Rudolf Epp (1834-1910)
Der Liebesbrief |
Verzeichnis der Dichter:
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Leopold Friedrich Günther von Goeckingk
(1748-1828)
Als sie ihm den
Ossian zurückgeschickt,
und einen Brief darin verborgen hatte
Von allem was Natur und Schoenheit ist,
Reisst nichts so sehr mich zum Entzücken,
Zu Thraenen hin, Ruhm! Wollust! euch geweint!
Als wenn dein Freund im Fingal liest.
Doch heute trug diess Buch in seinem Rücken,
Ein Lied, - sey noch einmal geküsst! -
Ein Lied, wogegen diess Entzücken,
Und Ruhm des Barden - nichts mir ist!
(S. 79)
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An Nantchen
Stolz und
Bescheidenheit
Wenn ich grosse Dichter lese,
Wie bescheiden
Denk' ich von mir selber dann!
Wie ich mich in ganzen Naechten
Von den Freuden
Ihres Ruhms, nicht müde sprechen kann!
Les' ich aber deine Briefchen
Und Gesaenge,
Ha! wie werd' ich stolz und stumm!
Alle grosse Maenner tauschten
Ihr Gepraenge
Gegen deine Liebe mit mir um!
(S. 86)
Aus: Lieder zweyer Liebenden
Herausgegeben von Goeckingk
Wien Bey J. V. Degen Buchdruck und Buchhaendler 1804
-
Johann Christoph Gottsched
(1700-1766)
An Jungfer L. A. V. Kulmus
1733 den 31
Jenner
So willst du mir hinfort noch seltner schreiben?
Victoria! mein Leben, Herz und Licht!
Soll mir dein Kiel die Antwort schuldig bleiben?
Ach! strafe mich doch so empfindlich nicht!
Was hab ich denn versehen und verbrochen?
Verdammst du mich, ohn alle Missethat?
Ach ja! mir ist mein Urtheil schon gesprochen,
Bevor man mir einmal die Schuld genennet hat.
Ja, ja! so ists. Ich soll gemartert werden,
Dein eigner Kiel verkündigt mir die Pein.
Fühlt nicht mein Herz schon Kummer und Beschwerden,
Daß ich von dir so weit getrennt muß seyn?
Doch nicht genug! Ein Weg von achtzig Meilen
Läßt meinen Trieb noch gar zu stark und neu:
Drum will man gar, daß auch kein Blatt voll Zeilen
Von deiner schönen Hand sein neuer Zunder sey.
O schönste Hand! mein Labsal und Vergnügen!
Wie froh macht mich ein süßer Brief von dir!
Kaum seh ich ihn, so laß ich alles liegen,
Und küß ihn oft mit lüsterner Begier.
Ich bebe recht vor sehnlichem Verlangen,
Sein Siegel geht mir stets zu langsam los:
Und wenn ich ihn zu lesen angefangen,
Dann sitz ich, wie mich dünkt, dem Glücke selbst im Schooß.
Da steht kein Wort, das nach der Einfalt schmecket,
Die Männern wohl sehr oft ein Schandfleck ist:
Da wird dein Geist mir mehr und mehr entdecket,
Daran du doch ganz unvergleichlich bist.
Ein kluger Scherz, ein ernsthaft edles Wesen,
Würzt überall dein witzerfülltes Wort:
Und wann ichs denn wohl zehnmal durchgelesen,
Dann leg ich erst das Blatt, und doch mit Mühe, fort.
Was denkst du nun, bey diesen stillen Freuden?
Sprich, Engelskind! misgönnst du mir die Lust?
Erkühnt man sich, dieß Glücke zu beneiden,
Das einzige, davon ich noch gewußt?
O! sinne nach, ob meiner zarten Liebe
Die Probe nicht zu hart und grausam sey?
Und mache doch die Neigung deiner Triebe,
Wie deinen muntern Kiel, von diesem Zwange frey.
