Liebes-Balladen, Romanzen u. ä.

 

Frederic Leighton Der Fischer und die Sirene um 1856-58


 

Georg Rudolf Weckherlin
(1584-1653)


Inhaltsverzeichnis der Balladen:
 


 


Liebliches Gespräch von der Liebe
Myrta und Filodor

M. Filodor, sag mir doch frey,
Liebst du mich mit wahrer trew?

F. Ja Myrta, ich lieb dich sehr,
Und ich lieb dich mehr und mehr.

M. Sag mir, wie sehr liebst du mich?

F. Ich lieb dich wie eben dich:
Ich lieb dich mein schätzelein,
Wie dich selbs mein hertzelein.

M. Du vernügest mich nicht recht;
Antwort mir fein rund und schlecht.

F. Die warheit allein ich sag,
Auf dein zweifellose frag.

M. So sag mir wie liebst du mich?

F. Ich lieb dich, wie eben dich,
Ich lieb dich mein blümelein,
Wie dich selbs mein röselein.

M. Warumb antwortest du nicht,
Ich lieb dich wie mein gesicht?

F. Kan mir mein gesicht lieb sein,
So ein ursach meiner pein?

M. Lieber, wie dan liebst du mich?

F. Ich lieb dich eben wie dich,
Ich lieb dich mein Nymfelein
Wie dich selbs mein Engelein.

M. Lieber, kein gespöt mehr treib,
Sag wie deine sehl und leib.

F. Mein armer leib durch lieb tod,
Hat kein sehl dan angst und noht.

M. So sag sunst, wie liebst du mich?

F. Ich lieb dich eben wie dich,
Ich lieb dich mein Sehlelein,
Wie dich selbs mein tröstelein.

M. Sag nicht mehr eben wie dich,
Sonder ich lieb dich wie mich.

F. Ich haß mich in meinem sin,
Weil ich dir nicht recht lieb bin.

M. So sag doch wie liebst du mich?

F. Ich lieb dich, wie eben dich,
Ich lieb dich mein liebelein,
Wie dich selbs mein lebelein.

Aus: Georg Rudolf Weckherlins Gedichte
Herausgegeben von Hermann Fischer
Gedruckt für den Literarischen Verein in Stuttgart
Tübingen Band 1 (1894) Band 2 (1895)
Band 3 (mit Supplement-Band) 1907 (Band 1 S. 177-178)
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Ulysses und Sirene

Sirene
Kom her, du wehrter Griech kom her,
Woltest du nicht alhie anfahren?
Der Wind und das Möhr toben sehr,
Und alhie kan dich nichts befahren:
Alhie sehen und hören Wir
Der für-schiffenden müh und klagen;
Alhie kanst du frölich mit mir
Alle sorg auß dem hertzen jagen.


Ulysses
Schöne Nymf, wan man durch wollust
Ein großen namen kont erlangen,
So wolt ich deinen mund und brust
(So schön) gern küssen und umbfangen
Aber die müh und nicht die ruh
Kan recht eines mans leben zieren;
Keinem wehrten man steht es zu
Die zeit üppiglich zuverlieren.


Siren
O Ulysses bethör dich nicht,
Das du ein lob bringest zuwegen;
Dan solches ja nur ein gedicht,
Und in andrer leut köpf gelegen;
Auch nur erfunden, unsern muht
Umb frewd und friden zu betriegen,
Und für ruh (unser bestes gut)
Mit müh und streit uns zu vergnüegen.


Ulysses
Gaile Nymf, gesetzt weder lob
Noch geschray wär für uns zufinden,
Wär es doch schlechter Manheit prob
Den lust sich lassen überwinden:
Dan eben nach müh und verdruß
Kan man der ruh besser genüessen;
So kan auch des lusts überfluß
Uns sowol als die müh verdriessen.


Siren
So ist der wollust nu der lohn
Und port, der Euch so lang vexieret;
Den Ihr oft, weil Ihr lang davon
Ihn zu vermehren, gar verlieret:
Mit wollust du abwechßlen must,
Dich allzeit frölich zuerlaben:
Man kan ja so mancherlay lust,
Als vilerlay geschäften haben.


Ulysses
Doch sihet man, das nah und fern
Die Recht-edle der müh nachtrachten,
Und sie (sich damit übend gern)
Als Ihr Ewern wollust hochachten;
Und das sie stehts mit lieb und fraid
Ihrer verrichtungen gedencken,
Dan hingegen mit rew und laid
Die laster leib und sehl bekräncken.


Siren
Das macht allein der falsch argwohn,
Den ein böser gebrauch vermehret,
Der klaidet manche werck mit hohn
Welche doch die Natur selbs ehret.
Unser kampf, gehend ab ohn blut,
Macht weder waisen noch witfrawen:
Und wazu ist doch der welt gut
Der Dapfersten stechen und hawen?


Ulysses
Solcher fleiß, unruh, müh und streit
Seind oft nohtwendig bey den Ständen,
Die die Weiseste köpf allzeit
Der welt zu den besten anwenden;
Indem Sie schand, gewalt und list
Strafen, und das Recht recht verwalten;
Dan der Krieg selbs oft besser ist
Dan mit schand und übel frid-halten.


Siren
Wol, Ulysses, ich kom zu dir,
Weil du ja nicht wilt zu mir kommen;
Und weil dein hertz nicht wirt von mir,
Wirt mein hertz von dir eingenommen:
Zwar ist mein verlust mehr mein pracht,
Dan so ich auch dich thet erwerben;
Dan Schönheit ist allein gemacht
Zu verdörben oder verderben.

Aus: Georg Rudolf Weckherlins Gedichte
Herausgegeben von Hermann Fischer
Gedruckt für den Literarischen Verein in Stuttgart
Tübingen Band 1 (1894) Band 2 (1895)
Band 3 (mit Supplement-Band) 1907 (Band 1 S. 279-282)
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Die Roß

Philodor
Kom, Myrta, der Lieb wohn und wohnung,
Der Schönheit pracht, der Tugent Cron,
Unlangst meiner trew werther wohn,
Ietz meiner wehrten trew belohnung:
Kom, Myrta, dises frülings ruhm,
Und aller blumen schönste blum,
Dich zu mir auff das grün zusötzen;
Daß du dich in der blumen zier,
Daß Ich der blumen zier in dir
Besehend, wir Uns beed ergötzen.


Myrta
Weil Amor nu allein zu gegen,
Der stehts durch deine augen Mich,
Der stehts durch meine augen Dich
Kan allein halten und bewögen:
So will Ich, ja so kan ich nicht
Wendend mein, fliehen dein gesicht;
Sondern der blümelein zu ehren,
Die als stern dises Element
Machen ein blumen-firmament,
Begehr ich dein gesang zu hören.


F.
Solt ich zu singen mich bemühen
Von andern, dan den blümelein,
Die under deiner augen schein
In dir frisch, unverwelcklich blühen?
Die gilg und rosen, die gewiß
Ein wahres blumen paradiß
Auff deinem leib uns mahlen, zwingen
Mich auch, der Natur gunst und kunst
In dir betrachtend, nichts mehr sunst
Dan dich der blumen ruhm zu singen.


M.
Unnöhtig, Lieb, ist dein liebkosen,
Weil wir nu under einem joch;
Wan ich dir dan lieb, so sing doch
Ietzund von diesen süssen Rosen:
Sing von den Rosen, edler schatz,
Und ich will dich mit einem schmatz
(Und nicht zuvor) reichlich belohnen:
Und wie lieb du mir auch, solt du
(Enthaltend deine band in ruh)
Ihn vor zu haben, mir verschonen.


