"So geh' denn hin, mein Brief,

du weiße Taube, zu ihm . . ."

Der Brief in Liebesgedichten deutscher Dichter und Dichterinnen
des 17.-20. Jahrhunderts

 


Rudolf Epp (1834-1910)
Der Liebesbrief



Verzeichnis der Dichter:
 

  • Martin Opitz (1597-1639)
    - Als jhm seine Asterie geschrieben
    - Als ich dir Delia ein Schreiben zugeschickt
     

  • Johann Hermann Schein (1586-1630)
    - Ach edles bild/ von Tugent mildt
     

  • Andreas Gryphius (1616-1664)
    -
    An Eugenien
     

  • Ernst Christoph Homburg (1607-1681)
    - An ein Briefflein
     

  • Christoph Köler (1602-1658)
    - An eine taube
    - Lied. An den Abendstern
    - Liebesliedt
     

  • Johann Rist (1607-1667)
    - An seinen Brieff/ welchen die Liebste nicht annehmen wollen
     

  • David Schirmer (1623-1687)
    - Als Seine Marnia gestorben
     

  • Johann Georg Schoch (1627-um 1690)
    - Als er sie wiederumb zu Passe fande



  • Martin Opitz (1597-1639)

    Sonnet
    Als jhm seine Asterie geschrieben

    WEr solte dieses wol in sein Gemüthe bringen /
    Daß vnder weiß vnd schwartz verborgen solche Freudt?
    Daß nur ein einig Brieff nemm' alle Traurigkeit?
    Kan auch der Augen lust so weit ins Hertze dringen?
    Ich weiß die Sinne fast nicht höher mehr zuschwingen /
    Vnd habe wol mit fleiß gelesen jederzeit /
    Was von der Liebe nur gefunden weit vnd breit /
    Es hat mich aber nichts vermocht so sehr zuzwingen /
    Der Grich Anacreon / der Sappho schön Gedicht /
    Vnd auch Ovidius sind jhm zugleichen nicht /
    Der künstlich Amadis ist nie so hoch gegangen.
    Glückseelig ist die Hand / die diesen Brieff gemacht /
    Glückseelig ich die Dint vnd auch die Feder acht /
    Und mehr glückseelig mich / der ich jhn hab empfangen.

    Aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
    Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
    Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 199)
    _______


    XXXIV.

    Als ich dir Delia ein Schreiben zugeschickt /
    Daraus du meine Lieb' vnd grosse Gunst erkennet /
    Hast du es ohne Schuld gantz zornig angeblickt /
    Vnd / wie mir wird gesagt / aus Eyffer bald verbrennet.
    Doch wunder' ich mich nicht / weil du mir feind gewesen /
    Daß diese meine Wort in dir den Grimm erweckt;
    Diß wundert mich viel mehr / weil du den Brieff gelesen
    Daß deiner Augen Glantz jhn nicht hat angesteckt.


    Aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
    Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
    Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979) (S. 733-734)


  • Johann Hermann Schein (1586-1630)

    IX.
    Ach edles bild/ von Tugent mildt/
    Wie thustu mich so krencken/
    Das du nicht hier/ bist stets bey mir/
    mein Hertz wil sich versencken/
    Ach wenn ich doch/ dich sehe noch/
    O süsser schatz/ mein leben/
    Wolt ich gar weit/ mein traurigkeit/
    dem Meer thun ubergeben.

    Nun liebstu mich/ gleich wie ich dich/
    So las es doch auch mercken/
    Und gegen mir/ ach schönste zier/
    beweis es mit den wercken/
    Von hertzen tieff/ schreib mir ein brieff/
    weil mir weit sein gescheiden/
    Und thu da mit/ nach meiner bitt/
    lindern mein grosses leiden.

    Nach dir mein sinn thut seufftzen/
    Kan aber nicht geschehen/
    Das ich so bald/ mein auffenthalt/
    In frewden dich mög sehen/
    Dieweil das glück/ mit seiner tück/
    (O weh/ O weh/ o klagen/)
    Mich schwitzent heis/ von meiner reiß/
    thut wider zurück jagen.

    Ach liebstes Hertz/ bedenck den schmertz/
    Den dieses Lied dir klaget/
    Und dir mein trew/ ohn heucheley/
    gantz trawriglich ansaget/
    Bald mich gewehr/ was ich begehr/
    Schaff das ich labsal finde/
    Ob ich schon leid/ wünsch ich dir frewd/
    dem lieben Himmels Kinde.