Jedoch umsonst! Du schreibst es mir im Scherzen,
Du ehrst den Zwang, als eine theure Pflicht:
Wohlan! so reiß dein Bild noch aus dem Herzen!
Denn, wie es scheint, auch das gönnt man mir nicht.
Ach! merkst du nicht die List bey diesen Ränken?
Wenn mir dein Kiel nur erstlich seltner schreibt:
So weis man schon, daß auch im Angedenken,
Allmählich mir bey dir kein Plätzchen übrig bleibt.
Wie man die Glut von stark entbrannten Flammen
Nicht mit Gewalt auf einmal dämpfen kann;
Die Hitze drängt sich destomehr zusammen,
Und facht sich nur um desto schärfer an:
Doch, will man nicht das wilde Feuer hegen,
So sucht man ihm die Nahrung zu entziehn;
Da wird die Brunst sich von sich selbst schon legen,
Und leichten Funken gleich in dünner Luft entfliehn.
Erwäge dieß, o englische Louise!
Und denk einmal auf deine letzte Schrift!
Wie? wenn ich dich auf dein Versprechen wiese,
Womit dein Schluß itzt schlecht zusammen trifft.
Ist das die Huld, die du mir zugeschworen?
Ist das die Treu, die du mir zugesagt?
Denn hat dein Wort so bald die Kraft verlohren:
So hast du mich dadurch aufs heftigste geplagt.
So schweige dann, und laß mich gar verschmachten;
Und mache mich zum Opfer deiner Pflicht:
Doch willst du mich der Antwort unwerth achten;
So schweig ich doch von meiner Sehnsucht nicht.
Bey später Nacht will ich dich träumend plagen,
Im Wachen selbst dir stets vor Augen stehn;
Und dich, mein Licht! ohn Unterlaß befragen:
O Grausame! soll ich ohn alle Schuld vergehn?
Aus: Herrn Johann
Christoph Gottscheds Gedichte
Bey der itzigen zweyten Auflage übersehen,
und mit dem II. Theile vermehret,
nebst einer Vorrede ans Licht gestellet
von M. Johann Joachim Schwaben
Leipzig Verlegts Bernhard Christoph Breitkopf 1751 (S. 551-553)
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Klamer Eberhard Karl Schmidt (1746-1824)
Das Lied von der
Trennung
Die Engel Gottes weinen,
Wo Liebende sich trennen,
Wie werd' ich leben können,
O Mädchen, ohne dich?
Ein Fremdling allen Freuden,
Leb' ich nach unserm Scheiden!
Und du? . . Vielleicht auf ewig
Vergißt Luisa mich!
Ich kann sie nicht vergessen;
Mich fern vorüber fliegen
Wird jegliches Vergnügen
Ach! sonst so gern um mich!
Für dieses Herz voll Trauer
Ist keine Lust von Dauer!
Und du? . . Vielleicht auf ewig
Vergißt Luisa mich!
Im Wachen und im Traume
Werd' ich Luisa nennen;
Den Namen zu bekennen,
Sei Gottesdienst für mich!
Ihn nennen und ihn loben
Werd ich vor Gott noch droben.
Und du? . . Vielleicht auf ewig
Vergißt Luisa mich!
Ich kann sie nicht vergessen;
In's Herz mit Feuerflammen
Malt' ich dein Bild zusammen,
Anbetend dich! nur dich!
Dies Eigenthum bestreiten
Soll keine Macht der Zeiten.
Und du? . . Vielleicht auf ewig
Vergißt Luisa mich!
Ich kann sie nicht vergessen;
Der Aufgang jeder Sonne
Erinnert an die Wonne
Der schönsten Augen mich;
Aus ihren kleinsten Blicken
Kam himmlisches Entzücken.
Und du? - - Vielleicht auf ewig
Vergißt Luisa mich!
