"So geh' denn hin, mein Brief,

du weiße Taube, zu ihm . . ."

Der Brief in Liebesgedichten deutscher Dichter und Dichterinnen
des 17.-20. Jahrhunderts

 


Rudolf Epp (1834-1910)
Der Liebesbrief



Verzeichnis der Dichterinnen:
 





  • Maria Scholz (Ps. Maria Stona) (1861-1944)

    Der Brief

    Mir ist, als ob eine Stimme
    Mich in der Ferne rief . . .
    Schon nahst du mir durch die Weiten,
    Du blasser, heimlicher Brief.

    Schon jauchz' ich dir entgegen
    Mit flammender Ungeduld,
    Und meine Lippe zittert
    Von meiner seligen Schuld.

    O komm, du wegmüder Bote,
    Du sollst mir willkommen sein,
    Du legst in meine Hände
    Den allerheiligsten Schrein.

    Drin ruht mit dunklen Zügen
    Seine Liebe auf weißem Grund,
    Und ich presse auf ihre Seele
    Meinen heißen dürstenden Mund!

    Aus: Flammen und Fluten
    Neue Gedichte von Maria Stona
    Dresden Verlag von Carl Reissner 1912 (S. 65)


  • Lessie Sachs (1897-1942)

    Chanson

    Ich habe einen Bräutigam im fernen U.S.A.
    Ach, er verliebte sich in mich, sofort als er mich sah ...
    Und darauf ging er wieder fort, das ist jetzt zwei Jahr' her,
    Wie ist ein Brautstand doch so schwer, so über's grosse Meer!

    Und jetzt, da schreibt er Sonntags stets den fäll'gen Brief an mich
    An Wochentagen tut er's nie, die Daten ich verglich,
    Wenn er in allen Dingen so, - so nach dem Schema geht, -
    Mein Gott, wie wird es schwierig sein, bis er mich recht versteht.

    Denn ich - ich hab' mal keine Lust,
    Und mal sag' ich: Du musst, du musst,
    Vielleicht will ich's am Sonntag nicht,
    Doch Montag bin ich drauf erpicht,
    Die Frauen sind ja launenhaft,
    Besonders in der Leidenschaft!

    Die Briefe meines Bräutigams einander ähnlich sind,
    Als Anrede da schreibt er stets: mein liebes, liebes Kind!
    Der Koseworte gibt es viel, das hat man mir erzählt,
    Die Wirkung hat bestimmt verfehlt, wer stets das gleiche wählt.
    Er schreibt mir stets, er träumt von mir, jedoch das nützt nicht viel
    Man braucht doch mehr als einen Traum zu einem Liebesspiel!
    Wenn er in allen Dingen so, so wenig nüanciert,
    Wie schafft es dann mein Bräutigam, dass er mich amüsiert?

    Denn ich, - ich sag' vielleicht: yes, Sir,
    Und mal schenk' ich ihm kein Gehör, -
    Vielleicht, dass ich es morgen tu, -
    Doch heute möcht' ich meine Ruh!
    Weh' dem, der keinen Wechsel schafft,
    Besonders in der Leidenschaft.

    So sitz' ich in Europa hier, und er in U.S.A.
    Der Weg ist ja wahrhaftig weit bis nach Amerika! -
    Jetzt bin ich hier, und er ist dort, doch denken wir zugleich:
    Wie macht doch so ein Brautstand bleich, so über'n grossen Teich! -
    Ich frag' mich oft, wie wird es sein, wenn wir einmal zu zwei'n,
    In jedem Brief am Schlusse steht, ich bin für immer Dein!
    Doch wenn ich meinem Bräutigam die ewige Treue schwör? -
    Dann heisst's für das, was er verlangt zu jeder Zeit: yes Sir. -

    Und ich - ich denk' mal das ist Glück,
    Und mal schreck' ich davor zurück,
    Mal denk' ich, wenn's nur soweit wär',
    Und manchmal will ich garnicht mehr ...
    Der Wechsel stärkt die Liebeskraft -
    Besonders in der Leidenschaft.

    Aus: Lessie Sachs Collection 1
    Lessie Sachs Collektion 1:
    http://archive.org/details/lessiesachscolle11unse



  • Frieda Port (1854-1926)

    Du klagst aus deiner Herzenstiefe,
    Kein Wörtchen Liebe,
    Kein Hauch Erhörung leb' in meinem Briefe.

    Ja, unser Beider Leid wird ewig währen.
    So starke Flammen,
    Die mich bedrohn, wie wagt' ich, sie zu nähren?


    Aus: Gedichte von Frieda Port
    Berlin Verlag von Wilhelm Hertz
    (Bessersche Buchhandlung) 1888 (S. 12)
    _____


    Brennende Liebe

    Heute Morgens gab mir - warum gerade
    Heut! - die kleine Blonde, die stets am Wege
    Auf mich lauert, schelmisch ihr kleines Sträußchen,
    Anfangs verbergend -

    Heute zwischen Rosen und Nelken gab sie
    Mir die Blume brennende Liebe; mitten
    Noch ein Reichthum grünender Knospen, außen
    Farbige Blüten.

