Liebes-Balladen, Romanzen u. ä.

Frederic Leighton Der Fischer und die Sirene um 1856-58


 

Clara Schönborn
(1849-?)



Minnedienst

"Ich singe nur höchster Schönheit Preis!
Der lieblichen Frauen ich Zweie weiß,
Sie rühme des Liedes weitklingender Schall,
Wie ewig rauschet des Gießbachs Fall,
So töne das Lob dieser Holden!
Die eine in Frankreich Krone trägt,
Mein Herz, mein Herz nur der anderen schlägt.
Hier herrscht im Lande als Herzogin,
Der ich in Minne ergeben bin
Wie Tristan einstmals Isolden".

Die Fürstin lauscht vom hohen Balkon,
Leicht rührt sie des Liedes zärtlicher Ton.
"Wer singt so laut vor meinem Palast?
Auf, führet den Spielmann herbei in Hast!" -
Der naht sich in höfischem Kleide,
Ein Sänger und stattlicher Ritter zugleich.
Die schöne Luitgard von Oesterreich
Läßt spielen der Augen berückenden Glanz:
"Du wobest der Huldigung Perlenkranz,
Mir beides zu Lieb' und zu Leide.

Du sangest, daß ich die Schönste wär',
Dein Herz nach meiner Minne begehr'!
Wohl träumtest Du Dich in's Paradies,
Wohl könnte ich lohnen mit Dank reich, -
Selbst aber scheinst Du zu löschen bemüht
Die Flammen, die wonnig mein Herz durchglüht;
Entscheide nun, da ich in's Auge Dir schau,
Erkennst Du den Preis mir oder der Frau
Fern auf dem Throne von Frankreich?"

""Vielholde Fraue, wie schaffst Du Dir Gram?
Ich singe nur, was ich von Andern vernahm.
Nie sah die Königin selber mein Aug',
So daß ich zum Paris euch nicht taug',
Dies glaube und zürne nicht länger!"" -
"Wer könnte - sprach die Herzogin klug -
Das Urtheil fällen mit besserem Fug,
Als er, dem Schönheit sich offenbart,
Der sie besungen so süß und so zart,
Als der gottbegnadete Sänger?"

Wohlauf! und rüste Dich ohne Verzug,
Ich gebe Dir Gold und Geschenke genug,
Nach jener Königsstadt reite Du hin,
Ob mich überstrahlet die Königin,
Das forsche nach bester Erkenntniß;
Dann kehre und bringe mir redlich Bescheid,
Nicht trag' ich des Zweifels unsägliches Leid".
""Ach, - seufzte der Ritter - Du sendest mich fort? -
Und fände ich schöner die Fürstin dort,
Nie wagte ich solches Geständniß.

Doch rüst' ich zur Reise, dieweil ich mich tröst',
Daß Dir zur Wonne der Zweifel sich löst,
Ihr werde die Krone der Schönheit geraubt,
Um einzig zu funkeln auf Deinem Haupt"".
Aus Wien d'rauf reitet von hinnen
Herr Huldrich der Sänger, auf stolzem Roß,
Und manche Woche auf Reisen verfloß.
Nun endlich hemmt er des Renners Lauf,
Es taucht Paris in der Ferne auf
Mit stattlichen Thürmen und Zinnen.

Hier aber wählet sich, schlau bedacht,
Der Rittersmann eines Krämers Tracht.
Goldspangen, Gürtel und allerhand
Geschmeide, glitzernden Damentand,
Das legt er auf zierliche Brettchen.
So dringt er in's Schloß ohne Aufenthalt,
Manch schönes Kind voll Neugier alsbald
Den hübschen, blinkenden Kram umhüpft,
Ein Kästchen öffnet, ein Tüchlein lüpft
Und feilscht um Ringe und Kettchen.