Ich kann sie nicht vergessen;
Es tönt wie Harfensaiten,
Gespielt von Himmelsbräuten,
Noch ihr Gesang um mich! -
Hallt ewig, holde Lieder,
Hallt mir im Herzen wieder! -
Und du? - - Vielleicht auf ewig
Vergißt Luisa mich!
Ich kann sie nicht vergessen;
An allen, allen Enden
Verfolgt von ihren Händen
Ein Druck der Liebe mich;
Ich zittre, sie zu fassen,
Und - finde mich verlassen.
Und du? - - Vielleicht auf ewig
Vergißt Luisa mich!
Ich kann sie nicht vergessen;
Die hingeschied'nen Seelen
Der Küsse, nicht zu zählen,
Umathmen alle mich.
Ihr Blüthenfinsternisse
Des Hains! - ihr ersten Küsse! - -
Und du? - - Vielleicht auf ewig
Vergißt Luisa mich!
Ich kann sie nicht vergessen;
Aufzählen alle Pfänder
Getreuer Liebe, Bänder
Und Lockenhaar will ich.
"Sie, sie hat das getragen!"
Will ich mit Schluchzen sagen.
Und du? - - Vielleicht auf ewig
Vergißt Luisa mich!
Ich kann sie nicht vergessen
Die Brief' aus schönern Tagen,
Sie liegen aufgeschlagen,
Ein Himmelsbuch! um mich.
Von Thränen und von Küssen
Hat mancher leiden müssen!
Und du? - - Vielleicht auf ewig
Vergißt Luisa mich!
Ein Zufall raubt, was Jahre
Voll Lieb' an uns verschwenden;
Wie eine Hand, so wenden
Die besten Herzen sich.
Wenn neue Huldigungen
Mein Bild bei Ihr verdrungen:
O Gott! vielleicht auf ewig
Vergißt Luisa mich! -
Ach! denk' an unser Scheiden!
Dies Blatt, von dir geschrieben:
"Du wollst mich ewig lieben!"
Dies richte mich und dich!
Dies Zeugniß ernster Sache
Trag' ich, ein Geist der Rache,
Noch vor dein Todesbette,
Vergißt Luisa mich. -
Doch nein! - Wenn sie vergäße,
Vergäße den Getreuen! -
Luisa! mit Verzeihen
Rächt edle Liebe sich.
Wenn Untreu' uns geschieden,
So leb', und leb' in Frieden!
Ich sei des Schicksals Opfer;
Der Trauernde sei ich!
Ja, leb' und stirb in Frieden!
Auf deinem Sterbekissen
Erinn're das Gewissen
Mit keinem Laut an mich!
Mein Geist soll um dich weinen;
Soll aber nicht erscheinen.
Ein Geist, den du einst liebtest,
Sei Keinem fürchterlich!
Aus: Klamer
Eberhard Karl Schmidt's Leben auserlesene Werke
herausgegeben von dessen Sohne Wilhelm Werner Johann Schmidt
und Schwiegersohne Friedrich Lautsch Stuttgart und Tübingen
in der J. G. Cotta'schen Buchhandlung
Erster Band 1826 Zweiter Band 1827 Dritter Band 1828 (Band 2, S.
276-280)
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Ignaz Franz Castelli (1781-1862)
Frauenblätter
20.
Stelle aus
einem Liebesbriefe
Geliebte ich
schreibe dir
Mit Federn aus Amors Flügeln,
Den Schmetterling wußt' ich zu zügeln,
Er kann nicht mehr fliehen von mir.
(Band 4 S. 176-182)
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Aus: Die Denkmale der Liebe
Dieß Päckchen voll Briefe mit goldenen Enden
Erhielt ich von Klärchen; - sie schrieb mir darin:
Sie wünsche, daß wir uns auf ewig verbänden,
Denn nimmermehr werde ihr Herzchen sich wenden,
Es sei meine Liebe ihr höchster Gewinn.