F.
O Rosen, die kein frost kan tödten,
Durch welche ich widrumb gesund;
O Rosen, die den schönsten mund
Und wangen, liebfärblich, beröhten;
Euch Rosenmund, und allein Euch
Gebühret in der Schönheit Reich
Auff der Lieb thron befelch zugeben:
Mir aber Euch, die ihr gleichloß,
Und aller Rosen schönste Roß,
Dienstlich gehorsamend zu leben.

Wie in dem Himmel, so auff erden
Kan nichts (dan deine herrlichkeit)
An schönheit und an süssigkeit
Der Rosen gleich gefunden werden:
Daher dan, wan die Frülings zeit
Die welt zu der Lieb streit und beut
Behertzet, und das erdreich zieret,
Erhebet sich die Roß mit wohn,
Allda, weil Sie der blumen Cron,
Sie under allen triumfieret.

Die Morgenröhtin, new geboren,
Der Sonnen kind, von thränen nassz,
Doch schmollend, bald durch lieb und hassz
Von ihr verfolget und verloren,
Wan sie sich will mit höchstem pracht
Und in der newest schönsten tracht
Beklaiden, muß sie alle morgen,
Sich zu beschönen, zwar ohn scham,
Auß dem lieblichen Rosen-kram
All ihre anstreich-färblein borgen.

Dan früh alßbald wir nur erwachen
Und für dem jungen Sonnenglantz
Die stern uns ihren schein und dantz
Verbergen, und unsichtbar machen:
Mit lieblichen pomp und geruch
Gleichsam des Blumen-tags anbruch,
Die Roß, den Lufft und uns ergötzet,
Und uns des himmels frische ehr,
Als ob sie himmelisch selbs wer,
Mit wunder für die augen sötzet.

Der rohte morgen, muß verblaichen
(Verliebet) ab der Rosen Zier,
Und küssend lasset er auff ihr
Der süssen küssen feuchte Zaichen:
Verbuhlet auch der Lufft und Wind,
Durch lieb und eyfer taub und blind,
Mit ihr offt ihre küssz vermischen,
Und (frech) sich selbs und andre auch
Mit ihrem gleichsam süssen rauch
Zu mahl erfrewen und erfrischen.

Alßbald entknöpfend Sie auffstehet
Auß ihrem läger grün und new,
Alßbald Sie immer frisch und frey
Als eine kleine Sonn auffgehet:
Da sihet man sie bald von zorn
(Beschützet zwar von manchem dorn
So ihre quardy wol zu nennen)
Warnemend daß ihr, wie dem gold
Schier iederman gefährlich hold,
Schamroht und züchtig gleichsam brennen.

In ihrem ursprung war vorzeitten
Die Roß so weissz, daß mit ihr kaum
Des schnellen wassers frischer schaum
Noch auch des Morgens frost könt streitten;
Noch könt des silbers purer schein,
Der Milchrohn, noch das helfenbein,
Bey ihrer weissin wol bestehen:
Ja, weisser war die süsse Roß
Dan auff der kalten erden schoß
Der new-gefalne schnee zu sehen.

Als aber Venus hie auff erden
Durch ihrer schönheit gegenwart,
Mit ihren brüstlein zart und hart,
Mit hertz-entzündenden geberden,
Mit seel-ergründend süsser gunst,
Mit gaist-verblindend gailer kunst,
Mit küssen Nectar-gleich befeuchtet,
Mit ihrer augen liebem glantz,
Mit frölich-müdend-jungem dantz
Das volck bereichet und erleuchtet:

Da sah man sich die menschen naigen,
Und (lieb zu sein) auff alle weiß
Sich freindlich, höflich, sitsam, weyß,
Auch wacker, statlich, kühn erzaigen:
Bald sah man dise fro auß lieb,
Und durch lieb jene kranck und trüeb;
Die eine sah man, ihre schmertzen
Beklagend, ohn trost, hofnung, hail:
Und andre frisch, kurtzweilig, gail,
Sich hertzend, mit einander schertzen.

Die Göttin selbs, sich zuergötzen,
Zog mit Adonis, der ihr hertz,
Ihr kurtzweil, wollust, schimpff und schertz,
Hinauß zu jagen und zu hötzen:
Ohn schew, damit Sie ihre brunst
Möcht dämpfen durch des Jägers gunst,
Sah man Sie netz und garn auffstöllen,
Nicht wegen eines thiers gewin,
Sondern vilmehr begihrig ihn
Darnach in ihre arm zu föllen.

Einmahl, als Sie ihm nach zu lauffen
Zu hitzig und unachtsam war,
Und ließ die höcken ihre haar,
Die stauden das gewand hinrauffen;
Daher ein iedes laub, graß, kraut,
Ast und gewächs, ihr schöne haut
Zu küssen, gleichsam ein verlangen:
Da dörft sich auch ein Rosenstock
Sich wagen under ihren rock,
Und sie zu fangen underfangen.

Alßbald sich da die Roß ergötzet
Berührend ihren weissern fuß,
So bald mit beeder seits verdruß
Ein dorn ihr zartes fleisch verlötzet:
Die Göttin zugleich blaich und wund,
Und roht die Roß wurd zu der stund;
Die Rosen und der Göttin wangen;
Schamroht ab ihrem Rosen-blut,
Zu mahl mit newem pracht und gut
Bald wider mit einander prangen.

Dan Venus war bald wol vernüget,
Und achtet wenig ihrer pein,
Als ihres bluts schamrother schein
Sich lieblich auff die Roß verfüget:
Und daß man der Roß süssigkeit,
Durch ihr götliche lieblichkeit
Vermehret, möchte höher schätzen,
Verlyh sie ihr der Schönheit krafft,
Des edlen geruchs aigenschafft
Mit hundert taussent süssen schmätzen.

Dich (sprechend) will ich nu bestöllen
Als meine blum, der erden ehr,
Mit dir soll sich die Schönheit mehr
Dan sunst mit keiner blum gesöllen:
Du bist fürhin der blumen Cron,
Und der Liebhaber erster lohn,
Die gröste zier in einem garten,
Mit dir die schönheit zieret sich,
Und du, wie die Schönheit auff dich,
Solt auff die Schönheit allzeit warten.

Der Nymfen süsser mund und wangen
Und ihre glaich, an schönheit reich,
Die sollen sein den Rosen gleich,
Ja sollen mit den Rosen prangen:
Losieren sie dan auff die brust
Dich, süsse Roß, solt du den lust
Durch eines Buhlers augen baitzen;
Und bald mit deinem falschen brand
Sein schnöd-gekützlet-gaile hand
Zu einem falschen griff anraitzen.

Dergleichen würckung solt du haben,
Wan eine Nymff dich auff ihr haar
Solt stöcken: dan du solt, wie klar
Auch solches gold, das aug erlaben:
Ein zarte hand, ein grüner krantz
Soll deine süssigkeit und glantz,
Wie du die ihrige, vermehren:
Ja, möniglich, alt, jung, klein, groß,
Gesund und kranck, soll dich, O Roß,
Stehts lieben, loben, und begehren.


Myrta
Mein Schatz, der mich, den ich erkoren,
Wie schnell doch hat sich dein gesang
Der Rosen frischheit, und der gang
Dieses so schönen tags verlohren?
Ein end hat dein lied und der tag,
Die Roß ist welck. Wie kan, wie mag
Sich rühmen doch der Mensch bedencklich?
Wan seine kunst, wollust, lob, ruhm,
Und Schönheit, wie ein zarte blum,
Nicht wehrhafft, sondern schnell zergänglich?


Philodor
Wan dan die jahr, die tag, die stunden,
Wan alle menschen, alle ding,
Wie immer köstlich und gering,
Von der zeit werden überwunden:
Wan unser leben, frewd und glick,
So leicht in einem augenblick
Kan ändern, oder muß verfliessen:
Warumb, mein edles hertz und seel,
Solt ich ohn allen weittern fehl
Nicht deiner Rosen bald geniessen?

