken?
Denkst wohl, es gäbe Streich?
Nicht doch, Herzliebster, warte nur,
Dein Wunder siehst du gleich.«

Auf den obern Boden führt sie ihn:
»Schau, was ein weiter Platz!
Wie ausgeblasen, hübsch und rein!
Hie tanzen wir, mein Schatz.

Schau, was ein Nebel zieht am Berg!
Gib acht, ich tu ihn ein!«
Sie beugt sich aus dem Laden weit,
Die Geister zu bedräun;

Sie wirbelt übereinander
Ihre Löffel so wunderlich,
Sie wickelt den Nebel und wickelt,
Und wirft ihn hinter sich.

Sie langt hervor ein Saitenspiel,
Sah wie ein Hackbrett aus,
Sie rühret es nur leise,
Es zittert das ganze Haus.

»Teil dich, teil dich, du Wolkendunst!
Ihr Geister, geht herfür!
Lange Männer, lange Weiber, seid
Hurtig zu Dienste mir!«

Da fangt es an zu kreisen,
Da wallet es hervor,
Lange Arme, lange Schleppen,
Und wieget sich im Chor.

»Faßt mir den dummen Jungen da!
Geschwinde wickelt ihn ein!
Er hat mein Herz gekränket,
Das soll er mir bereun.«

Den Jüngling von dem Boden hebts,
Es dreht ihn um und um,
Es trägt ihn als ein Wickelkind
Dreimal im Saal herum.

Margreth ein Wörtlein murmelt,
Klatscht in die Hand dazu:
Da fegt es wie ein Wirbelwind,
Durchs Fenster fort im Nu.

Und fähret über die Berge,
Den Jüngling mitten inn',
Und fort bis wo der Pfeffer wächst -
O Knabe, wie ist dir zu Sinn?

Und als er sich besonnen,
Lag er im grünen Gras,
Hoch oben auf dem Seegestad;
Die Liebste bei ihm saß.

Ein Teppich war gebreitet,
Köstlich gewirket, bunt,
Darauf ein lustig Essen
In blankem Silber stund.

Und als er sich die Augen reibt
Und schaut sich um und an,
Ist sie wie eine Prinzessin schön,
Wie ein Prinz er angetan.

Sie lacht ihn an wie Maienschein,
Da sie ihm den Becher beut,
Sie legt den Arm um seinen Hals;
Vergessen war all sein Leid.

Da ging es an ein Küssen,
Er kriegt nicht satt an ihr;
Fürwahr ihr güldner Gürtel wär
Zu Schaden kommen schier.

- Ach Liebchen, ach, wie wallet hoch
Dein schwarzes Ringelhaar!
Warum mich so erschrecken jetzt?
Nun ist meine Freude gar.

»Rück her, rück her, sei nicht so bang!
Nun sollt du erst noch sehn,
Wie lieblich meine Arme tun;
Komm, es ist gleich geschehn!« -

Sie drückt ihn an die Brüste,
Der Atem wird ihm schwer;
Sie heult ein grausiges Totenlied,
Und wirft ihn in das Meer.

Aus: Eduard Mörike. Sämtliche Werke in vier Bänden.
Erster Band: Gedichte. Carl Hanser Verlag München 1981
(Auf Grund der Originaldrucke, hrsg. von Herbert G. Göpfert) (S. 21-26)
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Schön-Rohtraut

Wie heißt König Ringangs Töchterlein?
Rohtraut, Schön-Rohtraut.
Was tut sie denn den ganzen Tag,
Da sie wohl nicht spinnen und nähen mag?
Tut fischen und jagen.
O daß ich doch ihr Jäger wär!
Fischen und jagen freute mich sehr.
- Schweig stille, mein Herze!

Und über eine kleine Weil,
Rohtraut, Schön-Rohtraut,
So dient der Knab auf Ringangs Schloß
In Jägertracht und hat ein Roß,
Mit Rohtraut zu jagen.
O daß ich doch ein Königssohn wär!
Rohtraut, Schön-Rohtraut lieb ich so sehr.
- Schweig stille, mein Herze!

Einsmals sie ruhten am Eichenbaum,
Da lacht Schön-Rohtraut:
Was siehst mich an so wunniglich?
Wenn du das Herz hast, küsse mich!
Ach! erschrak der Knabe!
Doch denket er: mir ists vergunnt,
Und küsset Schön-Rohtraut auf den Mund.
- Schweig stille, mein Herze!

Darauf sie ritten schweigend heim,
Rohtraut, Schön-Rohtraut;
Es jauchzt der Knab in seinem Sinn:
Und würdst du heute Kaiserin,
Mich sollts nicht kränken:
Ihr tausend Blätter im Walde wißt,
Ich hab Schön-Rohtrauts Mund geküßt!
- Schweig stille, mein Herze!