Dasselbe enthält auch der unterste hier;
Doch gilt die Adresse, - da seht nur, - nicht mir.
(Band 1 S.
130-132)
Aus: I. F. Castelli's sämmtliche Werke
Erstes bis viertes Bändchen
Vollständige Ausgabe letzter Hand, in strenger Auswahl
Wien Druck und Verlag von Ant. Pichler's sel. Witwe 1844
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Carl Geisheim (1784-1847)
Liebesbriefchen
Kaum ging von dir
Ich eben fort,
Zur Heimath hier,
Zum stillen Ort:
Als schon auf's Neu',
Dir immer treu,
Mein Wunsch mich trägt
Zu dir, und mir,
Unheimlich hier,
Das Herz nach dir
Hinwallend schlägt.
Wär' ich Papier,
Von Briefen wär'
Die Post zu schwer
Bis hin zu dir.
Ich setz' mich hin;
Die Feder fließt,
Doch mich verdrießt,
Daß selbst ich nicht
Die Dinte bin,
Die jetzt zu dir
Statt meiner spricht.
Der Klecks, den dumm,
Wohl gar in Wuth,
Auf das Papier
Die Feder thut:
Der zeigt, wie drum
Ich brummig bin,
Wie ungeschickt!
Weil zu dir hin
Der Blick nur blickt;
Dort, wo du bist,
Bei dir nur ist
Mein Geist und Sinn. -
Den Klecks betracht'
Ich nur mit Neid,
Du wirst ihn sehn; -
In Einsamkeit
Muß ich hier stehn!
In meinem Joch
Bin ärmer doch
Ich Versifex,
Als dieser Klex.
Buchstaben stehn
Auf dem Papier,
Sie alle gehn
Beglückt zu dir.
Ich buchstabier'
Mich hin zu dir;
Doch wie den Bub'
Schulmeisters Stub'
Nur zwängt und quält,
Weil Lieb' ihm fehlt:
So friert's mich an,
Daß ich mein Glück
In deinem Blick
Nicht lesen kann.
O wärest du
Ein Buch, mein Schatz,
Und schicktest mir
Dich selber zu:
Ach, Tag und Nacht
Läs ich in dir
Ohn' Rast und Ruh.
Aus: Gedichte von Carl Geisheim Erster Band
Breslau im Verlage bei Josef Max und Komp. 1839 (S. 68-70)
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Heinrich Heine (1797-1856)
Der Brief, den du geschrieben,
Er macht mich gar nicht bang;
Du willst mich nicht mehr lieben,
Aber dein Brief ist lang.
Zwölf Seiten, eng und zierlich!
Ein kleines Manuskript!
Man schreibt nicht so ausführlich,
Wenn man den Abschied gibt.
(S. 334)
_____
Er ist so herzbeweglich,
Der Brief den sie geschrieben:
Sie werde mich ewig lieben,
Ewig, unendlich, unsäglich.
Sie ennuyiere sich täglich,
Ihr sei die Brust beklommen -
»Du mußt herüberkommen
Nach England, so bald als möglich.«
(S. 385)
Aus: Heinrich
Heine. Sämtliche Gedichte in zeitlicher Folge.
Hrsg. von Klaus Briegleb. Insel Taschenbuch Verlag 1997
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Wilhelm von Humboldt
(1767-1835)
Nach dem Lesen einiger Briefe meiner Frau
Süsser Hauch aus lang vergangnen Zeiten
mir das Herz ergreift mit Allgewalt.
Die im Grabe ruhet still und kalt
lispelt, wie von Aeolsharfen Saiten,
Sprache, der Erinnrung nur zu deuten,
die im tiefen Herzen wiederhallt,
Bilder jugendlicher Wonngestalt
mich ins Land entfernter Sehnsucht leiten.
Dieser Aufruhr zaubrischer Gefühle,
dies in sich versunkne Wonnebeben
kann nicht führen in das öde Leben:
Nein, sie ruft mich, wo am Strahlenziele
schreitend durch des Erdenschoosses Kühle
liebumschlungen selge Geister schweben.