Aus: Georg Rudolf Weckherlins Gedichte
Herausgegeben von Hermann Fischer
Gedruckt für den Literarischen Verein in Stuttgart
Tübingen Band 1 (1894) Band 2 (1895)
Band 3 (mit Supplement-Band) 1907
(Band 1 S. 483-490)
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Eine Eclog oder Hürten gedicht

Der Schäfer Filodor hat schon durch seine tugent,
Durch seine lieb und trew, die ehr und lehr der jugent,
Der Lieblichkeit gestirn, der holdseeligkeit blum,
Der Zucht und Keuschheit form, und aller Schönheit Ruhm,
Der Insul Albion wohn und Cron so bewöget,
Daß andrer Schäfer dienst und lieb sie beygelöget:
Und wie Er, Dein bin Ich, O Myrta, ihr zuvor,
So sagte Sie nun ihm, Dein bin Ich, Filodor,
Als Er mit Corydon, den Cloris hielt gefangen
In ihrer haaren strick, zu ihnen kam gegangen.
Daher, als Myrta nu und Filodor mit lust
Empfunden gleiche hitz und lieb in ihrer brust,
(Wie Cloris anders thails wolt, stoltz und hart, eh sterben,
Dan daß Er Corydon solt ihre huld erwerben)
Sprach Myrta, Filodor, gantz glicklich ist dein gang,
Dieweil (wie Ich verhoff) du uns nu ein gesang
Mit Corydon, der auch wol singen kan, wilt lehren.
Er, der nichts dan was Sie begehret, kan begehren,
Beredet Corydon, der von dem angesicht,
Darinnen seine sehl, sich kan abwenden nicht,
Sich zu den Nymfelein mit ihm alßbald zusötzen,
Und (wan es möglich wer) Sie und sich zuergötzen.
Da alßdan Filodor auß grosser lieb und fraid,
Da alßdan Corydon auß grosser lieb und layd,
Durch ein schier gleiches lied, doch mit ungleichem wille
Fieng an auff dise weiß der Myrt bit zu erfillen:


Filodor
O Zartes Liebelein,
O süsses Diebelein,
Dein hertz thut sich erwaichen,
Ich mag nicht mehr verblaichen
Durch hofnung-lose pein.
Darumb so laß uns hören
Wie meiner Liebe lehr,
Wie deiner Schönheit ehr
Die Wäld und Feld vermehren.


Corydon
O Du Cometen schein,
O harter Kiselstein,
Nichts kan dein hertz erwaichen,
Und Ich muß tods verblaichen
Durch hofnung-lose pein:
Darumb so laß uns hören
Wie meiner schmertzen ehr,
Und deiner Rawheit lehr
Die Wald und Feld vermehren.


Filodor
Hör, wie der Widerhall,
Hör, wie die Nachtigall
(Als die die Lieb auch fihlen)
Von deiner Schönheit spihlen
Mit zwitzerendem schall:
Hör, mit wie süssem singen
Die prächtig-süsse macht,
Den mächtig-süssen pracht
Der Lieb Sie uns fürbringen!


Corydon
Hör, wie der widerhall,
Hör, wie die Nachtigall
Von deinem hochmuht spihlen,
Bezeugend das sie fihlen
Mein schweres layd und fall:
Hör, wie wir beed sie zwingen,
Mir, der verzweiflung macht,
Dir, der grewlichkeit pracht
Beklagend, für zubringen!


Filodor
Schaw, Lieb, wie diser Fluß
Mit rauschendem außguß
Die macht der lieb bekennet;
Und weil er auß lieb brennet
Fort rauschet ohn verdruß:
Schaw wie sein sanfftes rauschen
Vermehrend seine brunst,
Begehrend deine gunst,
Wolt auch gern küß vertauschen.


Corydon
Schaw, Cloris, wie der Fluß
Durch meiner Zeher guß
Zunehmend, dir bekennet
Das wider dich er brennet
Und rauschet von verdruß:
Schaw wie sein starckes rauschen
Versuchend meine brunst
Versuchend deine kunst
Wolt gern sein layd vertauschen.


Filodor
Sih, wie frey dise schaf
Von aller forcht und straf
Ab deiner jugent Mayen
Und Schönheit sich erfrewen
Mehr dan durch wayd und schlaf:
Hör, wie die Lämblein blöcken,
Und jauchtzen auß wollust,
Daß deine tritt die blust
Und blumen hie erwöcken.


Corydon
Sih, wie schnell dise schaf
Durch deiner Rawheit straf,
Durch deiner anblick tröwen
Sich fliehend selbs zerströwen
Von ihrer wayd und schlaf:
Hör wie die Lämblein blöcken
Und klagen auß unlust,
Weil der schnee deiner brust
Und deine blick sie schröcken.


Filodor
Damit wir nu die Zeit
Nach langem layd und streit
Mit lieb und lust vertreiben;
So wil ich, Myrta, schreiben
Die Zeugnus unsrer beut:
All mein layd ist gestorben,
Weil der Lieb süssen lohn,
Die süsse Myrten Cron,
Ich Filodor erworben.


Corydon
Weil Ich nicht mehr die Zeit
Nach langem layd und streit
Verzweiflend kan vertreiben,
So muß Ich, Cloris, schreiben
Die zeugnuß meiner beut;
Dieweil ich nichts erworben
Von Euch dan hassz zu lohn,
Bin Ich hie Corydon
Auß lieb und layd gestorben.

Alßdan der arme Hürt, beschliessend seinen mund,
Sunck mit dem haupt gantz blaich und sprachloß zu dem grund;
Als Cloris solches sah, wolt sie gar nicht verziehen,
Sondern fieng an davon, schnell wie ein Reh, zu fliehen,
So voll zorn, stoltz und hassz, Als Sie den Filodor
Und seine Myrt verliessz, voll lieb und lust zuvor,
Und voll verwundrung ietz, und als voll des tods zaichen
Sie sahen Corydon auß lieb und layd verblaichen,
Und sterben, wa sie nicht mit fleiß, mit trost, mit macht,
In seinen schwachen leib den gaist zu ruck gebracht.

Aus: Georg Rudolf Weckherlins Gedichte
Herausgegeben von Hermann Fischer
Gedruckt für den Literarischen Verein in Stuttgart
Tübingen Band 1 (1894) Band 2 (1895)
Band 3 (mit Supplement-Band) 1907 (Band 1 S. 457-461)
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Die andere Eclog, oder Hürten Gedicht
Von der Frühlings Zeit
Filodor. Myrta. Lucidor

