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Theodor Nübling
(1809)
Poetischer Versuch eines Dilettanten nach einer
Dichteraufgabe im 4. Stück 1809 der Monatsschrift Jason
Zu Falun in Schweden in tiefem Schacht
Fährt der Bergmann zum schaurigen Grunde,
Ihm leuchtet die Fackel in schwarzer Nacht
In dem grausen giftatmenden Schlunde,
Er fängt mit Gebet sein Tagewerk an,
Zum Reiche des Todes entführt die Bahn;
Kalt haucht durch Schluchten der Berggeist hin,
Und bleicher umflimmern die Fackeln ihn.
Helf Gott! Kameraden! und nicht verzagt!
Schwingt den Hammer mit rüstigen Händen!
Der Durchbruch sei nun mutig gewagt
An des Felsen triefenden Wänden;
Die gleißenden Adern des Kupfers sucht
Der forschende Bergmann in tiefer Schlucht;
Ihm träufelt der Schweiß von dem Angesicht,
Doch übt er beharrlich des Bergmanns Pflicht.
Sie hauen und hämmern - und mit Gefahr,
Dem vereinigten Fleiß soll's gelingen,
Was dem einzelnen Arm unmöglich war,
Zum andern Schacht zu dringen.
Doch! was engt uns den Steg in dumpfer Nacht,
Halt! - Seht! ein Leichnam in Bergmanns Tracht!
Dem Armen fiel ein trauriges Los,
Lebendig empfing ihn der Erde Schoß.
Sie fördern schaudernd den Leichnam zu Tag
Bei der Fackel dumpf-flimmerndem Scheine,
Bald drängt mit der Wehmut bitterer Klag'
Um den Toten sich her die Gemeine,
Und jeder zittert voll Angst und Graun,
Den Sohn, den Freund in dem Toten zu schaun,
Gerührt, verwundernd wohl jeder stand,
Doch keiner den Sohn, den Bruder fand.
An der Krücke, mit Silberlocken bedeckt,
Schlich ein Mütterchen durch das Gedränge;
Die bekannten Züge gewahrend, schreckt
Ihr "O Gott" die trauernde Menge:
"O Gott! Mein Verlobter! - Er ist es - ja!
Wie als Jüngling die Braut ihn lebend sah;
Kehrst du nun zurück ans liebende Herz
Nach fünfzigjähriger Trennung Schmerz?"
Und neu in dem Busen der grauen Braut
Erwachen die sehnenden Triebe.
Sie umfaßt ihn, der ihr war angetraut,
Mit dem Feuer der flammenden Liebe.
Er lag gleich dem Baume, gefällt im Saft,
Denn es hatte des Vitrioles Kraft
Den Leichnam vor der Verwesung bewahrt,
Der Braut zur Begräbnis ihn aufgespart.
"Willkommen, mein Trauter! das Schicksal gab
Dich mir wieder, die Ruh' zu bereiten.
Auf dem Kirchhof, zu deiner Eltern Grab,
Will die redliche Braut dich begleiten,
Auch konnte dein Schlummer im Schachtengrund
Nicht lösen den heiligen Eid und Bund,
Was die Liebe schwur und das Herz gebot,
Das trotzt dem Moder, das trennt kein Tod!"
Und mit Flor umhüllt das greise Haar
Die Geliebte; schwarz gekleidet
Versammelt das Bergvolk sich Paar und Paar,
Wo der Weg nach dem Kirchhof sich scheidet.
Dumpf hallet der Sterbeglocken Klang,
Die Jugend singt frommen Trauergesang.
Der Leichenzug schleicht zum Begräbnisort
In feierlich-langsamen Schritte fort.
Eindringlich erbaute der Pfarrer des Orts
Die Gemein' am geöffneten Grabe,
Erschütternd wirkte die Kraft des Worts
Auf die Braut am wankenden Stabe,
Sie sank auf die Knie, sie betete laut:
"Bald folgt dir, Geliebter, die treue Braut;
Und beide verschließ' ein Leichenstein
Und ewig bleibst du, Geliebter, mein!"
Aus: Thomas Eicher (Hrsg.) Das Bergwerk von Falun
Varianten eines literarischen Stoffes
Münster LIT Verlag 1996 (S. 41-42)
Basierend auf: Theodor Nübling: Poetischer Versuch
eines Dilettanten nach einer Dichteraufgabe
im 4. Stück 1809 der Monatsschrift Jason.
In: Stuttgarter Morgenblatt Nr. 228 (22. 09. 1810) S. 910f.
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