18. September, 1830. Abends
Aus: Wilhelm von Humboldts Werke
Herausgegeben von Albert Leitzmann
Neunter Band: Gedichte
Berlin B. Behr's Verlag 1912 (S. 158)
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Andreas Ludwig Jeitteles
(1799-1878)
Briefwechsel
Er
Wo nicht hinkommt Sonnenschein, -
Pflegt zu sagen man gemeinhin, -
Dorten kommt des Arztes Kunst
Und der Arzeneien Pein hin.
Dieses Wortes tiefen Sinn
Hab' ich schmerzlich durchempfunden,
Seit mir deiner Augen Glanz
Ganz ist aus dem Aug' entschwunden.
Meines Lebens Sonne du,
Die ich nimmer kann entbehren,
Weil ich sonst in Qualen mich
Ohne Zahl muß bang verzehren:
Wolle wieder dich mir nah'n,
Lichtverbreitend, wärmegebend,
Neubelebend all' mein Blut,
Den gesunk'nen Muth erhebend!
Arzt und Arzeneien nicht
Können mich vom Leid befreien;
Sie zu dreien bringst du mit:
Sonn' und Arzt und Arzeneien!
Sie
Zeigt die Sonne sich im Osten,
Öffnet man die Fensterlädchen:
Willst der Liebe Glück du kosten,
Öffne sich dein Herz dem Mädchen.
Sonne will im Zimmer sehen
Jedes Winkelchen und Eckchen:
Mädchen will das Herz durchspähen
Bis auf's allerkleinste Fleckchen.
Was du frisch nicht weggenießest,
Wird dir, eh du's ahnst, entschwinden;
Wenn du finster dich verschließest,
Ei wie soll das Glück dich finden?
Kranke müssen sich dem Willen
Ihres Arztes lenksam zeigen;
Sau're Tränke, bitt're Pillen
Schlucken sie mit ernsten Schweigen.
Wirst du deiner Freundin grollen,
Weil sie schriftlich schmollt und mündlich?
Wisse: wenn wir Mädchen schmollen,
Lieben wir euch just recht gründlich. (S. 66-68)
_____
Mündlich
Himmlisch zart sind deine Briefe,
Süßes Leben, holde Lust,
Denn sie kommen aus der Tiefe
Deiner unschuldvollen Brust.
Doch, warum zu necken liebst du
Mich nach Mädchenart so sehr?
Morgen, mein Geliebter, schriebst du,
Morgen sag' ich mündlich mehr.
Wisse, theures Kind, daß gründlich
Feind ich bin gemeinem Brauch;
Küssen, Engel, sollst du mündlich:
Mündlich spricht ein Andrer auch. (S. 68)
Aus:
Gesammelte Dichtungen von Justus Frey
[Ps. von Andreas Ludwig Jeitteles]
Herausgegeben von seinem Sohne Prag 1899
J. G. Calve'sche k. u. k. Hof- und Universitäts-Buchhandlung
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Christoph Kuffner
(1780-1846)
Als Sidonia einen Liebesbrief verbrannte
Sie gönnte keinem fremden Blick
Das Ihr allein beschiedne Glück,
Auf diesen Zeilen
Schauend zu verweilen.
Vor ihr spielt der Lampe Schein;
Sie hält den Brief hinein.
Die Flamm' ergreift ihn schnell;
Die Flamme lodert hell.
Sie sieht es, und ihr Herz
Erbebt vor Lust und Schmerz.
Der Brief wird, ach! des Feuers Raub;
Das Blatt, noch kaum so glühend hell,
Erlischt, und wird ein dunkler Staub.
Nacht folgt dem kurzen Flammenlichte;
Seht hier der Liebe Lust- und Wehgeschichte!
