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Luise Westkirch
(1853-?)
Apollo und Daphne
Ovid, met. I, 451
ff.
Röthlich fuhr der Sonnenwagen
Über Hellas schönstem Thal;
Des Peneios Ufer lagen
Hell im Morgensonnenstrahl.
Und in seinen klaren Wogen
Spiegelt sich der Berge Hang,
Und der blaue Himmelsbogen,
Und der Wölkchen leiser Gang.
Drunten in krystall'nen Fluthen,
Von den Wassern kühl und weiß
Sanft geschützt vor Tagesgluthen,
Thront ein hehrer Göttergreis, –
Der Beherrscher jener Wellen,
Die gen Morgen rauschend zieh'n;
Doch sein Aug' folgt nicht den schnellen –
Tiefer Kummer beugt ihn.
Uferwärts nur starrt er trauernd,
Wo durch Schilf und Wellenschaum
Ihn im Morgenwind erschauernd
Grüßt ein schlanker Lorbeerbaum.
Ist es doch der Tochter Hülle,
Die sich sprossend dort erhebt,
Letztes Leben von der Fülle
Froher Kraft, die sie belebt! –
Schön war Daphne; gleich Dianen
Floh sie bang der Liebe Pein.
Auf des Waldes öden Bahnen
Schweift sie flüchtig und allein.
Da, als jüngst der Morgen tagte,
Traf Apoll die Scheue an,
Die am Ossa einsam jagte,
Und sie schlug sein Herz in Bann.
Sehnend folgt er ihrem Schritte;
Doch sie floh in wildem Lauf
Durch des finstern Waldes Mitte,
Berg hinab und Berg hinauf.
Vorwärts, achtend nicht der Pfade,
Stürmt sie weiter durch die Schlucht,
Weiter, bis des Stroms Gestade
Plötzlich hemmt der Armen Flucht.
Glitzernd vor ihr ausgegossen
Liegt er da im Morgenroth. –
Näher eilt der Gott. – Entschlossen
Zu dem Vater in der Noth
Läßt sie da den Ruf erschallen:
"Mach', – bei Deiner Götterkraft! –
Mach' in Staub die Form zerfallen,
Die mir solche Leiden schafft!"
Und der Vater hört ihr Flehen.
Schon erreicht Apoll den Strand; –
Doch verwandelt muß er sehen
Sie, für die sein Herz empfand.
Ihres Hauptes gold'ne Locken
Wurden Blätter starr und kalt,
Baumesrinde schließt sich trocken
Um die blühende Gestalt.
Und der Nymphe Silberfüße
Wurzeln in dem schwarzen Grund.
Keine Küsse, keine Grüße
Hat der ewig stumme Mund.
Eckig breiten sich zu Ranken
Ihre Arme voll und weiß.
Aus der Hand, der zarten, schlanken,
Ward ein dürres Lorbeerreis.
Wilder Reue hingegeben
Steht er, den sie bang gefloh'n,
Dessen Gluth zerstört ihr Leben, –
Leto's vielgepries'ner Sohn.
Göttlich nennt' ich seine Züge,
Strahlend wie der Sonne Licht, –
Wenn der Erde Schmerz nicht trüge
Aufgeprägt sein Angesicht.
Zärtlich um des Baumes Rinde
Hält er seinen Arm gelegt,
Fühlt, wie angstvoll und geschwinde
Noch ihr Herz darunter schlägt.
Und zur Leier, Hermes' Gabe,
Greift er da in seiner Qual;
Zu des kranken Herzens Labe
Spielt er sie zum erstenmal.
"Daphne, kannst Du so mich hassen? –
Den Olymp, den ich Dir bot,
Schlägst Du aus und wählst gelassen,
Mir nur zu entgeh'n, den Tod.
Fühllos bist Du mir entwichen! – -
Weißt Du's auch, was ich verlor?
Ach! mit Deinem Glanz erblichen,
Starb, was ich mir je erkor!
All mein Hoffen, all mein Streben,
Meine Gottheit würf' ich hin,
Um beglückt nur Dir zu leben,
Jäger bei der Jägerin! –
Doch Du hörst nicht auf mein Flehen,
Suchst Vernichtung, mir zum Spott!
Und ich muß Dich sterben sehen!
Machtlos! – – Bin ich denn ein Gott?!
Ist denn eines Gottes Lieben
Nichts von Deiner Schönheit Glanz,
Deinem Lächeln nichts geblieben
Als – ein armer Lorbeerkranz? –
Weinend schlage ich die Saiten,
Singe meines Herzens Qual.
Meiner Leier Töne breiten
Weit sich über Strom und Thal.
Von den Bergen lauschend nieder
Ziehet Alt und Jung die Bahn,
Kinder horchen auf die Lieder,
Leu und Drache friedlich nah'n.
Und der Thränen lichten Schimmer
Lockt in Aller Aug' der Klang;
Nur ein Ohr erweicht er nimmer, –
Das, wofür allein ich sang! –
Laßt das Kränzen, laßt das Preisen!
Was in süßen Traum Euch spinnt,
Meine Lieder, meine Weisen, –
's ist mein Herzblut, das verrinnt!
Der Gesang der mir gegeben,
Wecke immer Euren Neid: –
Höchster Liebe war mein Streben –
Und mir wurde höchstes Leid!
Beifall hat mich nicht bewogen,
Größe war nicht meine Wahl.
Meinen Wurfspeer, Pfeil und Bogen,
Eine Hütt' im blum'gen Thal,
Meine Daphne drinnen wohnend,
Blüh'nd in ew'ger Schönheit Glanz,
Ew'ge Liebe ewig lohnend: –
Gebt mir dies und – nehmt den Kranz!
Ach, statt Daphne's Küssen krönen
Todte Lorbeer'n nur mein Haupt!
Die geschmeid'gen Blätter höhnen
Frech das Glück, das mir geraubt.
Aus dem Blute meiner Liebe
Sproß empor das Lorbeerreis;
Meines Herzens beste Triebe
Zahlten meines Namens Preis.
Ruhm und ew'ger Jugend Frische,
Freud' in der Olympier Schaar
Ward mir; – doch am Göttertische
Neid' ich jedes Hirtenpaar!
Fort, ihr Kränze! – bitt're Spötter! –
Meine Daphne gebt zurück! –
Glück für Menschen und für Götter
Ist allein der Liebe Glück".
Aus: Deutschlands
Dichterinnen.
Blüthen deutscher Frauenpoesie
aus den Werken deutscher Dichterinnen
der Vergangenheit und Gegenwart ausgewählt von Karl Wilhelm Bindewald
Osterwieck / Harz o. J. [1895] (S. 142-144)
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