Aus: Eduard Mörike. Sämtliche Werke in vier Bänden.
Erster Band: Gedichte. Carl Hanser Verlag München 1981
(Auf Grund der Originaldrucke, hrsg. von Herbert G. Göpfert) (S. 48-49)
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Schiffer- und Nixen-Märchen
III. Zwei Liebchen

Ein Schifflein auf der Donau schwamm,
Drin saßen Braut und Bräutigam,
Er hüben und sie drüben.
Sie sprach, Herzliebster, sage mir,
Zum Angebind was geb ich dir?

Sie streift zurück ihr Ärmelein,
Sie greift ins Wasser frisch hinein.

Der Knabe, der rät gleich also,
Und scherzt mit ihr und lacht so froh.

Ach, schöne Frau Done, geb sie nur
Für meinen Schatz eine hübsche Zier!

Sie zog heraus ein schönes Schwert,
Der Knab hätt lang so eins begehrt.

Der Knab, was hält er in der Hand?
Milchweiß ein köstlich Perlenband.

Er legts ihr um ihr schwarzes Haar,
Sie sah wie eine Fürstin gar.

Ach, schöne Frau Done, geb sie mir
Für meinen Schatz eine hübsche Zier!

Sie langt hinein zum andernmal,
Faßt einen Helm von lichtem Stahl.

Der Knab vor Freud entsetzt sich schier,
Fischt ihr einen goldnen Kamm dafür.

Zum dritten sie ins Wasser griff:
Ach weh! da fällt sie aus dem Schiff.

Er springt ihr nach, er faßt sie keck,
Frau Done reißt sie beide weg:

Frau Done hat ihr Schmuck gereut,
Das büßt der Jüngling und die Maid.

Das Schifflein leer hinunterwallt;
Die Sonne sinkt hinter die Berge bald.

Und als der Mond am Himmel stand,
Die Liebchen schwimmen tot ans Land,
Er hüben und sie drüben.

Aus: Eduard Mörike. Sämtliche Werke in vier Bänden.
Erster Band: Gedichte. Carl Hanser Verlag München 1981
(Auf Grund der Originaldrucke, hrsg. von Herbert G. Göpfert) (S. 135-137)
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Aus der Ferne

Weht, o wehet, liebe Morgenwinde!
Tragt ein Wort der Liebe hin und wieder!

Er: Vor der Stadt, wo du hinausgeritten,
Auf dem Maultier, du mit den Begleitern, -
Stund um Stunde sitz ich dort in Trauer,
Wie ein scheuer Geist am hellen Tage.

Sie: Weder Freude hab ich, die mich freute,
Weder Kummer, der mir nahe ginge,
Als nur jene, daß du mein gedenkest,
Als nur diesen, daß ich dich nicht habe.

Er: Ist ein Stein, darauf dein Fuß getreten,
Fliegt ein Vogel, der vielleicht dich kennte,
Jedem Höckenweibe möcht ichs sagen,
Laut am offnen Markte könnt ich weinen.

Weht, o wehet, liebe Morgenwinde!
Tragt ein Wort der Liebe hin und wieder!

Er: Sollt ich Trost bei den Genossen suchen?
Noch kein Fröhlicher hat wahr getröstet.

Sie: Kann ich Meinesgleichen mich vertrauen?
Halb mit Neid beklagten sie mich Arme.

Er: In der Halle, wo sie abends trinken,
Sang ein hübsches Mädchen zu der Harfe;
Ich kam nicht zur Halle, saß alleine,
Wie ein kranker Sperber auf der Stange.

Sie: Auf den Altan zogen mich die Mädchen:
»Komm, die schönen Jünglinge zu sehen,
Die vorüberziehn im Waffenschmucke.«
Ungern folgt ich, mit verdroßnen Augen.

Weht, o wehet, liebe Morgenwinde!
Tragt ein Wort der Liebe hin und wieder!

Er: Die Korallenschnur von deinem Halse,
Die du noch zum Abschied mir gegeben,
Tausendmal am langen Tage drück ich,
Tausendmal bei Nacht sie an den Busen.

Sie: Dieses Balsamfläschchen an der Kette,
Weg muß ichs von meinem Herzen nehmen,
Mich befängt ein Liebeszauberschwindel,
Wohlgeruch der Liebe will mich töten.

Er: Eine Nacht, ach, hielt ich dich im Arme,
Unter Küssen dich auf meinem Schoße;
Ein Jasminzweig blühte dir im Haare,
Kühle Lüfte kamen durch das Fenster.

Sie: Heut im Bette, früh, es dämmert' eben,
Lag ich in Gedanken an den Liebsten:
Unwillkürlich küßt ich, wie du küssest,
Meinen Arm, und mußte bitter weinen.

Still, o stille nun, ihr Morgenwinde!
Wehet morgen in der Frühe wieder!

Aus: Eduard Mörike. Sämtliche Werke in vier Bänden.
Erster Band: Gedichte. Carl Hanser Verlag München 1981
(Auf Grund der Originaldrucke, hrsg. von Herbert G. Göpfert) (S. 161-162)
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