Der Sonnen widerkunft, verkürtzend der Nacht-stunden,
Hat schon der Erden hertz erwaichend überwunden;
Ihr sanft und warmer Leib, ihr Angesicht und Schoß
War nicht mehr wie unlangst schier lust-liecht- und lieb-loß;
Ihr trawrkleyd, weisser sturtz und schlör war abgelöget,
Die hügel ihrer brust seind schon durch lieb bewöget:
Ihr leyd, kaltsinnigkeit und trawren war dahin,
Und sie hat einer Braut und jungen Witwin sin:
Darumb ihr gailer leib, schon umb und umb gezieret,
In einem bunten kleyd schön, jung und frisch prachtieret.
Den Rock den sie antrug hat der April kunstreich,
Dem in der weitten Welt kein Seyden-sticker gleich,
Mit hilf der Natur selbs so künstlich übersticket,
Daß frölich sich darab ein iedes aug erquicket.
Hie mahlet die Natur Violen, Ehrenpreiß,
Ie länger ie lieber, braun und blaw auf manche weiß,
Die scheinen frisch und klar als einer schönheit augen.
Dort andre blümelein für gelbe haar wol taugen,
Liebstöckel, haanenfuß, weid, schwertel, ringelblum;
Hie scheinet schön herfür der blumen Sonn und Ruhm,
Maßlieb und sammetroß, damit der Nymfen wangen,
Elnbog und leftzen selbs, das hertz entzündend, prangen:
Dort Gilgen, Augentrost, Narciß, Vergiß mein nicht,
Und andre blümlein mehr, die (weiß) ihr angesicht,
Kehl, brust und gantzen leib uns gleichsam sehen machen.
Zerstrewet hin und her mehr schöne blumen lachen
Uns an, und zwitzern recht, als ob durch ihren schein,
Den Sternen gleich, die erd nu solt ein himmel sein.
Doch weil verzucket ich beschaw und wol betrachtet
Der Erden Herrlichkeit und wunderreichen Pracht,
Erhör ich umb mich her vil Vögelein süß singen,
Und mit den stimlein klar uns zubekennen zwingen,
Das keines Menschen stim, wind- oder saitten-spihl
Erraichen kan, wie sie, der besten musick zihl.
Die Schwalb gleich als ein pfeil schnell ob den fluß herflieget,
Und widrumb sich zu ruck in ihr gebäw verfüget,
Welches sie bawet selbs so artlich, starck und dicht
Daß des Bawmeisters kunst es kont verbessern nicht.
Die Zeisel, Hänfling, Finck und Stiglitz zugleich preisen,
Die süsse früling-zeit mit irem pfeif und pfeisen;
Iedoch vil lieblicher und mit vil süsserm schall
Erwöcket unsre Frewd die liebe Nachtigall,
Mit Lieb, Kunst und Inbrunst frey, fro und frisch sie pfeiffet,
Ihr Lied mit lieblichkeit wider- und über-haüffet,
Und forschend fordert auß, wer gleichen thon und wohn
Nach ihr erschöpfen kan, nicht zweiflend daß schon schon
Der sig, gebührend ir, ihr billich zuzuschreiben.
Doch andre Vögelein gar nicht stillschweigend bleiben:
Sondern ein iegliches in seiner art mit lust
Ergürgelet sein Lied auß seiner edlen brust;
Also daß überal nach iedes wunsch und willen
Die Vögelein, das Land, die Blümelein ihm fillen
Das ohr, das aug, die naß, ohn allen widerspruch
Gantz lieblich mit der stim, der schönheit, dem geruch.
Die lüftlein selbs auß lust allein zuspihlen wehen,
Und alles umb und umb ist lieblich anzusehen,
Ja, das trewlose meer ist nu so glat und klar
Daß es recht spiegel gleich, und ietz nicht wanckelbar,
Der erden grünen schmuck uns auch für augen stellet.
Daher dan Filodor, mit seiner Nymf gesellet,
Sprach; Myrta, diser ort und schöne früling-zeit
Berufen uns zugleich, daß wir mit liebem streit
Des Lentzen Lieblichkeit, weil ihrer wir geniessen,
Mit einem lobgesang hie danckbarlich außgiessen:
So mach nu, Myrta, du mit deinem süssen mund
Des Frülings und dein Lob den Elementen kund,
Und unser freind alßbald mit ewigen buchstaben
Soll es der Bäumen rind, der Felsen stein eingraben.
Ja gern, antwortet sie, wan, liebster Filodor,
Du selbs, der du nach wunsch ein iedes hertz und ohr
Mit deiner stim und kunst berührest und regierest,
In disem Lob-lied mir vorsingend, mich anführest.
Wolan, sprach Filodor, O deren will mein will,
Setz dich nur hie zu mir, daß weil nu alles still
Ich dise frülings zeit zu loben mög anfangen,
Du aber nach verdienst lob , preiß und danck erlangen.
Darauf dan Er und Sie, als ob sie nur ein hertz,
Erhuben dises lied mit süssem ernst und schertz.


Filodor
O süsse frülings zeit wer kan dein lob verhälen?
Du bist der blumen führerin,
Der liebelein furiererin,
Du bist der hertzen Lust, du bist der Trost der Sehlen.


Myrta
Wer kan, O frülings zeit dein lob doch gnug erschallen?
Du bist des frosts erwaicherin,
Du bist des lufts beräucherin,
Der jahren morgenröht, der menschen wolgefallen.


Filodor
O süsse frülingzeit wer solt dein lob verhälen?
Du bist der lieb entzünderin,
Und des wollusts erfünderin,
Du bist der hertzen frewd, du bist der trost der Sehlen.


Myrta
Wer kan O Frülingzeit dein lob wol gnug erschallen?
Du bist der erden mahlerin,
Und der begird bezahlerin,
Der jahren morgenröht, und der welt wolgefallen.


Filodor
O süsse frülingzeit, wer kan dein lob verhälen?
Du bist der Sehlen lehrerin,
Du bist der welt vermehrerin,
Du bist der hertzen lust, du bist der trost der Sehlen.


Myrta
Wer kan O frülings zeit dein lob doch gnug erschallen?
Du bist des leyds zerstörerin,
Du bist der frewd gebährerin,
Der jaren morgenröht, der menschen wolgefallen.


Filodor
O liebe frülings zeit, wer solt dein lob verhälen?
Du bist des wollusts dichterin,
Und der gesellschaft richterin,
Du bist der hertzen lust, du bist der trost der Sehlen.


Myrta
Wer kan O frülingzeit dein lob wol gnug erschallen?
Du bist der reichen nöhrerin
Der armen muht-beschörerin,
Der jahrzeit morgenröht, der menschen wolgefallen.


Filodor
Du süsse frülingzeit wer solt dein lob verhälen?
Du bist des leyds erlaberin,
Du bist der witz begaberin,
Du bist der hertzen lust, du bist der trost der Sehlen.


Myrta
Wer kan, O frülingzeit, dein lob wol gnug erschallen?
Du bist der jugent Pflegerin,
Du bist des alters Trägerin,
Der jahren morgenröht, der menschen wolgefallen.


Filodor
O süsse frülings zeit, wer kan dein lob verhälen?
Du bist der starcken merckerin,
Du bist der schwachen stärckerin,
Du bist der hertzen lust, du bist der trost der Sehlen.


Myrta
Wer kan, O frülings zeit dein lob doch gnug erschallen?
Du bist des Leibs Urtheilerin,
Du bist der Krancken Heylerin,
Der jahren Morgenröht, der Menschen wolgefallen.


Lucidor
Und sovil dises Lieds, so dises edle paar,
Mit ihrer Lieb das Lob des Frülings offenbar
Zumachen, muhtiglich einander nach ließ hören,
Und himmel, erden, meer und luft damit wolt ehren,
Hab ich verzeichnet bald in der Gedechtnus schrein,
Auf die rind manchen baums, und manchen felsens stein:
Dan Himmel, Meer, Luft, Erd es selbs mit lust gehöret
Und sydher auch ihr Lied, Lob und Lieb hoch vermehret.

