|
Luise von Ploennies
(1803-1872)
Ritter Aage und Jungfrau Else
(Nach einer
dänischen Sage)
Es war am Maientage, die Glocken hallten laut,
Da freite Ritter Aage schön' Else, seine Braut.
Und als sie sich umschlungen, da blühten die Rosen all,
Da hat ihr Kind gesungen, die holde Nachtigall.
Ein Monat ist verflossen, die Rosen fallen ab,
Das Glück ist all genossen, Herr Aage ruht im Grab.
Viel heiße Thränen rollen von Elsens Aug' herab,
Wohl durch die braunen Schollen, hinunter in sein Grab.
Eine Thräne ist gesunken ihm auf das todte Herz,
Als wie ein glü'nder Funken, - da wacht er auf voll Schmerz.
Die Lieb' hat aus den Banden des Grabes ihn befreit,
Da ist er aufgestanden, zur mitternächt'gen Zeit.
Er hat den Sarg genommen wohl auf die Schulter sein,
Und ist damit gekommen bis vor ihr Kämmerlein.
"Schließ auf die Thür, Geliebte, dein Liebster der ist nah,
Schließ auf die Thür, Betrübte, der Bräutigam ist da!"
""Sprich aus des Heilands Namen, wie sonst laß ich dich ein.""
Herr Aage der sprach Amen, und trat in's Kämmerlein.
Das waren sel'ge Wonnen, er lag an ihrer Brust,
Das Leid war all zerronnen, versunken in der Lust.
Sie strich auf seinem Haupte mit goldnem Kamm das Haar,
Für jedes das sie raubte, fiel eine Thräne klar.
""O du Herzliebster sage, wie ruht sich's in dem Grab? -""
"Wenn du lächelst," spricht Herr Aage, "dann fallen Rosen hinab."
""Doch wenn ich weine, sage, fühlst du's in deinem Grab? -""
"Wenn du weinest," spricht Herr Aage, "tropft es wie Blut herab."
Sie schmiegt in Lust und Leide sich fester an ihn an.
"Horch, Zeit ist's, daß ich scheide, es kräht der rothe Hahn.
Jetzt müssen alle Todten zurück zum Erdenschoos."
""Laß kräh'n den Hahn, den Rothen, ich laß dich nimmer los! -""
"Es kräht zum zweitenmale, das ist der schwarze Hahn,
Jetzt wird im Morgenstrahle der Himmel aufgethan.
Laß mich den Sarg erheben und folgen dem Gebot!"
""Ach Liebster, nimm mein Leben, und gib mir deinen Tod!""
Mit seinem Sarge schreitet Herr Aage aus dem Haus,
Von seinem Lieb begleitet, in dunkle Nacht hinaus
Zum Kirchhof, durch den dunkeln und langen Tannenwald.
"Sieh, wie die Sterne funkeln, zur Stelle sind wir bald."
Sie treten aus dem Walde der Kirchhof ist erreicht;
""Herr Jesu, wie ist balde dein golden Haar gebleicht!""
Sie treten zur Kapelle im blassen Mondenstrahl;
""Herr Jesu, wie so schnelle wird deine Wange fahl!""
"Süß Lieb, du darfst nicht weinen, schlag auf dein Augenpaar,
Sieh wie dort oben scheinen die Sterne hell und klar."
Sie läßt die Blicke fliegen empor in blaue Luft,
Indeß ist er gestiegen in seine Gruft.
Sie sah ihn nimmer wieder, ging heim in stillem Gram,
Bald legte man sie nieder zu ihrem Bräutigam.
Aus: Deutschland's
Balladen- und Romanzen-Dichter
Von G. A. Bürger bis auf die neueste Zeit
Eine Auswahl des Schönsten und charakteristisch Werthvollsten
aus dem Schatze der lyrischen Epik
in Balladen und Romanzen, Mären, Legenden und Erzählungen
nebst Biographieen und Charakteristiken der Dichter
unter Berücksichtigung der namhaftesten kritischen Stimmen
von Ignaz Hub Zweite, gänzlich umgearbeitete und stark vermehrte Auflage
Karlsruhe Verlag von Wilhelm Creuzbauer 1849 (S. 672)
_____
|