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Karoline Pichler
(1769-1843)
Philippine Welserin
"Horch! die Thurmuhr hat geschlagen,
Und er naht im Augenblick!
Sollt' ich hier zu bleiben wagen?
Zieh' ich schüchtern mich zurück?
Tiefer nicht den Pfeil zu drücken
In die schwer verletzte Brust,
Sollt' ich flieh'n aus seinen Blicken,
Fliehn, als wär' ich schuldbewußt?
Und was hab' ich denn begangen?
Jugend, Schönheit, Edelsinn
Ziehn in schüchternem Verlangen
Meine Seele zu ihm hin.
Ach, er ist so gut so freundlich -
Ist so tapfer, ist so schön!
War es möglich, kalt und feindlich
Solchem Reiz zu widerstehn?
Ja, ich weiß, ich darf nicht hoffen.
Mich bethört kein eitler Wahn;
Mein Geschick liegt vor mir offen,
Eine dornenvolle Bahn.
Tollkühn zu dem Kaiserssohne
Hob sich mein verwegner Blick,
Und der Glanz der Fürstenkrone
Schrecket strafend mich zurück.
Doch - was ist dort für Bewegung?
Wie das Volk zusammenströmt!
Alles scheint in froher Regung:
Guter Gott! Er ist's! Er kömmt!
Herrlich ragt er aus der Menge,
Die er freundlich nickend grüßt,
Aus dem fluthenden Gedränge,
Das sein Barberroß umfließt!"
Und schon hat er sie erspähet
Hinter der Gardinen Flor,
Zu dem Fenster, wo sie stehet,
Fliegt sein heißer Blick empor;
Denn, die keinen Rang erkennet,
Liebe reißt ihn zu ihr hin,
Und der Sohn des Kaisers brennet
Für die schöne Welserin.
Täglich zieht er nun vorüber,
Täglich wird die süße Qual,
Seines Busens Schmerz ihm lieber,
Täglich wächst der Hoffnungsstrahl;
Und schon wagt er zu gestehen,
Was die Seel' ihm glühend füllt -
Zitternd höret sie sein Flehen,
Denn sie schreckt der Zukunft Bild.
Und sie mahnt ihn seines Ranges,
Seines Vaters, seiner Pflicht;
Doch voll heißen Liebesdranges
Achtet er ihr Warnen nicht,
Weiß sie bald zu überzeugen,
Daß sein Glück in ihr nur lebt,
Ihren strengen Sinn zu beugen,
Der ihm zagend widerstrebt.
Kann sie wohl sein Glück zerstören?
Ungerührt von seinem Flehn
Ihn von Leid und Gram verzehren,
Diese Blicke welken sehn?
Zwischen Lieben, Zweifeln, Scheuen
Reicht sie ihm besiegt die Hand,
Und des Priesters Segen weihen
Das geheimnißvolle Band.
Philippine, Philippine!
Rasch ist dieser Schritt gethan -
Doch es naht die ernste Sühne,
Es zerstiebt der schöne Wahn;
Denn der Kaiser hat vernommen,
Was ihr frevelnd hier gewagt,
Und sein Zorn ist rasch entglommen,
Hat euch schwer und streng verklagt.
"Ja, ihr habt den Weg gefunden,
Wo ihr meine Macht verhöhnt;
Denn, was Priesters Hand gebunden,
Wird von Menschen nicht getrennt.
Doch dieß sey euch laut verkündigt:
Die mich tief gekränkt, die schwer
Sich an meiner Huld versündigt,
Sehn mein Antlitz nimmermehr!"
Wie ein Blitz aus heitern Lüften
Trifft die Liebenden dies Wort;
Ihre Freuden zu vergiften,
Tönt's in ihren Herzen fort,
Mischt, ein düsteres Geleite,
Sich in jeden frohen Reihn,
Läßt an Philippinens Seite
Ferdinand nicht glücklich seyn.
Kummervoll sieht sie ihn trauern,
Es zerreißt ihr liebend Herz.
"Nein, die Qual soll nicht mehr dauern!
Nein, ich ende diesen Schmerz!
Hab' ich, Theurer, Dich betrogen
Um des Vatersegens Glück,
Was die Liebe dir entzogen,
Bringt die Liebe Dir zurück!"
Im entschlossenen Gemüthe
Reift ein Anschlag, klug und kühn;
Wohl kennt sie des Kaisers Güte,
Und zu dieser will sie fliehn.
Unerkannt soll er sie sehen,
Und wenn sie ihr Leid geklagt,
Ihr die Milde zugestehen,
Die er keinem noch versagt.
An den Ort, wo jetzt er thronet,
Zieht sie hin, zum fernen Prag,
Wo ihr nie ein Freund gewohnet,
Wo sie niemand kennen mag.
Als bedrängte Fremde stehet
Sie vor ihres Kaisers Blick,
Die um Schutz und Hülf' ihn flehet,
Von ihm hofft ihr Lebensglück.
Und sein Blick ruht mit Vergnügen
Auf der lieblichen Gestalt,
Auf den engelsmilden Zügen,
Wo sich Zucht und Güte mahlt;
Mit geheimer zarter Regung
Fühlt er sich zu ihr geneigt,
Hört mit inniger Bewegung,
Welch ein Schmerz die Holde beugt.
Freundlich läßt er sie erzählen,
Wie ein Ritter sie geliebt,
Wie das stille Glück der Seelen
Jetzt des Vaters Härte trübt,
Dessen Zorn ihr Bund entflammet,
Der die Schnur zwar nie gekannt,
Doch sie mit dem Sohn verdammet,
Und sie ewig von sich bannt.
"Wahrlich! das soll nicht geschehen!"
Ruft der Kaiser: "Fasset Muth!
Laßt euch vor dem Vater sehen,
Glaubt mir, dann wird Alles gut!"
""Ach, wie dürft' ich solches wagen?
Mich verbannt sein strenger Spruch;
In der Ferne muß ich tragen
Meinen Schmerz und seinen Fluch!""
"Nun, so will Ich mit ihm sprechen,
Nennt mir ihn, und seinen Sinn,
Wär' er noch so eisern, brechen,
Traun! so wahr ich Kaiser bin!"
""Wollt ihr das? Ihr wollt verzeihen?""
Ruft sie, stürzet vor ihn hin:
""O laßt euch dies Wort nicht reuen,
Denn ich bin die Welserin!""
Staunend tritt der Fürst zurücke,
Unmuth, Mitleid, Zweifel, Lust
Kämpfen in dem Augenblicke
Heftig in des Kaisers Brust.
Soll er - darf er sie verstossen,
Die sich zitternd an ihn schmiegt,
Die, in Thränenström' ergossen,
Schluchzend ihm zu Füßen liegt?
Muß er nicht des Worts gedenken,
Das den raschen Zorn ihm band?
Kann er wohl dem Sohn verdenken,
Was er selbst beynah' empfand?
Nein, er kann nicht widerstreben,
Enden muß er ihren Harm.
"Komm!" ruft er "Dir sey vergeben! -
Komm in Deines Vaters Arm!
Ja, ihr habt mich überlistet,
Schlau begegnet meinem Drohn!
Doch ich zürne nicht, ihr büßtet
Eure Schuld durch Reue schon.
Was geschehn ist, sey vergeben,
Himmelslust liegt im Verzeihn!
Laßt das neue schöne Leben
Uns der Lieb' und Eintracht weihn!"
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Aus: Gedichte von Caroline
Pichler
gebornen von Greiner
Neue verbesserte Auflage Wien 1822 (S. 267-274)
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