Aus: Georg Rudolf Weckherlins Gedichte
Herausgegeben von Hermann Fischer
Gedruckt für den Literarischen Verein in Stuttgart
Tübingen Band 1 (1894) Band 2 (1895)
Band 3 (mit Supplement-Band) 1907 (Band 2 S. 371-376)
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Die dritte Eclog von dem Summer
Lucidor. Corydon. Cloris

Lucidor
Das himmelische Liecht mit seinen klaren strahlen,
Die alle feuchtigkeit dem Luft und Erdreich stahlen,
Hat dises erdreich schon erhitzet durch und durch,
Daß es sich spaltend selbs in manche frembde furch
(Zwar mit Frucht überal beschönet und gekrönet)
Von übergroßer hitz und durst hin und her gönet.
Das Obs hieng lieblich noch an seiner Muter brust,
Doch schmollet gleichsam es, als ob es einen lust
Herab von seinem baum (den Menschen zugefallen)
In eines Knaben hand und Mädleins schoß zufallen:
Und andre zeigen sich sehr blaich, gelb oder roht,
Als voll sorg, forcht und scham von wegen naher noth.
Mit ihren Sänßen scharpf die Meeder förtig stehen,
Und biegend sich das Graß fein ordendlich abmehen;
Dan folgen andre nach, die es mit Gablen krumb
Und mit der Rechen stihl zuströwen umb und umb,
Biß daß, alßbald es dirr, sie manchen heyschock machen,
Darauf ein jüngling bald, nicht ohn gailhafftes lachen,
Erhaschet eine Nymf, da dan halb-nackend sie
Mit küssen trösten beed ihr grosse hitz, schweiß, müh:
Dan kompt der Meyer her, die zeit nicht zu verlieren
Und auf dem wagen bald das Hey nach hauß zuführen.
Dort stehet in dem feld in blaich und gelber farb,
Gleich einem Lantzen-Heer manch zitterende Garb:
Hie schimmert noch das Korn voll ähren die sich naigen,
Und niderträchtig sich, weil sie fruchtreich, erzaigen:
Doch blaichlecht zittert es, als ob ihm angst und bang
Zu diser zeit der Ernd für aller Schnitter zwang,
Und für der Sichlen zähn. Da thut man es schon schneiden,
Dort garbet man es auf, und bindet es mit weyden.
Schier ohn luft wehet nun ein schwaches Lüftelein,
Schäckechtig schwebet umb das zart zweyfälterlein,
Die Wesp, Hürnuß und Bihn, mehr die Heyachreck und Grillen
Mit saußendem Gethöß den heissen Luft erfillen:
Es ist so schwüllig heiß, daß leichtlich arm und reich
Ohn Kleyder konten sein einander nackent gleich;
Auch schwimmen in dem fluß die Hürten nach den fischen,
(Die für sie zu geschwind) und sich nach lust erfrischen.
Dort, wan man sehen kont, wär es ein grosse gnad,
Manch weiß und zarte Nymf in hellem bach und bad.
Damahls auch Corydon, der nu zugleich empfindet
Des Tags und der Lieb hitz (doch mehr mit lieb entzündet
Dan von der Sonnen brunst) kam zu dem kühlen Ort,
Ort! ja. Iedoch vilmehr zu seiner hofnung Port,
Nicht weit von einem Forst, dahin mit höchsten frewden
Von seiner Cloris Er zu kommen war beschaiden.
Der Ort wer eine Höl, schier einer kammer gleich,
Mit grünem graß und moß, als einem Teppich reich,
Mit kräutlein, blümlein, klee und eppich frisch gesticket,
Und einer quellen hell in einem eck beglicket;
Ein grünendes gestäud dadurch das wasser floß
Mit rauschendem getöß, den Ort rings umb beschloß,
Und dan manch hoher baum den selben überschattet,
Und des Tags hitz und liecht niemahls hinein gestattet.
Da sich nu Corydon, von der hitz ungemach
Zufreyhen, nackend auch verfüget in den bach,
Sah Er bald (O gesicht, das ihn wol möcht verzucken!)
Sein Liebste Cloris sich gantz in das wasser ducken;
Sie ducket sich, und wolt sein geitziges gesicht
Solt nicht entdöcken gantz, was doch das wasser nicht
Wolt, noch kont seinem aug und seinem gaist verhälen,
Die, damit die begird zu sättigen, sich quählen.
Dan under dem Cristall des wassers hell und klar
Erzeiget sich mit pracht ihr Leib recht wahr und bahr.
O Englisch-schöner Leib! O frische Gilg und Rosen!
Die sich vermischend selbs einander stehts liebkosen!
O schöne Marber-arm! O zarte zwilling brust!
O wärtzlein Erdbör-gleich! O unerhörter lust,
Den zwischen den Berglein Milch-gleichen weeg zusehen!
O alles schön und rein, doch hie nicht zu verstehen!
Geh, Corydon, geh weg, sprach Cloris, geh hinein,
Und ich versprich, hertzlieb, ich will stracks bey dir sein.
Also geschah es auch. Einander nach sie kamen,
Und satzten in der höl mit frewden sich zusamen;
Da sie bald sprach: daß uns der Sommer nicht sey schwer,
So laß uns singen gleich ein Lied zu seiner ehr
Ja, sprach Er, küssend sie mit lieblichem verlangen,
Sing du mir, Lieb, nur nach. Und hat gleich angefangen.


Corydon
An disem frischen Ort, so lieblich, grün und rein,
Daß wol für ein Gemach kont taugen,
Da wir frey von der Eyfrer augen,
Frey von des Sommers hitz, frey von der Sonnen schein;
Weil wir ja gantz allein,
So laß nu Cloris uns auch mit einander schwätzelen,
So laß uns nun und dan, hertzlieb, einander schmätzelen.


Cloris
Wir fliehen, Corydon, der Sonnen glantz und hitz,
Uns in dem schatten zu erquicken:
Doch wan mit widrigen anblicken,
Die Lieb (uns brennend mehr) durchdringet die Fürwitz
Mit ihrem stärckern plitz,
So laß uns zur Arzney lieb-augelend anblickelen,
Daß ich mich mög in dir, du dich in mir erquickelen.


Corydon
Durch deiner augen schein, durch deiner blicken glantz
Die alle sehlen stracks durch dringen,
Die alle sehlen stracks bezwingen,
Gewinnet Amor dir, auß solcher schönen schantz
Der schönheit Ruhm und Krantz:
Wie seelig bin ich dan dich an-zu-äugelen,
Daß dein milchweisse brust und rohter mund mich säugelen!


Cloris
Wie seelig bin dan ich, daß ich mit gutem fug
In deinen augen, die Mich nöhren
Mit lieb, und der lieb leyd verzöhren
Mich nach lust spieglen darf, und nu kan ohn betrug
Aufhalten ihren flug:
Und daß den Täublein gleich wir nun einander schnabelen,
Mit küssen Nectar-gleich begabelen, erlabelen!


Corydon
Nun lernen wir erst recht der wahren Lieb gesatz,
Indem wir beed einander lehren,
Und der lieb früchten uns gewehren,
Verwechßlend Küß für Küß, und gebend schmatz umb schmatz,
Daß ein des andern schatz,
Wan wir geliebet uns und liebend zugleich hertzelen,
Und mit einander mehr verliebelet mehr scherzelen.


Cloris
Vollkomne lieb und gunst, doch so vollkommen nicht,
Wan wir uns in die arm beschliessen,
Und aller süssen frewd geniessen,
Daß uns dan manglen solt des Geists und Munds bericht
Und des lieb-liechts gesicht!
Daß der Lust dunckel wirt, indem wir müssen winckelen,
Wan auß des andern Mund wir der lieb-Nectar drinckelen.


Corydon
O klar, lieb-reicher tag! fruchtreiche Sommers zeit!
Die uns die beste gunst erweisen,
Die uns mit köstlichster kost speisen,
Die uns gewehren nun nach langem leyd und streit,
Der süssesten lieb beut!
Erlaubend uns (O frewd!) zu juckelen, zu schmuckelen,
Und (ach! schweig mund, sag nicht) brust auf brust zu druckelen.


Cloris
Gleichwie das Epphew grün den baum jung oder alt,
Gleichwie die liebend-gaile Reben,
Den Pfal und auch sich selbs umbgeben:
So lieb und halt mich hoch, wie ich dich lieb und halt
Mit lieb- und lusts-gewalt.
Ich weiß nicht was, wa, wie, indem ich understützelet
Mit meinem deinen mund, mich kützelet und kritzelet.