Aus: Neuer Gedichte von Chr. Kuffner
Wien 1840
Verlag und Druck von Anton Mausberger (S. 29)
-
Karl Mayer (1786-1870)
Antwort auf ihre Nachschrift
Du beklagst des Briefchens Eile,
Daß die Fehler nicht der Feile
Bessrem Fleiß gewichen sind.
Laß dich nur ein Andres lehren:
Zwischen schwere goldne Aehren
Wehte fremdes Kraut der Wind
Zum Verdruß der Sachverständ'gen;
Doch dein unkrautstreuend Händchen
Schuf in mir kein Aergerniß
Und du glaubst es mir gewiß:
Wie mir rothe Ackerschnallen,
Blaue Nelken dort gefallen
Zwischen blondem Saatengolde,
So dein süßes Fehlen, Holde,
Bei so treuem Wortessinn
Scheint mir lieblicher Gewinn.
Aus: Lieder von
Karl Mayer
Stuttgart und Tübingen
Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1833 (S. 64)
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Wilhelm Müller (1794-1827)
Hier und dort
Mein Liebchen hat g'sagt:
Dein Sang mir behagt!
Ach, wenn ich doch selber
Ein Lied gleich wär',
Meinem Schätzchen zu Ehr'!
Da wollt' ich mich schreiben
Auf seidnes Papier,
Und wollte mich schicken
Per Post zu ihr.
Flugs thät' sie erbrechen
Das Briefchen so fein,
Und schaute schnurgrade
In's Herz mir hinein.
Und sähe und hörte,
Wie gut ich ihr bin,
Und wie ich ihr diene
Mit stetigem Sinn.
Und Liebchen thät' sagen:
Du thust mir behagen!
Und sagte und sänge
Und spielte nur mich,
Und trüge im Mund und im Kopf und im Herzen
Mich ewiglich.
Hätt' Gott mich gefragt,
Als die Welt er gemacht,
So hätt' ich ein Liebchen,
Das wäre fein hier,
Und wär sie wo anders,
So wär' ich bei ihr.
Dies Lied hat gesungen
Ein Wandrer vom Rhein.
Hier trinkt er das Wasser,
Dort trank er den Wein.
(S. 38-39)
_____
Aus: Die Winterreise
Die Post
Von der Straße her ein Posthorn klingt.
Was hat es, daß es so hoch aufspringt,
Mein Herz?
Die Post bringt keinen Brief für dich:
Was drängst du denn so wunderlich,
Mein Herz?
Nun ja, die Post kommt aus der Stadt,
Wo ich ein liebes Liebchen hatt',
Mein Herz!
Willst wohl einmal hinübersehn
Und fragen, wie es dort mag gehn,
Mein Herz? (S. 114)
Aus: Gedichte von Wilhelm Müller.
Vollständige kritische Ausgabe bearbeitet
von James Taft Hatfield. Berlin W. 35 B.
Behr's Verlag 1906. (Deutsche Literaturdenkmale
des 18. und 19. Jahrhunderts No. 137)
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Moritz Saphir (1795-1858)
Ein Geschäft hab' ich mir ausgesonnen,
Süß und tröstend zu verrichten:
Schreibe tausend Briefe an die Holde,
Muß ich auch sie dann vernichten.
Schreib' vertraulich ihr von tausend Dingen,
Nenne "Du" sie, "mir erkoren",
Mahne sie an niegesagte Worte,
Und an Schwüre, niegeschworen.
Nehme dann die Briefe alle, alle,
Nehme alle sie zusammen,
Und verdamme diese Selbstbetrüger
Zu dem Tod in Feuerflammen!
Wie so gierig dann die durst'gen Flammen
Durch die nassen Worte eilen,
Und mit ihren heißen Glutenarmen
Sie umarmen diese Zeilen,
So auch schlagen lichterlohe Flammen
Um den Brief in meinem Herzen,
Den mit blut'ger Schrift ich ihr geschrieben,
Und besiegelt hab' mit Schmerzen;
Den ich aber nicht an sie gesendet,
Und von dem sie nichts darf wissen,
Und er bleibe von ihr ungelesen,
Sei auch Brief und Herz zerrissen!
