Liebes-Balladen, Romanzen u. ä.

Frederic Leighton Der Fischer und die Sirene um 1856-58



Johann Nepomuk Vogl
(1802-1866)


Die Braut des Bergmanns

Vor dem Spiegel auf den Zehen
Steht die junge Bergmannsbraut.
Ei, wie sich so selbstgefällig
Heut' das munt're Ding beschaut!

Schwarzes Häubchen, schwarzes Mieder
Stehen ihr auch gar zu gut,
Und der rothen Bänder spottet
Ihrer Wangen Rosenglut.

So vom Spiegel zu dem Fenster,
Und von da nach dort zurück,
Drängt sie Magdlichkeit und Sehnen,
Und der Liebe junges Glück.

Viel zu langsam von den Kuppen
Schwindet ihr der Sonne Licht,
Ach, so seufzet sie, wie lange
Währt doch heute seine Schicht.

Und sie tritt hinaus zur Schwelle,
Wandelt hin den stein'gen Pfad,
Doch kein Bergmann will erscheinen,
Und kein Bräutigam sich nah'n.

Horch, da gellt das Stollenglöckchen!
Weh' ein Unfall ist gescheh'n,
Und in Angst und grauser Ahnung
Meint die Aermste zu vergeh'n.

Sieh, da kommt's den Bühl herunter,
Lauter Jammer füllt die Luft:
"Eingestürzet ist der Salzberg
Und den Bräut'gam birgt die Gruft!"

Da, besinnungslos zur Erde
Sinkt die arme Bergmannsbraut,
Statt der Hochzeitsglocke tönte
Ach, des Todtenglöckchen Laut.

Und in Gram und Thränen schwindet
Fürder ihr der Tage Zahl,
Denn das Glück, das sie verloren,
Lächelt nicht ein zweitesmal.

Nimmer harschet ganz die Wunde,
Wird auch milder gleich ihr Schmerz,
Denn so herber Schlag verletzet
Allzutief ein weiblich Herz.

Doch ergeben dem Geschicke,
Trägt sie was der Herr beschied,
Einsam der Erinn'rung lebend
In dem Grubenhaus am Ried.

Aber als der Tag gekommen
Der gerissen Hand aus Hand,
Steht sie wieder vor dem Spiegel
Wie am Hochzeitstag sie stand.

Schwarzes Häubchen, schwarzes Mieder,
Schmücken sie wie dazumal,
Doch von ihrer Wangen Blässe
Spricht des Herzens inn're Qual.

So, als Braut geschmücket wandert
Sie zum Kirchlein unverweilt,
Und ihr Geist entflieht zur Sphäre
Wo der Frühverlorne weilt.

Und an jedem Jahrestage
Schmückt sie sich als Bergmannsbraut,
Alten Pfad zur Kirche wandelnd
Ohne Wort und Klagelaut.

Fünf und fünfzig Lenze schwanden
So dem schwergeprüften Weib,
Silbern ist ihr Haar geworden
Und gekrümmt und welk ihr Leib.

Da zur Kirche geht sie wieder,
Einst im alten Hochzeitsstaat,
Mit dem schwarzen Wollenhäubchen,
Mit dem Röckchen von Brokat.

Sieh, was läuft das Volk zusammen,
Welch ein Lärmen und Gebraus?
Aus dem längst verfallnen Schachte
Grub man einen Knappen aus.

Blond von Haaren, roth von Wangen,
Noch geschwellt von Jugendkraft,
Wie vor vielen, vielen Jahren
Ihn der Tod dahingerafft.

Ward von ihm des Grabes Schauder
Durch die Soole noch verbannt,
Aber von der Knappschaft keiner
Der den Jüngling hätt' erkannt.

Da von ihrem Pfade lockt es
Auch das Mütterchen herbei,
Und sie schaut die Jünglingsleiche
Und dem Mund entfährt ein Schrei.

Denn, der noch in Jugendfülle,
Vor ihr liegt, das ist ja er,
Den seit ihrem Hochzeitstage
Sie gesehen nimmermehr.

Schluchzend sinkt sie auf die Leiche,
Ihrer selbst nicht mehr bewußt,
Neigt das Haupt und hebt es nimmer
Von des Auserkornen Brust.

So vereint ins Grab auch senkten
Sie darauf das seltne Paar,
Bräutigam mit goldnen Locken
Und die Braut mit weißem Haar.

Aus: Aus der Teufe. Bergmännische Dichtungen
von Dr. Johann Nepomuk Vogl
Zweite vermehrte Auflage
Wien Verlag von Carl Gerold's Sohn 1856 (S. 64-65)




 


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