Corydon
Wie ein zweyfalterlein, flieg oder mücklein sich
In dem liecht und gedranck verlieret,
Durch den glantz und das süß verführet:
Also seind willig wir, also erfrew ich mich,
Und du bist fro auch dich,
Weil deine haar, hertzlieb, mein hertz und sehl verstrickelen,
In unsrer armen band umb und umb zuverwickelen.


Cloris
Wolan es ist nu gnug. Ade mein liebstes hertz,
Der tag und die hitz seind vergangen,
Doch wehret noch stehts das verlangen,
Daß in uns gleiche Lieb und des Abwesens schmertz
Ernöhret diser schertz:
Darumb so müssen wir, ihn niemahl lang zu misselen,
Zusamen kommend gern, einander täglich küsselen.


Lucidor
Hiemit gehorsamend der kühlen abend-stund
Beschlossen (küssend) sie das ein des andern mund,
Und zugleich ihr gesang: sie küssen so geflissen
Als ob einander sie nicht gnugsam konten küssen.
Doch endlich schaiden sie (dieweil es ja sein muß)
Mit hofnung und verspruch zu lindern den verdruß
Des schaidens, sich so oft als möglich zu enttrüben,
Und sich beständiglich und ewiglich zu lieben.

Aus: Georg Rudolf Weckherlins Gedichte
Herausgegeben von Hermann Fischer
Gedruckt für den Literarischen Verein in Stuttgart
Tübingen Band 1 (1894) Band 2 (1895)
Band 3 (mit Supplement-Band) 1907
(Band 2 S. 376-381)
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Die vierte Eclog von der Herbst zeit
Corydon. Florido. Marina. etc.

Corydon
Längst in der Hewbarn lag die dürre Graß-geburt,
Der Ackern gelbes haar war auch längst abgeschoren,
Der Bäumen Frucht und Obs lag sicher auf der hurt,
Und mancher baum hat schon sein laub wol halb verloren.
Der Weinstock, dessen frucht ist aller hertzen krafft,
Mit trauben weiß und schwartz gantz reif war wol gezieret;
Und das Volck sehnend sich, den edlen Rebensafft,
Zusamblen, als davon schon Weinreich, jubilieret.
Mit straichen dick und schwer, mit weyd und bürcken rund,
Die küeffer höbend auf die klüpfel hoch, sich finden
Mit maaß, mit müh, mit macht starck umb und umb zur stund
Die Bütten, Züber, Faß und herbst-geschirr zubinden.
Auch in den Keltern schon, die nun in gutem stand,
Mit sanft und frischem luft durchwehet, offen stehen,
Kan man den Kelter-baum, die wind-stang, Schraub, wein-stand,
Die Bracken, Düelen, Büet, und alles sauber sehen.
Alt und jung, Man und Fraw, der Leser grosser hauf,
Indem die häplein sie zu wetzen sich bemühen,
Mit kübeln, körblein, zain und butten warten auf
Nach dem früh-stuck nu mehr zu lesen auß zu ziehen.
Die Sackpfeif und Schalmey mit ihrem hellen spihl
(Gefallend wunderlich der jugent jungem willen)
Wie dise mit geschrey und jauchtzen übervil
Und lauttem widerhal die lüft und ohren fillen.
Folgend den Pfeiffern nach mit frewden kommen sie
Bald in den Weinberg hin, da lassen sie ihr wesen,
Und fangen alßbald an mit angenehmer müh
Fein ordenlich zugleich die Trauben abzulesen.
Die Glefener schwartz braun, und die Gutedle weiß,
Die Muscateller gelb, Gänßfüsser und Treutschtrauben,
Und die Traminer roht, mit schmollend-süssem fleiß
Den Lesern gleichsam sich auf opfern abzuklauben.
Die buttenträger bald seind hinder ihnen her,
Und mit den britschen sie zufleiß und frewd ermundern;
Die laden sie (zu danck) so bald so oft und schwer,
Daß auch die Tretter sich ab ihrem ernst verwundern.
Damahls kont Florido, der frembd verliebte hürt
Die schön lieb-reiche Nymf, Marina, kommen sehen,
Und weil ein augenblick ihm als ein tag lang wirt,
So wolt er heimlich ihr alßbald entgegen gehen.
Nach ihrer beeder wunsch in einer halden grün,
Mit manchem Pfersichbaum und Epphew überschattet,
Umbfieng sie ihn, er sie, und sprach (durch lieb was khün)
Von hinnen wirt dir, lieb, zuschaiden nicht gestattet.
Zu schaiden? sprach sie, nein. Gleichwie ein klarer tag
Nach einer langen nacht sich lieblicher erzeiget,
Und wie bequem der Trost sich reymet auf die Klag:
Also hab ich ietz dich mit voller lieb eräuget.
Gleichwie nach starckem sturm, antwortet er alßbald,
Die Schifleut frölicher sich in den Port begeben:
Also erquicket ietz dein Götliche gestalt,
Marina, Schön und Frisch, mein unlangst trübes, leben.
Wolan dan, Florido (sie wider zu ihm sprach)
Weil durch der lieb gunst wir nu nach begird genesen,
So laß du mir, ich bit, und ich laß dir nichts nach,
In dem wir der Lieb frucht, wie andre Trauben, lesen.
Ach! widerholet er, wie schön ist dise Frucht,
Ist der Herbst-Pfersich nicht dick, rohtlecht, halb-gespalten?
Daß schawend ihn nur an empfind ich die Liebsucht,
Und wünsch alßbald von dir, du weist was, zuerhalten.
Ha! Sprach sie, Mein Hertzlieb, du fihlest was ich fihl;
Doch wilt du deinen Zweck zutreffen artlich zihlen,
So kom her, sing ein Lied, sing und dan kiß und spihl,
Und dan will ich mit dir auch singen, kissen, spihlen.


Florido
Kom her, mein süsses Liebelein,
Nach unsrer langen pein uns wider zuerholen,
Und weil du mir mein hertz (mein hertz) schon längst gestolen,
Du Liebstes Hertzen-diebelein,
So laß zu küssen uns einander hart umbfangen,
So laß nu hertzend uns, uns küssen nach verlangen.


Marina
Nim dises süsse schmätzelein,
Der du Mir, wie ich dir durch Lieb das Hertz entführet,
Daß nun in dir mein Hertz, dein Hertz in mir regieret,
O mein kleinot und schätzelein:
Laß küssend uns zugleich uns nu mit lieb beleben,
Daß unser mund, brust, hertz, auf mund, brust, hertz hart kleben.


Florido
Ein Kuß von deinem Mündelein
O meiner Sehlen Sehl mich durch und durch besehlet;
Auch werden unsre schmätz vermischet und vermehlet,
Und unsrer augen Kindelein
Erzeigend widrig sich seind einiglich geflissen
Ein ander süssiglich zu küssen, wie wir küssen.


Marina
Wie köstlich seind die Küsselein
Die küssend sich zugleich ein Mund dem andern raichet!
Und deren süssigkeit die hertzen gantz erwaichet
Mit küzlend-scharpfen Büsselein;
Daß in der lieb-krieg sie allein mit küssen kämpfen,
Und lieb-verwundend-wund zugleich einander dämpfen.


Florido
So laß uns nu mein Engelein
Ernewern unsern streit mit schertzen, hertzen, schmätzen;
Weil alles was du hast nicht thewer gnug zuschätzen,
So küß ich nu dein Wängelein;
Von dannen fahr ich fort, und laß nichts unergründet,
Weil der Lieb-fackel uns nu beederseits entzindet.


