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Ulrich von Schlippenbach
(1774-1826)
König Regner und Aslauga
Dem Könige Regner, am Baltischen Strand,
War Glück und Freude entschwunden.
Er wandelt zum Grabe der Königin hin,
Nichts tröstet des Klagendes trauernden Sinn,
Er hatte nicht Ruhe gefunden,
Seit Thora, die Liebliche schwand.
Hinaus, hinab in das stürmische Meer,
Hinaus in die schäumenden Wogen,
Und find' ich auch dort nicht verlorene Ruh,
Schliesst über dem Herzen die Welle sich zu -
Wenn Stürme den Himmel umzogen,
So wehen sie Tröstung mir her.
Es hat wohl die Farbe der Trauer das Schiff,
Und schwebet auf schäumenden Wellen,
- So wie ein vom Gram umdüstertes Herz
Tief fluthet in tobenden Wogen, im Schmerz,
Wo Sterne das Dunkel nicht hellen -
Sich wendend zum drohenden Riff.
Wer will mich begleiten hinaus in das Meer?
So frug nun der König der Dänen.
"Wir alle, wir theilen mit dir das Geschick,
Es bleibt deiner Helden nicht einer zurück!"
Es dankte der König mit Thränen,
Und wählt zur Begleitung sein Heer.
Da rollen die blähenden Segel sich auf,
Da werden die Anker gelichtet;
Die düsteren Schiffe entfliehen dem Land,
Und Tausende flehen am felsigen Strand,
Die Augen gen Himmel gerichtet:
"Herr, hilf im gefährlichen Lauf!"
So viele der Meere der König durchzog,
Schon waren zwey Monden entschwunden,
Doch ruht' nicht im Herzen der nagende Wurm,
Trotz tobendem Meere, beym brausenden Sturm,
Er hatte nicht Ruhe gefunden,
Wohin auch das Steuer sich bog.
Da schimmert hervor aus der wogenden See
Ein Eyland, von Felsen umgeben,
Umrauscht von der kalten, weiss schäumenden Fluth,
Da siehst du, nie löschend, die flammende Gluth,
Laut donnernd, aus Bergen sich heben,
Hoch zuckend zur schwindelnden Höh'. -
"Ha! Bild meines Herzens, dich grüss ich, o Land!"
Ruft Regner, "hier wollen wir weilen."
So hebt sich die Liebe mit flammender Gluth
Hervor aus der Leiden umringenden Fluth,
Sie kann nicht die Flamme ereilen,
Die lodernd zum Himmel gewandt.
Die Segel sich falten; das Ankertau fällt;
Es eilet der König zum Strande.
Da weiden viel Schäfchen, noch weisser als Schnee,
Am felsigen Ufer der brausenden See, -
Die Schäferin flieht nach dem Lande, -
Doch einer der Krieger sie hält.
"Was fliehst du?" so spricht er; "zum König komm hin
Und gieb ihm vom Lande hier Kunde;
Die Unschuld kann ruhig dem Könige nahn,
Nie hat ihr noch Regner was Leides gethan.
Er ist mit der Tugend im Bunde,
So edel als tapfer sein Sinn."
Aslauga, die nahet mit züchtigem Blick,
Mit blonden lang wallenden Haaren,
Wie Rosen die Wangen, die Brust wie der Schwan,
"Welch Mädchen!" so rufen und staunen sie an
Des Königs versammelte Schaaren,
Und weichen voll Ehrfurcht zurück.
Der König erblickt sie: - "Welch reizendes Bild!
Sprich, bist du dem Himmel entstiegen?" -
"Herr König, Ihr spottet der Schäferin nur,
In Island geboren, auf stürmischer Flur,
Wo wenig der Blumen sich wiegen
Und Nebel die Hütte umhüllt."
"Beym Odin! o Mädchen, wie bist du so schön!
Gesegnet sey ewig die Hütte,
In der du geboren; ich will sie beschaun.
Komm, führe du selbst mich; du kannst mir vertraun,
Ich ehre die Tugend und Sitte
Und liebe, die Unschuld zu sehn."