(S. 41-42)
_______
Für Liebende gibt's
einen Brief,
Nur Liebe kann ihn lesen,
Liegt er beschrieben auch ganz tief,
Und offen allen Wesen.
Ich mein' den Himmel, blau und glatt,
Mit seinen schönen Lettern,
Der Morgenroth zum Goldschnitt hat,
Und bunt Gewölk zu Blättern.
Manch Bildlein deutsam niederstrahlt,
Als Mädchen, Blum' und Garben,
Manch Wörtlein ist darauf gemalt
Mit sympathet'schen Farben.
Und just in jeder schwarzen Nacht,
Und g'rade recht im Dunkeln,
Da läßt des Himmels Wundermacht
Den Gnadenbrief erfunkeln.
Er ist so hell, er ist so klar,
Die Silben licht entbrennen,
Doch sind die Menschen gar so rar,
Die seinen Inhalt kennen!
Die Liebenden nur ganz allein,
Sie lesen in den Sternen,
Sie schreiben sich mit Sternenschein
Aus himmelsweiten Fernen.
Dasselbe Sternlein, hoch am Ort,
Mit seinem Sehnsuchtswandern,
Es bringt ein lieblich, tröstend Wort
Dem Einen wie dem Andern.
Die Sternlein, über's Kreuz und Quer,
Sie wandern ohne Schranken,
Sie tragen rastlos hin und her
Gefühle und Gedanken.
Ist Lieb' von Lieb' auch noch so weit,
Ist Lieb' von Lieb' auch ferne,
Und schaut man nur zur selben Zeit
Hinauf zum selben Sterne;
So ist's, als ob die reinste Lust
Vom Sterne zu uns sänke,
Dieweil man sich's gewiß bewußt,
Daß uns'rer man gedenke!
(S. 59-61)
Aus: M. G. Saphir's Schriften
Cabinets-Ausgabe in zehn Bänden
Ausgewählte Schriften Neunte Auflage
Neunter Band: Wilde Rosen An Hertha
Brünn und Wien Verlag von Fr. Karafiat 1876
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Leopold Schefer
(1784-1862)
Brief
Was soll ich dir sagen,
Ach, in der Liebe
Seligen Tagen!
Kann ich dir danken,
Kann ich es fassen?
Will ich's erschöpfen,
Will ich's verdienen?
Fühl' ich des Wetters
Störrisches Wehen,
Wenn ich auf Höhen
Liege dir schmachten?
Wenn da im Dunkeln
Tausend Gestirne
Ueber mir funkeln,
Segn' ich die Pracht!
Soll ich noch wünschen? -
Gönne mir einen,
Einen von deinen
Ewigen Sternen
Heilige Nacht!
Dort will ich wohnen
In goldenem Zelt
Mit Dir, der meinen,
Einzig gesellt,
Ueber der Erde
Altem Gedenken,
Ueber der Menschen
Dauerndem Kränken,
Ueber dem Frühling,
Ueber der Welt.
Aus: Leopold
Schefer's ausgewählte Werke
Zehnter Theil: Gedichte
Berlin Verlag von Veit und Comp. 1846 (S. 40-41)
-
Eulogius Schneider
(1756-1794)
Liebchen an W.
Geliebter, wirst du mir nicht schreiben?
Nein, sagt die Trägheit, lass es bleiben,
Dein Liebchen macht sich nichts daraus.
Sie hat zu thun in ihrem Haus,
Und hoffet morgen mit Entzücken
Dich selbst an ihre Brust zu drücken,
Und morgen ist nicht weit entfernt!
Doch nein! du musst ihr heute schreiben,
Denn Liebchen hat noch nicht gelernt,
Zwölf Stunden ohne Brief zu bleiben.
