Liebes-Balladen, Romanzen u. ä.

Frederic Leighton Der Fischer und die Sirene um 1856-58




Konrad Friedrich von Schmidt-Phiseldeck
(1770-1832)


Die schöne Sängerin

Dort unten am Ufer, am Meeresstrande,
Da wusch die Schöne des Mannes Gewand
Und sang in Klagetönen.
Es horcht' ihr schweigend der Vögel Chor,
Es reckten die Fische die Köpf' empor
Und hörten zu der Schönen.

Die Böte, die schwammen am Ufer hin,
Zu lauschen der lieblichen Sängerin;
Ihr lauschte die Galeere.
Die Bursche, sie legten die Ruder ein,
Der Hauptmann gewahrt' es, und schalt nicht drein,
Und Stille herrscht im Meere.

Das däuchte die Sängerin wundersam;
Und als sie das Rauschen nicht mehr vernahm,
Und nur die eigenen Töne,
Da schwieg sie plötzlich, und schaut' umher,
Und auf sie blickte so Land als Meer,
Erstaunt ob ihrer Schöne.

Der Hauptmann verneigte sich tief und sprach:
"O Nymphe des süßen Gesanges, sag',
Was treibt dich, aufzuhören?
Dir lauschen die Ufer, das Schifflein ruht,
Die Winde verstummen, es schweigt die Fluth,
Sie fürchten, dich zu stören." -

""Nicht sang ich dem Hörer zu Freude und Lust;
Ein Laut nur der Wehmuth entquoll der Brust,
Zu machen Luft dem Herzen.
Es ließ mich daheim der geliebteste Mann
Und kam zu Sommer nicht wieder an,
Drum sing' ich meine Schmerzen.

Er ging, zu streiten für's Vaterland,
Und zehnmal die Scheibe des Mondes schwand,
Seit er von mir gegangen.
Kein Bote verkündet, was ihm geschah,
Kein Auge mir naht, das den Trauten sah,
Drum schmacht' ich vor Verlangen.

Er schmeichelte mir mit der Hoffnung Wort:
"Und muß ich, o Liebchen, und muß ich fort,
Laß seyn, bald kehr' ich wieder;
Ich fliege zum rüstigen Kriegestanz,
Dann komm' ich, und lege den Siegerkranz
Zu deinen Füßen nieder."

Er kam nicht wieder, er ist nicht da;
Der Sommer entschwindet, der Herbst ist nah:
Ist dann er nicht gekommen,
So hab' ich, bevor der Winterschnee
Bedecket das Kloster auf der Höh',
Den Schleier schon genommen.""

So klagte die Schöne, da tönte Gesang;
Wie Flötenstimme, wie Harfenklang,
So tönt' es her vom Meere:
"Und hättest du mir den Namen genannt,
So lebte wohl einer, der ihn gekannt,
Allhier auf der Galeere."

Sie kannte die Stimme, sie kannte den Laut,
In's Wasser sich stürzte die holde Braut,
Schwamm hin zu der Galeere.
Die Fluthen küßten des Kleides Saum,
Sie hob sich, wie Cypris aus Wellenschaum,
Zum Liebsten aus dem Meere.


Aus: Deutschland's Balladen- und Romanzen-Dichter
Von G. A. Bürger bis auf die neueste Zeit
Eine Auswahl des Schönsten und charakteristisch Werthvollsten
aus dem Schatze der lyrischen Epik
in Balladen und Romanzen, Mären, Legenden und Erzählungen
nebst Biographieen und Charakteristiken der Dichter
unter Berücksichtigung der namhaftesten kritischen Stimmen
von Ignaz Hub Zweite, gänzlich umgearbeitete und stark vermehrte Auflage
Karlsruhe Verlag von Wilhelm Creuzbauer 1849 (S. 165)

_____




 


zurück zum Verzeichnis

zurück zur Startseite