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Ignaz Heinrich von Wessenberg
(1774-1860)
Imelda
Im herrlichen Bologna, das frei wie die Eiche stand,
Schlich Zwietracht in die Häuser, warf in die Herzen Brand.
Vor allen waren zwei Häuser von wildem Haß durchglüht;
Nur eine Seel' in jedem den Haß mit Schmerzen sieht.
Zum erstenmal begegnet war sich der Beiden Blick
Beim Kerzenglanz des Domes. Eins ward jetzt ihr Geschick.
Doch wagte Keins in des Andern verhaßtes Haus zu gehn;
Nur in den heil'gen Hallen durft' Eins das Andre sehn.
Einst weilt' in der Kapelle das Paar mit Liebgekos',
Wo matt auf's Grab der Ahnen sich Lampenschein ergoß.
Doch Lauerer verriethen des Mädchens Brüdern bald
Imelda's und Francesko's geheimen Aufenthalt.
Das Herz entflammt von Zornwuth, erscheinen die Brüder schnell,
Gleich Blitzen aus heiterm Himmel, am Gitter der Kapell'.
Kaum bracht' er durch ein Pförtchen sein Lieb in sichre Hut,
So schwimmt, erdolcht von jenen, Francesko schon im Blut.
Der Dolch, er war vergiftet, erbeutet im Morgenland;
Doch Heil für solche Wunden ein süßer Wahn erfand.
Das Leben kehre wieder, so machte die Sage kund,
Wenn man das Gift der Wunde entsauge mit dem Mund.
Allein nun stieg Imelda hinab in der Grüfte Nacht,
Wohin die Mörder eilig den kalten Leib gebracht.
Das Gift aus seiner Wunde saugt sie mit Wollust ein;
Die Todte neben dem Todten fand man beim Morgenschein.
Aus: Deutschland's
Balladen- und Romanzen-Dichter
Von G. A. Bürger bis auf die neueste Zeit
Eine Auswahl des Schönsten und charakteristisch Werthvollsten
aus dem Schatze der lyrischen Epik
in Balladen und Romanzen, Mären, Legenden und Erzählungen
nebst Biographieen und Charakteristiken der Dichter
unter Berücksichtigung der namhaftesten kritischen Stimmen
von Ignaz Hub Zweite, gänzlich umgearbeitete und stark vermehrte Auflage
Karlsruhe Verlag von Wilhelm Creuzbauer 1849
(S. 225-226)
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