Sie wandern zur Hütte, am Berge gelehnt
Aus dem sich die Flammen erheben;
Ein Gärtchen voll Blumen am Felsen hier ruht,
Wie Liebe am Herzen des Helden voll Gluth;
Des Schönen beglückendes Streben
Ist, dass es zum Starken sich sehnt.
Ergriffen vom Anblick der hohen Natur,
Noch mehr von der Schäferin Schöne,
Entfloh nun dem König der traurende Sinn,
Er blickt' in die Welt jetzt beruhigter hin;
Des Schmerzes ergreifende Töne -
Leis bebten im Herzen sie nur.
Da sprach er: "Aslauga, willst mit mir du ziehn,
Am Hofe der Dänen zu leben?
Was irgend dein Herz nur an Freude begehrt,
Das, liebliches Mädchen! es sey dir gewährt,
Ich will es so gerne dir geben,
Dass rosig die Stunden dir blühn."
"O, lasst mich, Herr König! in einsamer Flur
Mein Leben in Unschuld vollenden,
Hier leb' ich so ruhig, hier kennet mein Herz
Nicht höhere Wünsche , hier droht nicht der Schmerz,
Hier kann sich das Glück mir nicht wenden -
Nur lächeln im Schooss der Natur."
Wohl bat sie der König; Aslauga doch blieb,
Und wollte zum Hofe nicht ziehen. -
Im Eyland weilt Regner, und fühlet den Schlag
Des Herzens sich mehren mit jeglichem Tag, -
Er fühlte im Busen es glühen -
Er habe das Mädchen so lieb.
"Ich scheide, Aslauga!" so sprach er zu ihr,
"Fort zieh ich, auf schäumenden Wogen.
Ich suchte verlorene Ruhe und fand
Sie, freundlich durch Liebe, am felsigen Strand;
Doch hat sie mich wieder betrogen, -
Ich lasse die Ruhe bey dir."
"Ach! wärst du ein Schäfer, dich liebte ich nur,
Dich wollt ich durchs Leben begleiten;
Doch hin an den Hof, - mich zur Dirne zu weihn,
Das kann dir Aslauga doch nimmermehr seyn. -
Vergiss sie in trennenden Weiten,
Und lass sie der heimischen Flur."
"O, Mädchen! dich lassen? ich lasse mein Glück!
Ich will dich zur Dirne nicht wählen.
Die Schäferin führ' ich zum glänzenden Thron
Und gebe die Krone der Liebe zum Lohn,
Dem Schäfer wirst du dich vermählen:
Die Gattin bringt Regner zurück."
"Wohlan," sprach Aslauga, "dich lieben will ich
Bis dass ich mein Leben vollende;
Jetzt ziehe, o König! zum Dänenland hin,
Und liebst du auch dort mich, mit redlichem Sinn,
Alsdann deine Boten mir sende;
Sie bringen die Gattin für dich." -
Hoch wallen die Segel; wie eilen sie fort!
Zur Heimath sich fördert die Reise,
Trotz Sturm und Gefahren am drohenden Riff;
Es jubelt die Freude auf jeglichem Schiff,
Auf steigendem, sinkendem Gleise
Gelangen die Pilger zum Port.
Der König verkündet vom glänzenden Thron:
Ihm wäre der Kummer entschwunden,
Er habe auf Felsenumgürterter Flur,
Am Berge voll Feuer, im Schooss der Natur,
Die tröstende Liebe gefunden,
Die Krone versprochen zum Lohn.
Bald führen Gesandte Aslauga ans Land;
Die Schäferin ziert kein Geschmeide.
Doch rufen die Dänen, voll Jubel, ihr zu:
"Die würdige Königin, Holde, bist du;
Du borgtest nicht Reize vom Kleide,
Die gab dir Natur, - nicht der Stand."
Geschlossen ward nun der beglückende Bund,
Und Regner dem Schicksal versöhnet.
Nur Liebe kann geben, was Liebe verlor,
Das sang in der Sage der Sänger euch vor,
Und wie's ihm im Herzen getönet,
So that er's im Liede euch kund.
Aus: Gedichte von Ulrich Freyherrn von Schlippenbach
Mitau 1812 Gedruckt bey J. F. Steffenhagen und Sohn (S. 130-140)
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