"Halt, nichts verkauf' ich, ihr Jungfräulein,
Laßt ihr mich nicht zur Königin ein".
Sie tritt ihm entgegen in weißem Sammt,
Ein Diadem auf der Stirn ihr flammt.
Wie der Falter, um Süßes zu fangen,
Von Blume zu Blume kosend schwebt,
So irrt sein Blick, den er kühn erhebt,
Von dem Purpurmund zu dem Feuergold
Des Haars, das in Locken lang aufgerollt,
Und ruht in den strahlenden Augen.

Den blendenden Arm, den Nacken sie schmückt
Mit seinen Perlen, - er sieht es entzückt,
Als plötzlich Luitgard vor Augen ihm steht!
Die Fräuleins kichern: "Ei seht doch, seht,
Der Krämer läßt alles im Stiche!" -
Mit Riesenschritten durchmißt er das Schloß
Und schnell zur Herberge, schnell auf's Roß.
Schon liegt ihm Paris im Rücken längst
Doch spornt er noch immer den treuen Hengst,
Als ob vor Gefahr er entwiche.

Wie ein Kind, das mit den Gespielen schmollt
Und den Puppen, weil sie so steif sind, grollt,
So zürnt Frau Luitgard, weiß Keiner warum.
"Langweilig seid ihr Alle und dumm!"
Da klimpert süß eine Laute.
"Ich singe nur höchster Schönheit Preis,
Der lieblichen Frauen ich Zweie weiß,
Die eine in Frankreich Krone trägt,
Mein Herz, mein Herz nur der anderen schlägt,
Sie bleibt meine Liebe und Traute".

Zum Fenster freudig die Fürstin eilt,
Dem Sänger sie gerne Gehör ertheilt.
Seit ihre Eifersucht einmal erweckt,
Der Zweifel ihr eiteles Herz erschreckt,
War schier vor Neid sie gestorben.
"Ich hörte das Lied, das Du mir sangst,
Nun künde redlich und ohne Angst, -
Es sei Dir im Voraus alles verzieh'n -
Wie schön Dir jene Königin schien".
Zum Höflinge war er verdorben.

""Die Königin fand ich herrlich fürwahr!
Schwarz ihre Augen, doch demantklar,
Ihr Mund wie die Purpurnelke blüht,
Ihr Haar wie die flammende Sonne glüht,
Sie ist Dir an Schönheit vergleichbar"".
"Nein! - ruft die Fürstin, auflodert ihr Zorn -
Sie scheint die Rose und ich der Dorn,
Fahr' hin denn, verliebter Schafer Du,
Und singe ihr selbst Deine Liedchen zu,
Nur schnell, daß sie bald Dir erreichbar".

Und als sie ihm grollend den Rücken kehrt,
So bittet der Sänger, schnellbelehrt:
"Wenn ich zu thöricht gesprochen, zu frei,
Du hohe, herrliche Frau, verzeih!
Zu scherzen wagt' ich verwegen.
Dir flammt ja mein Herz in liebender Gluth,
Und wenn Zauber in meiner Laute ruht,
So feiere Dich sie im Minnedienst;
Am schönsten, herrlichsten Du mir schienst,
Und Jene - ist häßlich dagegen".

Nun lächelt ihm Luitgarde hold,
Bekränzet sein Haupt zum Minnesold,
An seinem Finger ihr Ringlein blitzt,
Zu ihren Füßen der Sänger sitzt
Und läßt sich kosen und streicheln. -
Doch des Nachts er über die Mauer sich schwingt,
Zieht frei von dannen und spielt und singt:
"Ich danke für Minnedienst, höfische Gunst!
Frau Poesie, meine göttliche Kunst,
Ist zu gut zum lügen und schmeicheln".
 

 

Aus: Deutschlands Dichterinnen.
Blüthen deutscher Frauenpoesie
aus den Werken deutscher Dichterinnen der Vergangenheit und Gegenwart ausgewählt von Karl Wilhelm Bindewald
Osterwieck / Harz o. J. [1895] (S. 57-59)
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