    [Akrostichon: ANNA]

    Aus: Venus Kräntzlein Mit allerley Lieblichen und schönen Blumen
    gezieret unnd gewunden Oder Newe Weltliche Lieder
    mit 5 Stimmen etc. Von Ian. Hermano Schein
    Wittemberg In verlegung Thom. Schürers
    ANNO M D C IX [1609] [ohne Seitennumerierung]


  • Andreas Gryphius (1616-1664)

    An Eugenien

    Gleich als ein wandersmann, dafern die trübe nacht
    Mit dicker finsternis lufft, erd und see verdecket,
    Betrübt irr't hin und her und mit viel furcht erschrecket,
    Nicht weiß, wohin er geht, noch was er lässt und macht,
    So eben ists mit mir; doch wenn der mond erwacht
    Und seiner strahlen kertz im wolckenhaus anstecket,
    Bald find't er weg und rath: so wird mein geist erwecket,
    Nun mich der neue trost aus eurem brieff anlacht.
    Doch, warum heißt ihr mich diß schöne pfand verbrennen?
    Wolt ihr in meiner nacht mich bey der glut' erkennen?
    Diß, meines hertzens feu'r, entdeckt ja, wer ich sey.
    Sol, schönste! diß papier nur meine brust berühren,
    So wird es alsobald in aschen sich verlieren,
    Wo von der flamm' es nicht wird durch mein weinen frey.

    Aus: Andreas Gryphius Lyrische Gedichte
    Herausgegeben von Hermann Palm
    Gedruckt für den litterarischen Verein in Stuttgart
    Tübingen 1884 (S. 121-122)


  • Ernst Christoph Homburg (1607-1681)

    Epigramma
    An ein Briefflein

    Fort/ fort/ mein Briefflein fort! zur Liebsten dich hinwende/
    Beküsse drauff vor mich ihr' Alabaster-Hände!
    Merck' auff/ was massen sie empfähet meine Pflicht/
    Annimmet meinen Grus/ nun eile/ säume nicht!
    Auch ziele gar genaw auff ihre Lieblichkeiten/
    Die lieben zarten Tritt'/ und was auff allen Seiten
    Sie handelt/ oder spricht/ beginnet/ oder thut/
    Das nim sehr wol in acht/ das habe wol in Hut!
    Zu förderst schawe doch die krauspen Zöpfflein hangen/
    Und was vor stoltzer Pracht entsteht von ihren Wangen/
    Was Purpur-rohter Glantz von ihren Lippelein/
    So viel-viel schöner noch/ als sonst Corallen seyn!
    Ach wie ein hohes Glück/ in dem die güldnen Stralen
    Der beiden Sternen dich so zierlich werden malen;
    Ach! ach was reiche Gunst/ zu werden umbgewand/
    Zu werden auffgemacht von solcher lieben Hand!
    Doch nein/ mein Briefflein/ nein/ wirst dich so breit nicht machen/
    Fleuch dieses kühne seyn/ und die so kecken Sachen!
    Die Flammen sind zu gros; Und giengest du vorbey/
    So werest dennoch du nicht gar des Brandes frey.
    Erscheine mehr vor ihr mit furchtsamen Geberden/
    Las deiner Augen Liecht sich richten zu der Erden/
    Es ist dir Gunst genug/ daß sie dich nicht verschmäht/
    Und von dir williglich so schlechtes Lob empfäht.
    Es kommet dir nicht bey/ es wil nicht also gehen/
    Bey solcher Damosell nach hoher Gunst zu stehen:
    Dann ob zu weilen es in einem dir trifft ein/
    So kan wol wiederumb im andern Mangel seyn.

    Aus: E. C. Homburgs Schimpff-
    und Ernsthaffte Clio Erster und Ander Theil 1642
    [ohne Seitennumerierung]
    (pdf S. 375-376)


  • Christoph Köler (1602-1658)

    An eine taube

    Du taube, mit der sonst ihr lust pflegt zu vertreiben
    Die Venus und ihr kind, wollst du nicht dieses schreiben
    Zur liebsten tragen fort (doch im vertrawen hin),
    Darein geschloßen ist mein leben, seel und sinn?

    Ich trawe dir gar wol, weil du vor auch getragen
    Geheime brieffe hast, du werdest auch dich schlagen
    Zu Abend in ihr haus und von mir überdieß
    Ihr schencken in den mund viel hundert tausend Küß'.
    (S. 116)
    _____


    Lied. An den Abendstern

    O du Abendstern,
    Der du kompst von fern,
    Die nacht anzukünden,
    Eile doch herauf
    Mit der sternen hauff,
    Thue dich zu mir finden.