Marina
O meines hertzens Rhümelein,
So starck als der Epphew den Baum, will ich dich halten,
Daß wir mit gleicher frewd der lieb und lust nu walten;
Die Bäum und Blümelein
Die werden jährlich gern mit küssendem stillschweigen
Die liebliche lieb-frucht, die wir genossen, zeugen.


Corydon
Ihr süsses lied und spihl (den Buhlern niemahls lang)
Ob es schon abend war, hät noch kaum aufgehöret,
Wan, küssend noch, sie nicht der leser spihl, gesang,
Laut-jauchsen und geschrey mit lieb und leyd erhöret.
Aufspringet Florido, und nemend bey der hand,
Die schönheit, die (liebreich) sein hertz und sehl regieret,
Und ihm nu leuchtet heimb durch ihrer augen brand,
Hat Er sie dem Volck nach, den Keltern zu, geführet.
Hie krachet der Herbst-karch, under dem vollen faß,
Da mit getrettnem safft die leut die bütten fillen:
Dort lasset man schon ab, da man auß dem vorlaß
Erfrischet mit dem most den mund und den muhtwillen.
Hie tragen andre schon die Tröber in die Tret
(Die newlich an dem stock man lachen sah und scheinen)
Da man sie zwinget dan, gleichsamb auf dem Todbeth,
Mit allem Safft und Krafft ihr leztes auß zu weinen.
Hie, daß man leichtlich mög die züber durch den schlauch
Außlehren in das faß, seind noch die keller offen:
Dort fillet man dem faß durch Trechter seinen bauch,
Vil werden von dem dampf, mehr von dem wein besoffen.
Da sambleten sich noch, eh sie sich zu der Ruh
Begaben, Florido und sein Lieb mit den Lesern,
Und andre hürten mehr verfügten sich dazu,
Die danzend sangen laut ein Lied mit vollen Gläsern.

Aus: Georg Rudolf Weckherlins Gedichte
Herausgegeben von Hermann Fischer
Gedruckt für den Literarischen Verein in Stuttgart
Tübingen Band 1 (1894) Band 2 (1895)
Band 3 (mit Supplement-Band) 1907 (Band 2 S. 381-385)
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Die fünffte Eclog. Von dem Winter
Myrta. Marina. Filodor. Florido

Filodor
Wie unempfindlich schnell verlauffet sich die zeit?
Wie gar nichts ist wehrhafft in diser welt zufinden?
Wa ist doch gestern hin? kan heut nicht bleiben heut?
Muß Tag und Nacht stehts fort, Jahr und Zeit stehts verschwinden?
Der Sommer dringet an, eh kaum der lentz dahin,
Den Sommer will der Herbst nicht lang verziehen lassen,
Der winter ist des herbsts verdrüßlicher gewin,
Als ob einander sie zu tödten müsten hassen.
Also vertreibet auch der Tag die Nacht, die Nacht
Verjaget bald den Tag, und kommen sie schon wider,
So kan den menschen doch kein Reichtumb, Kunst noch Macht,
Beleben wider hie, wan Er einmahl darnider.
Schaw doch, wie alles feld, das mit laub, blumen, frucht
Kraut und (graß newlich war anmuhtiglich gezieret,
Ietzund all seine zierd (die sich nach schneller flucht
Bald gantz vernichtiget) verlieret und gefrüeret.
Doch wan der Winter selbs, der stürmig, naß und kalt,
Den Menschen husten, flüß, und kranckheit verursachet,
Des Lentzen widerkunft und grünende gestalt,
Den Sommer und den Herbst uns angenehmer machet:
Wie solten wir nicht auch, auf daß vernüget wir
Nur desto frölicher die trübe zeit hinbringen,
Ihm nun auß freyhem muht, wa nicht nach der gebihr,
Ja unsern Nymfelein, wie ihm zugleich, Lobsingen?


Florido
Lobsingen? freylich ja. Doch wehrter Filodor,
Weil dises wetter kaum (wie ich förcht) vil zuloben,
So sing uns du (der Kunst und unser Maister) vor,
Darauf dan auch dir wir das best zuthun geloben.


Myrta
Lobsingen, warumb nicht? ich glaub die kalte zeit
Sey so wol oder mehr, als die hitz zu begehren:
Und darumb wollen wir ietz mit Euch ewern streit,
Und dan des Winters Lob mit-singen und mit-hören.


Marina
Lobsingen? Freylich ja, sprich auch ich, wan mir schon
Das kalt nicht wie das warm beliebet und behaget:
So soll der Winter doch nicht sein ohn lob und lohn,
Der, als der Sommer selbs, dan labet und dan plaget.


Filodor
Wolan, wan dan wir vier (in diser Hölin frey
Von kaltem wind und schnee) einander billich lieben:
So lasset lieblich uns ohn allen streit und schew
Auch unsre witz und stim, dem Winter zu lob, üben.


Florido
Zu friden. Doch weil mich, Marina (dan wir gleich)
Wie dich nach dem was warm, und nicht was kalt verlanget:
So sing ich auch nach dir, dir so Lieb- als-stim-reich,
Wan mit dem Filodor du, Myrta, wilt anfangen.

Filodor
Wol, Myrta, wan wir nun des winters pracht und macht
Begihrig beeder seits zu singen und zu hören;
So fang doch an ein Lied, dadurch wir ohn zwitracht
Des Winters lieb und lob einander nach erklären.


Myrta
Wan ewer aller will (ein Lieblicher Gewalt)
Mich kan in disem stück euch zu wilfahren zwingen:
Wolan so fang ich an. Doch wan mein Lied so kalt
Als dise kalte Zeit, so könt ihr besser singen.


Winter Lied

Myrta
Der Früling, Sommer, Herbst, mit blumen, frucht und most,
Kan unser aug, mund, hertz, wol frisch, sat, frölich machen:
Iedoch der Winter auch mit seinem wind, schnee, frost,
Verhindert uns gar nicht zu singen, dantzen, lachen.
Wan schon der Winter herb,
Ist er doch nicht beschwerlicher,
Ist er doch nicht gefährlicher,
Dan andrer zeit Gewerb.
Dan er vermehret unsern muht,
Und lehret uns den Leib zu üben;
Daß wir zu aller arbeit gut
Mehr dan die Muß die Unmuß lieben.


Filodor
Der Herbst mit Most und Wein; der Sommer mit Getreyd,
Der Lentz mit blumen, laub und blust mag wol prachtieren:
Doch kan der Winter auch sein weiß-gesterntes Kleyd
Mit purestem Cristall, Perlein und Deemant zieren.
Wan schon der Winter hart,
So ist er doch nicht blutiger,
Und ist dannoch vil muhtiger
Dan andrer Zeitten Art.
Der Winter wärmet uns das blut,
Indem wir uns mit arbeit üben:
Er schärpfet uns auch sinn und muht,
Daß wir einander besser lieben.


Marina
Des Morgens, des Mittags, des Abends schnelle Zeit
Mag unsern Geist, Leib, Muht, ermundern, nöhren, laben:
Doch kan die stille Nacht in iedem stand die Leut
Nach arbeit, müh und leyd, mit frewd, ruh, lust begaben.
Der Winter wie die Nacht
Dem Menschen dienet wunderlich,
Doch in dem Buhlen sonderlich,
Mehr dan der Sonnen pracht.
Der Winter lehret der Lieb Kunst,
Geliebet, liebend und verschwigen,
Oft zu geniessen der Lieb gunst
Wan näher wir zu samen ligen.


Florido
Die Kindheit schwach und zart, die jugent frisch und gail,
Die Manheit heiß und khün, mit gelb, braun, schwartzen haaren,
Erwirbet Lieb und Lob: Doch mehr Verstand, Raht, Heyl,
Kan uns des Alters Schnee und Winter offenbaren.
Der edlen Weißheit frucht
Verjüngert uns gantz mächtiglich,
Und krönet endlich prächtiglich
Des Lebens schnelle flucht.
Des Winters wie des Alters kunst
(So köstlich als das Gold gedigen)
Erhitzet uns mit newer brunst
Wan wir so nah zusamen ligen.


