Liebes-Balladen, Romanzen u. ä.

Frederic Leighton Der Fischer und die Sirene um 1856-58


 

Klara Mundt (Ps. Luise Mühlbach)
(1814-1873)


Italienische Liebe

Unter blüh'nden Myrthenzweigen
Sitzt der Ritter mit der Donna,
Sie, das schönste Weib Italiens,
Er, der schönste Mann des Nordens.

Nachtigallen flöten leise
Und die Myrthe scheint zu lächeln
Bei dem heißen Liebesflüstern
Dieses Ritters und der Donna.

Und das schönste Weib Italiens
Neigt sich zu dem deutschen Ritter:
"Willst mich ewig nun auch lieben,
Willst auch treu sein, deutscher Mann?

O, in Deinem kalten Norden
Ist die Liebe auch erstarret,
Und die zimperlichen Dämchen
Nennen ihre Kälte Tugend.

Aber wir, des Südens Töchter,
Haben heiße, glüh'nde Herzen,
Nennen unsre Liebe Tugend,
Lieben nur, und rechnen nicht.

Und den Mann, dem wir ergeben,
Nennen gläubig Gatte wir,
Doch wenn er uns feig verlassen,
Rächt die Schande unser Dolch.

Darum sprich, Du deutscher Ritter,
Willst Du treu mich immer lieben,
Willst auch nicht gering mich achten,
Weil ich Dich so heiß geliebt?" -

Und er schwört mit tausend Eiden
Seiner Liebe Ewigkeit,
Schwört es bei der gold'nen Sichel
Dorten am Olivenhain.

Schwört es bei dem hellen Sterne,
Der dort oben silbern blinkt; -
Und der Stern fällt zischend nieder -
Ein verlosch'nes Meteor.


II.
Bleich die Wange, Gluth im Auge,
Steht Italiens schönste Donna:
"Nein, es fall' nicht Eine Thräne
Der zertret'nen Liebeswonne,
Rache wartet, doch sie kommt!

Nach dem fernen, kalten Norden
Ist er wieder hingezogen,
Will ein deutsches Mädchen freien,
Ihm in kalter Lieb' gewogen;
Rache wartet, doch sie kommt!

Hat vergessen seine Schwüre,
Mir gelobt in mancher Nacht,
Hat vergessen, daß ich gläubig
Meine Ehr' ihm dargebracht;
Rache wartet, doch sie kommt!

Doch ich werde d'ran gedenken,
Daß ich Rache ihm geschworen,
Weil er treulos mich verlassen,
Zitt're er - er ist verloren!
Rache wartet, doch sie kommt!"

Und sie schreibt ihm holde Worte,
Schreibt, um glücklich ihn zu machen,
Will den Treubruch sie verzeihen.
Spricht dabei mit grausem Lachen:
"Rache wartet, doch sie kommt!"

Weiter schreibt sie, daß begierig
Sie auf die Gemahlin wäre,
Bittet ihn mit ihr zu kommen,
Den Besuch nennt sie sich Ehre.
"Rache wartet, doch sie kommt!"

Unter Myrthenzweigen, schreibt sie,
Wollen lächelnd wir gedenken,
Wie wir thöricht einst geliebet,
In Erinn'rung uns versenken.
"Rache wartet, doch sie kommt!"

Und aus fernem, kalten Norden
Kommt des Ritters Antwortschreiben.
Freudig folgt er ihrem Rufe,
Will nicht länger ferne bleiben.
"Rache wartet, doch sie kommt!"

Höher glüh'n der Donna Wangen,
Glücklich nennt sie diese Stunde,
Und es blitzt ihr schwarzes Auge,
Als sie spricht mit stolzem Munde:
"Rache wartet, doch sie kommt!"


III.
Durch die schön geschmückten Säle,
Leuchtend in des Festes Pracht,
Schön geputzte Menschen wallen;
Alles jubelt, Alles lacht.

Denn Italiens schönste Donna
Giebt dem deutschen Ritter heut'
Ein Bankett zum Wiedersehen,
Und dem Weib, das er gefreit.

Und die blonde deutsche Dame
Mit den blauen, matten Blicken
Sagt mit Lächeln zu der Donna:
"Prunk nicht kann das Herz beglücken.

O, nicht neid' ich Euch die Schätze,
Nicht der gold'nen Säle Glanz,
Schöner als auf Marmorboden
Ist auf grüner Wies' der Tanz.

Seid Ihr reich auch, schöne Donna,
Kommt Euer Schatz nicht meinem gleich,
Und weil mein der schönste Ritter,
Bin ich mehr, als Ihr noch, reich."

Mit zusamm'ngepreßter Lippe
Steht die Italienerin,
Und ihr glühend schwarzes Auge
Paßt nicht zu der Worte Sinn:

"Glücklich seid Ihr, deutsche Dame,
Und ich gönn' Euch Euer Glück,
Gönne Euch den schönen Ritter
Mit dem hellen Liebesblick.

Wißt, auch ich hab' ihn geliebet,
Er verschmähte meine Gluth,
Nun ich Euch hab' angesehen,
Fehlt zum Zürnen mir der Muth.

Glüh'nde Lieb', ihm einst gehörig,
Geb' ich der Gemahlin nun,
Drum, Herr Ritter, scherzt und lachet,
Könnt hier ohne Sorgen ruh'n.

Seht, hier unter Myrthenzweigen
Sind wir wieder nun zur Stell',
Fröhlich blinken dort die Sterne,
Wieder scheint der Mond so hell.

Und hier wollen wir uns trinken
Der Erinn'rung Lethetrank,
Aus dem glänzend gold'nen Becher,
Bei der Nachtigallen Sang."

Und sie reicht ihm dar den Becher,
Und er nimmt ihn an mit Dank. -
Grausam war der Donna Lächeln,
Als der deutsche Ritter trank.

Und der Ritter sinkt zur Erde
Mit der Qualen Schmerzenslaut:
"Weh mir, weh, ich bin vergiftet,
Weh mir, daß ich Euch vertraut!"

Todesschatten sinken nieder
Auf des deutschen Ritters Haupt,
Und die Donna flüstert drohend:
"Hab' ich Euch nicht auch geglaubt?

Weint Ihr, blonde, deutsche Dame,
Glaubt ihr, daß die Thräne frommt?
Hab' getödtet den Verräther:
Rache wartet, doch sie kommt!"

Aus: Deutschlands Dichterinnen.
Blüthen deutscher Frauenpoesie
aus den Werken deutscher Dichterinnen
der Vergangenheit und Gegenwart ausgewählt von Karl Wilhelm Bindewald
Osterwieck / Harz o. J. [1895] (S. 77-78)

_____



 


zurück zum Verzeichnis

zurück zur Startseite