    Weil du reisest fort,
    An denselben ort,
    Wo da ist mein leben,
    Wollstu kehren ein
    Mit dem güldnen schein,
    Ihr dieß brieflein geben.

    Bring ihr diesen Gruß
    Neben einem Kuß;
    Daß ihr mag gelingen
    Alles für und für,
    Wünsch ich ewig ihr
    Glück in allen dingen.

    Wann dein schönes Licht
    Durch die fenster bricht,
    Wirstu sie bald sehen,
    Da sie dann darzu,
    Wann sie liegt zur ruh,
    Weiß nicht, wie's geschehen.

    Sieh, ihr äugelein
    Gleichen deinem schein,
    Der zuerst thut blincken;
    Dann sie nicken wol,
    Doch nicht schlaffes voll,
    Und halb offen zwincken.

    Sag ihr dieses an,
    Daß ich ihrer kan
    Nimmermehr vergeßen.
    Wann ich nicht bey ihr,
    Alßdann schmecket mir
    Weder tranck noch eßen.

    Die Zeit ist mir lang,
    Und mir wird so bang,
    Nirgends kann ich bleiben.
    Gar nichts mir gefelt,
    Kein ding auf der welt
    Kan mir weil vertreiben.

    Diese frühlingszeit
    Wenig mich erfrewt,
    . . . . . . . . . . . . .
    . . . . . . . . . . . . .
    . . . . . . . . . . . . .
    . . . . . . . . . . . . .

    Ob schon silberhell
    Alle brunnenquell
    In den wäldern fließen,
    Geben sie doch nach
    Meiner thränen bach
    Und den augenflüssen.

    Wann die Nachtigall
    Über grünem thal
    Morgends früh erklinget,
    Mein ermattet geist
    Sich in stücken reist
    Und ein leidlied singet.

    Ja die vögelein,
    Welche singen rein,
    Kan ich nicht anhören.
    Nur in dem gepüsch
    Muß mich das gezisch
    Der Nachteulen lehren.

    O du nachtlucern,
    Schöner Abendstern.
    . . . . . . . . . . . . .
    . . . . . . . . . . . . .
    . . . . . . . . . . . . .
     . . . . . 
    (S. 121-123)
    _____


    Liebesliedt

    Was ist süsser als der most,
    Als der klee undt binen kost,
    Julep, Malvesier undt meth,
    Feigen, Zucker undt Claret?

    Hundert mal ist süsser diß,
    Wen ich meine liebste küß.
    Wan ich ihren mundt erreich,
    Kom ich gleich ins himmelreich.

    Tausendtmal mich mehr gelüst,
    Biß mich wieder sie geküst
    Undt ihr purpurmündichen
    Flöst mir in mein seelichen.

    Weil ich dan itz selbst nicht kan
    Ihre lippen rühren an,
    Ei, so liefre du papier
    Ihr diß kissichen von mihr.

    Seliger bistu, brief, den ich,
    Wan vor mich sie küßet dich.
    Ach, daß ich der brief nicht bin
    Undt mich brächte selbsten hin!

    Alsdan wehre niemandt nicht,
    Der mein kissen übel richt.
    Da müst meine lust undt freudt
    Lassen ungehast der neidt.
    (S. 144-145)

    Aus: Christoph Köler
    ein schlesischer Dichter des siebzehntes Jahrhunderts
    Sein Leben und eine Auswahl seiner deutschen Gedichte
    von Max Hippe Breslau 1902
     E. Morgensterns Verlagsbuchhandlung
    (Mittheilungen aus dem Stadtarchiv
    und der Stadtbibliothek zu Breslau Fünftes Heft)


  • Johann Rist (1607-1667)

    An seinen Brieff/ welchen die Liebste
    nicht annehmen wollen

    O Du verworffner Brieff/ bist du nun wieder kommen?
    Wie/ daß der Liebsten Handt dich nicht hat angenommen?
    Was war die Ursach doch daß sie dich wolte nicht
    Anstrahlen/ wie sie pflegt mit jhrer Augen Liecht?

    War denn jhr stoltz Gemüth so gar auff dich ergrimmet?
    Für war dem wird so seyn: Ihr Angesicht das glimmet
     Wie leichte Flammen thun/ es zündet offtmals an.
    Vieh/ Menschen/ Holtz unnd Stein/ ja was kaum brennen kan.

    Ach hette doch mein Lieb an dir sich nur gerochen/
    So würde jetzt mein Hertz so schmertzlich nicht zerbrochen.
    Mein Brieff du hast die Schuld/ dir/ dir gehört die Gluht/
    Die Glut/ die meine Seel erbärmlich quälen thut.