Myrta
Mit buntem Rock der Lentz, der Sommer reich mit Gold,
Der Herbst mit Roht und Weiß kan berg und thal bedöcken;
Iedoch der Winter starck mit Silber-reichem Sold
Kan (mächtiger) sie all gar in den harnisch stöcken.
Zu wasser wie zu land
Ist er allzeit empfindlicher,
Doch ist er auch entzündlicher
Durch der Lieb süssen brand.
Dan zu ermiltern seine wuht,
So muß man sich nur munder üben,
Und mit der Lieb und andrer glut
Einander wärmen und enttrüben.


Filodor
Lieb- und Lob-wehrt ist zwar der Früling, des jahrs Ost,
Der west-wind des jahrs herbst, der sud-wind des jahrs sommer;
Doch der Nord-wind (gesund) ist nicht ohn frewd noch trost,
Und ist das beywort falsch: von dem Nord aller Kummer.
Und wan zu zeitten er
Schon kälter und bedrüblicher,
So wirt er gleichwol lieblicher
Wan folgend seiner Lehr,
Zu wärmen unsern Leib und blut
Wir uns in schimpf und ernst gern üben,
Und zugleich unsern Geist und Muht
Geliebet, liebend oft enttrüben.


Marina
Wan ihre zeit und dienst in uns die Feuchtigkeit,
Die drückne und die hitz muß ordendlich verwalten:
Warumb dan solt nicht auch mit gleicher billichkeit
Die Kälte nach verdienst ihr recht und wehrt behalten?
Sie, strafend uns nicht lang
Mißgünstiglich noch lästerlich,
Will, daß ich mehr dan schwesterlich
Mein Lieb Küß und umbfang.
Sie lehret uns kunst über kunst
(Geliebet liebend steehts zu sigen,
Und zu geniessen der lieb gunst)
Nah, näher, nechst zu samen ligen.


Florido
Das wasser mag (für mich) des lebens ursprung sein,
Ohn fewer und ohn luft kan nichts hie niden leben:
Iedoch des Winters sitz, dem Erdreich, gleich gemein,
Und unser aufenthalt muß man sein lob auch geben.
Die Erd, dem winter gleich,
Will daß wir leben frewdiglich,
Nicht liederlich noch leydiglich,
Mit ihren güttern reich;
Und daß durch ihrer gaben gunst
Wir über zeit und tod zu sigen,
Erhitzet mit stehts newer brunst
Nah, näher, nächst zusamen ligen.


Myrta
Des winters harte faust, mit eysen-gleichem eyß
Gewafnet, hat das feld schon aller zier beraubet;
Es hat ohn alle Gnad der kahl und kalte Greyß
Wäld, Gärten, Berg und Thal entgrünet und entlaubet.
Ie kälter doch die zeit,
Ie dieblicher und schertzlicher
Ie lieblicher und hertzlicher
Genieß ich der lieb beut.
Dan ja die lieb (das Höchste Gut)
Ermahnet uns in lieb zu üben,
Und mit beständig-trewem muht
Ein ander mehr und mehr zulieben.


Filodor
Des hagels, winds, frosts, schnees und eysses überfluß
Hat nu die Vögelein vertreibend gar gestillet:
Apollo der Welt Arzt, selbs Kranck, hat auß verdruß
Mit wolcken sein gesicht verbunden und verhüllet.
Zwar weiset Er sich schon
Verdrüßlicher und feindlicher,
Wirt Er doch wider freindlicher
Durch der lieb süssen lohn:
So warmet Er auch unser blut
Mit mehrerm ernst und hitz zulieben,
Daß wir erleuchtend unsern muht
Uns frischer in der Lieb-spihl üben.


Marina
Der winter wärmend uns mehr durch des fewers schein
Dan durch der Sonnen glantz, mit lehr zu hauß uns nöhret:
Ja als ein Zucker Beck mit Confect groß und klein
Mit Sultz und Marzepan das New-jahr uns bescheret:
Mir lüfrend in die Arm
Mein lieb zu küssen düchtiglich,
Auch wol nicht gar zu züchtiglich
Seind wir durch und durch warm.
Ja so gut ist des Winters brunst,
Daß wir durch lieb gesiget sigen,
Und stehts mit newer lieb und kunst
Vil näher gern beysamen ligen.


Florido
Mehr dan kein andre zeit der winter als ein Koch,
Vih, wildbret, vögel, fisch uns auf den Tisch fürsetzet:
Als Keller schencket Er uns auch zu dem Geloch
Gut alt und newen wein, der uns das hertz ergötzet.
Kom wider mich das kalt
Wie immer scharpf und bitterlich
Mit dir ich doch mehr Ritterlich
Die süsse Lieb verwalt.
Dan so groß ist des winters kunst,
Daß wir durch lieb gesiget sigen
Und stehts mit newer lieb, lust, brunst
Vil näher gern zusamen ligen.


Filodor
Halt Myrta, Schönste Nymf. Der Winter hat numehr
Von unserm Winterlied lob und ehr gnug empfangen:
Wiewol des menschen geist, begihrig aller lehr,
Sehr schwerlich gnug thun han der lieb und dem verlangen.


Marina
Es ist ja gnug. Der Tag ist kurtz, die Nacht ist lang,
So daß wir billich ietz abbrechen unser dichten:
Und auf daß unser thun ein stim mit dem Gesang,
So solten wir die wort auch in das werck nu richten.


Florido
Nymf deine wort seind gail zwar voll holdseeligkeit:
Iedoch kan man dein thun den worten kaum gleich finden,
Sunst würdest du, hertzlieb, des winters härtigkeit
Und störrig-kalten frost erwaichen und entzünden.


Myrta
So sehr kan keine Blum, Frucht, Schatten, Fewers-glut
Des Lentzen, Summers, Herbsts und winters mich erquicken,
Als ewer aller Lied. Doch Maaß ist allzeit gut,
Und muß man nach der Muß sich zu der Unmuß schicken.
Den man kan mit gesang, dantz, schlaf und spihlen hie
Den Lentzen, Sommer, Herbst und zeit verlieren sehen,
Sorgloß, ohn karst und pflug, ohn sichel, sössel, müh,
Der (billich darbend) soll den Winter betlen gehen.


Filodor
Recht, Schönste Myrta, recht. Dan alles seine zeit:
Die edle hertzen sich mit müh zu nöhren pflegen:
Nach arbeit der Gewin, Nach kampf und sig die beut,
Nach müh und pein die Ruh ist als des Himmels seegen.
Es ist auch keinem Man ein schön-geliebtes Weib,
Es ist kein gute speiß dem hunger angenemer;
Es ist kein warmes bad zu rechter zeit dem leib,
Es ist kein frischer drunck dem durstigen bequemer:
Dan neben guttem lohn verdiente Ruhm und Ehr,
Die den verdruß der pein, die müh der müh benemen,
Und die vergangne müh versüssend mehr und mehr
Mit der Gedechtnus trost und frewd allzeit bequemen.
Wolan, wan fleiß und müh so richtigen Gewin,
Daß ihre diener sie Reich, ruhwig, frölich machen:
So geh ein iedes nu zu seiner arbeit hin,
Das wir widrumb darnach frolocken, singen, lachen.

Aus: Georg Rudolf Weckherlins Gedichte
Herausgegeben von Hermann Fischer
Gedruckt für den Literarischen Verein in Stuttgart
Tübingen Band 1 (1894) Band 2 (1895)
Band 3 (mit Supplement-Band) 1907 (Band 2 S. 390-398)
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