O! wenn du wüsstest, wie sie izt
Verlassen auf dem Sopha sitzt,
Bald ungeduldig nach dem Fenster blicket,
Bald aufwärts, und bald abwärts rücket,
Die Mägde ruft, und wieder von sich jagt,
Nach diesem und nach jenem fragt,
Und doch auf keine Antwort achtet:
Wie sie nach dir, nach Allem schmachtet,
Was nur aus deiner Feder fliesst:
Wie jedes Wort, von dir geschrieben,
Ihr Wonne in die Seele giesst;
Du würdest schreiben, oder gar nicht lieben.
Aus: Gedichte von Eulogius Schneider
Mit dem Portrait des Verfassers Frankfurt 1790
In Commission der Andräischen Buchhandlung (S. 95-96)
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Aloys Schreiber
(1761-1841)
Der Blumenbrief
Euch Blümlein will ich senden
Zur schönen Jungfrau dort,
Fleht sie, mein Leid zu enden
Mit einem guten Wort.
Du, Rose, kannst ihr sagen:
Wie ich in Lieb' erglüh',
Wie ich um sie muß klagen
Und weinen spät und früh.
Du, Veilchen, sprich: sein Leiden
Wird jeden Morgen neu,
Von allem kann er scheiden,
Nur nicht von seiner Treu'.
Du, Myrte, flistre leise
Ihr meine Hoffnung zu,
Sag': auf des Lebens Reise
Glänzt ihm kein Stern als du.
Du, Ringelblume, deute
Ihr der Verzweiflung Schmerz,
Sag' ihr: des Grabes Beute
Wird ohne dich sein Herz.
Aus: Aloys Schreiber's Gedichte
Erster Theil Neueste Auflage
Wien 1817 Bey B. Ph. Bauer (S. 66-67)
-
Christoph August Tiedge
(1752-1841)
Trost in Briefen
Hervor, ihr seelenvollen Klänge,
Die mir die holde Freundin sang!
All' ihre Briefchen sind Gesänge,
Sind ihres Herzens Wiederklang.
Was ihrem Geist entfließt, sind Melodieen,
Die zart, wie Duft, und klar und schön,
Den Schwänen gleich, durch meine Seele ziehen,
Hoch über Welt und Zeit mich zu erhöh'n.
Kaum sanken hier zur Ruh' die Stürme nieder,
So fahren sie schon dort im wilden Chor,
Wie schwarze Rachegeister, wieder
Aus ihrer finstern Ruh' empor!
Tief, tief verhüllen sich die guten Sterne;
Hin zum entlegnen Himmel flieht die Ruh';
Die Lüfte wehn mir aus der Ferne
Das Wehgeschrei der Menschheit zu.
Mit Nachtgewölk' ist meine Seel' umhangen;
Mein Herz, vordem ein lichtumfloss'ner Wald,
Durch den die frohen Töne klangen,
Ist dunkel nun, und stumm, und kalt!
Und wenn ich in die Einsamkeit mich rette,
Wo ich des Hirten Liebe sang:
Dann frag' ich mich: Ist das die Musenstätte,
Wo meine Liederwelt verklang?
Nur ihr, ihr Briefe, werdet nie verhallen,
Wenn längst kein Liederfest mehr meinen Hain verschönt;
Ihr seid darin die Nachtigallen,
Aus denen fort und fort ein schöner Frühling tönt.
Hervor, ihr seelenvollen Briefe!
Euch ruf' ich an: Laßt von dem Grau'n
Der bösen Zeit mich in des Herzens Tiefe,
Wo Gott und Engel wohnen, schau'n!
Aus: C. A. Tiedge's sämmtliche Werke (Band 1-10)
Leipzig 1841 Vierte Auflage Renger'sche Buchhandlung
(Fr. Volckmar) (Band 3 S. 35-37)
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