    O du verfluchter Brieff/ jetzt wil ich dich zerreissen/
    Und thust du noch so schon von Gold und Farben gleissen/
    So must du doch daran; Nein/ nein/ das ist zu schlecht/
    Die Rach muß schwerer seyn/ das brennen ist dein recht

    Doch wil ich dich zuvor hinwerffen auff die Gassen/
    Und da im schwartzen Koth so lang zertretten lassen/
    Bis du vermodert bist! Mir felt was anders ein/
    Was gilts/ das ist noch wol die allergröste Pein?

    Ich wil dich geben hin den Würmen auff zu fressen/
    Daß gleich wie mich die Lieb ein lange Zeit besessen
    Auch noch stets quälen thut/ so solt du Nacht und Tag
    Der Motten Speise seyn/ und daß ist meine Rach.


    Aus: Johannis Ristii Musa Teutonica
    Das ist: Teutscher Poetischer Miscellaneen
    Erster Theil in welchen begriffen
    Allerhandt Epigrammata Oden, Sonnette,
    Elegien, Epitaphia, Lob/ Trawr und Klaggedichte/ etc
    Zum Drittenmahl Gedruckt bey Johann Guttwasser
    in Verlegung Tobiae Gundermanns 1640
    [ohne Seitennumerierung] (pdf. S. 197f)


  • David Schirmer (1623-1687)

    Als Seine Marnia gestorben

    O Brief! O Donner-Wort! mein schönes Lieb ist hin.
    Was mach ich nun mit mir? mit mir/ ach! mit mir Armen?
    wer wird sich über mich hinfort/ wie vor/ erbarmen?
    Ich sterb/ ich sterbe mit/ daß ich stets bey ihr bin.

    Hier hastu/ Marnia/ hier hastu meinen Sinn.
    Hier hastu meinen Geist/ den lieben/ den noch warmen.
    Hier hastu meinen Muth. Hier hastu Pein und Harmen
    Hier hastu mich/ dein Gantz/ du Himmels Bürgerin.

    Rauß Hertze/ rauß/ ihr nach! Rauß! folge deiner Schönen.
    Rauß/ Seele/ rauß/ empor! Such ihre Liebligkeit.
    Fahr in Elysien/ und kürtz ihr ihre Zeit.

    Diß eintzig ist mein Trost/ diß eintzig ist mein Sehnen:
    Lebstu nicht/ Marnia/ so lebstu doch in mir.
    und sterb ich nicht alsbald/ so sterb ich doch in dir.

    Aus: David Schirmers Poetische Rosen-Gepüsche
    Von Ihm selbsten aufs fleißigste übersehen/
    mit einem gantz neuen Buche vermehret
    und in allem verbesserter heraus gegeben
    Dresden
    In Verlegung Andreas Löflers Buchführers
    Gedruckt bey Melchior Bergen 1657 (S. 210-211)


  • Johann Georg Schoch (1627-um 1690)

    Als er sie wiederumb zu Passe fande

    Ists wahr/ (wie man bericht/) daß du so kranck gewesen?
    Die Seele ware mir in deiner Seele kranck/
    Als ich die Post vernam. doch sey den Göttern danck/
    Daß du ChyRinthie nun wieder bist genesen.

    Ach wie betrübt war mir dein Zustand doch zulesen
    Du würdests machen nicht mehr gar zu übrig lang/
    Das letzte würde seyn von mir ein Grab-Gesang.
    Diß war der erste Brieff den ich bekam in Dresen.

    O unglückhaffter Brieff! wie machst du mich bestürzt!
    Daß ich nicht wieder froh zu Meisen könte werden.
    Mir war/ als wäre dir das Leben schon verkürzt/

    Und spreche dich nicht mehr/ als etwan in der Erden.
    Doch seht was Freundlichkeit bey dir verrichten kan/
    Der Todt der nam sich selbst im Tode deiner an.

    Aus: Johann Georg Schochs Neu-erbaueter Poetischer Lust- und Blumen-Garten/
    Von Hundert Schäffer-Hirten-Liebes- und Tugend-Liedern
    Wie auch Zwey Hundert Lieb-Lob- und Ehren-Sonnetten
    auf unterschiedliche Damen/ Standes-Personen/
    Sachen/ u. d. g. Nebenst Vier Hundert
    Denck-Sprüchen/ Sprüch-Wörtern/
    Retzeln/ Grab- und Uberschrifften/ Gesprächen und Schertz-Reden/
    Leipzig In Verlegung Christian Kirchners Im Jahr 1660 (S. 19)


     

 


 

 


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