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Robert Reinick
(1805-1852)
Käferlieder
1.
Der verliebte
Maikäfer
"Glühwürmchen!
Steck's Laternchen an!
Ich will ein Ständchen bringen;
Zur rothen Tulpe führ' mich hin,
Da wohnt meine schöne Fliege drin,
Die hört so gern mich singen!"
Maikäfer spricht's, der eitle Geck;
Er knöpft nach Stutzerweise
Sein braunes Röckchen zierlich auf,
Zieht kraus die Flügel draus herauf,
Und macht sich auf die Reise. -
Auf gelbem Stühlchen saß daheim
Schön Fliege gar zu niedlich,
Trank ihren Thau in guter Ruh,
Aß etwas Blumenstaub dazu,
Und war so recht gemüthlich.
Da leuchtet's durch die rothe Wand, -
Sie war wohl sein gewoben -
Da summt es drauß, da brummt es drauß,
Da wankt und schwankt das Tulpenhaus,
Maikäferchen saß oben.
Schön Fliege denkt: Du alter Narr,
Du kommst mir recht zu passe!
Sie fliegt zum Dach und gießet schlau
Einen ganzen großen Tropfen Thau
Dem Käfer auf die Nase.
Der Aermste sinkt in's tiefe Gras,
Doch spricht er ohn' Verdrießen:
"Das Zuckerkind! wie denkt sie mein!
Wollt' mich mit süßem Trunk erfreun,
Thät nur zu viel vergießen." -
Schön Fliege macht die Aeuglein zu
Und meint, der kommt nicht wieder;
Da summt es drauß, da brummt es drauß,
Da wankt und schwankt das Tulpenhaus, -
Maikäferchen kam wieder.
Schön Fliege denkt: Nun warte Wicht,
Ich will in Takt dich rütteln!
Sie fliegt von Wand zu Wand herum,
Daß sich die ganze Tulpenblum',
Als wär' ein Sturm, muß schütteln.
Der Käfer stürzt herab, doch bald
Vergißt er alles Leiden.
"O Je, wie bin ich doch beglückt,
Mein Ständchen hat sie so entzückt,
Daß hoch sie sprang vor Freuden!" -
Und wieder summt und brummt es drauf,
Es schwankt die Tulpe wieder:
Da stürzt schön Fliege draus hervor,
Schlägt mit den Flügeln ihn um's Ohr,
Und schleudert weit ihn nieder.
Doch bald erholt er sich vom Schreck:
"Nun ist mein Glück vollkommen!
Sie wollt' mich küssen offenbar,
Da mußte grad ich dummer Narr
Ihr unter'n Flügel kommen!
Gllühwürmchen, lisch die Lichter aus!
Mußt nicht so viel vergeuden;
Wir brauchen's heute Abend doch,
Da kommen wir viel früher noch,
Es macht ihr tausend Freuden!"
2.
Drei Käferknaben
Es waren einmal drei
Käferknaben,
Die thäten mit Gebrumm brumm brumm
In Thau ihr Schnäblein tunken,
Und wurden so betrunken,
Als wär's ein Faß mit Rum.
Da haben sie getroffen an
Eine wunderschöne Blum Blum Blum,
Da wurden die jungen Käfer
Alle drei verliebte Schäfer
Und flogen um sie herum.
Die Blume, die sie kommen sah,
War grade auch nicht dumm dumm dumm;
Sie war von schlauem Sinne
Und rief die Base Spinne:
"Spinn mir ein Netzlein um!"
Die Base Spinne kroch heran
Und macht' die Beine krumm krumm krumm,
Sie spann ein Netz so feine
Und setzte sich dareine,
Und saß da mäuschenstumm.
Und als die Käfer kommen an
Mit zärtlichem Gesumm summ summ,
Sind sie hineingeflogen,
Und wurden ausgesogen,
Half ihnen kein Gebrumm.
Das Blümlein aber lachend sprach,
Und kümmert' sich nicht drumm drum drum:
"So geht's, ihr lieben Käfer,
So geht's ihr lieben Schäfer,
Trotz allem Summ und Brumm!"
Aus: Deutschland's
Balladen- und Romanzen-Dichter
Von G. A. Bürger bis auf die neueste Zeit
Eine Auswahl des Schönsten und charakteristisch Werthvollsten
aus dem Schatze der lyrischen Epik
in Balladen und Romanzen, Mären, Legenden und Erzählungen
nebst Biographieen und Charakteristiken der Dichter
unter Berücksichtigung der namhaftesten kritischen Stimmen
von Ignaz Hub Zweite, gänzlich umgearbeitete und stark vermehrte Auflage
Karlsruhe Verlag von Wilhelm Creuzbauer 1849 (S. 749)
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