    Deinen Brief noch trug ich in meinen Händen,
    Und mit Lächeln dacht' ich der Schmeichelworte
    Und des allzu gläubigen Herzens, das der
    Worte sich freute.

    Erst von gestern ist auch die Blüte unsrer
    Liebe; sieh, die grünenden Knospen grüßen
    Aus dem Kranz von rothen erblühten Blumen
    Voller Verheißung!

    Aus: Gedichte von Frieda Port
    Berlin Verlag von Wilhelm Hertz
    (Bessersche Buchhandlung) 1888 (S. 133)


  • Gertrud Pfander (1874-1898)

    Ein andere Brief

    Liebster - oh - mir ist so bang.
    Seit ich Dir zuletzt geschrieben,
    Bin ich nun neun Tage lang
    Ohne Brief von Dir geblieben.

    Liebster - oh Du bist mir gram,
    Und das Heimweh will mich beugen.
    Was mir nachts den Schlummer nahm,
    Ist Dein Zürnen und Dein Schweigen.

    Liebster - oh - mein Fieberwahn
    Raunt mir tolle Siebensachen.
    Hab ich Unrecht Dir getan,
    Neig' verzeihend Dich der Schwachen!

    Liebster - oh - bis Du ein Wort
    Klar und stillend ausgesprochen,
    Muß ich harren, fort und fort,
    Nacht um Nacht - und ging es Wochen.

    Liebster - oh - sollte früher Tod
    Den versengten Mund mir küssen:
    Bis zum ewigen Morgenrot
    Würd ich dann
    Deines Wortes harren müssen.

    Aus: Helldunkel Gedichte und Bekenntnisse
    von Gertrud Pfander
    Mit einer biographischen Einleitung
    herausgegeben von Karl Henckell
    Der "Passifloren" zweite vermehrte Auflage
    Bern Verlag von A. Francke 1908 (S. 168)


  • Gertrud Kolmar (1894-1943)

    Die Verlassene
    An K. J.

    Du irrst dich. Glaubst du, daß du fern bist
    Und daß ich dürste und dich nicht mehr finden kann?
    Ich fasse dich mit meinen Augen an,
    Mit diesen Augen, deren jedes finster und ein Stern ist.

    Ich zieh dich unter dieses Lid
    Und schließ es zu und du bist ganz darinnen.
    Wie willst du gehn aus meinen Sinnen,
    Dem Jägergarn, dem nie ein Wild entflieht?

    Du läßt mich nicht aus deiner Hand mehr fallen
    Wie einen welken Strauß,
    Der auf die Straße niederweht, vorm Haus
    Zertreten und bestäubt von allen.

    Ich hab dich liebgehabt. So lieb.
    Ich habe so geweint ... mit heißen Bitten ...
    Und liebe dich noch mehr, weil ich um dich gelitten,
    Als deine Feder keinen Brief, mir keinen Brief mehr schrieb.

    Ich nannte Freund und Herr und Leuchtturmwächter
    Auf schmalem Inselstrich,
    Den Gärtner meines Früchtegartens dich,
    Und waren tausend weiser, keiner war gerechter.

    Ich spürte kaum, daß mir der Hafen brach,
    Der meine Jugend hielt - und kleine Sonnen,
    Daß sie vertropft, in Sand verronnen.
    Ich stand und sah dir nach.

    Dein Durchgang blieb in meinen Tagen,
    Wie Wohlgeruch in einem Kleide hängt,
    Den es nicht kennt, nicht rechnet, nur empfängt,
    Um immer ihn zu tragen.

    Aus: Gertrud Kolmar: Das lyrische Werk
    Kösel Verlag 1960 (S. 127-128)


  • Alma Johanna Koenig (1887-1942)

    Trennung

    Jeden stillen Abend bet ich für dich,
    sonst fänd ich nicht Schlaf noch Rast.
    Mit gefalteten Händen nehm ich auf mich,
    was vielleicht du gesündigt hast.

    Jeden stillen Abend küss ich dein Bild,
    - ich hab mich bescheiden gelernt -
    dein Antlitz, das als mein Himmel mir gilt,
    ist ganz von Küssen besternt.

    Du schreibst mir: "- ich lieb dich, so wahr und so tief,
    wie's jeden nur einmal trifft ..."
    Es malt sich dein lieber, zerknitterter Brief
    mir am Herzen in Spiegelschrift.


    Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
    F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 15)


  • Louise Koch-Schicht (1873-1927)

    Zu Ende

    Noch stehn am Schreibtisch deine Bände,
    wie du sie selbst geordnet hast,
    als warteten sie deiner Hände,
    als weiltest du nur fern zu Gast —

    Und wenn mit Briefen kommt geschritten
    ins Haus der Bote, ist es mir,
    als schriebst du mir, wie du gelitten,
    so heimatbange sei es dir!

    Und weiß doch, wie so schmerzbeklommen
    das Herz mir schlägt, man grub dich ein —
    und nie, nie wirst du wiederkommen . . .
    und alles muß zu Ende sein.

    Aus: Der treue Buhle. Neue Gedichte von Louise Koch-Schicht
    Hans Sachs Verlag München Leipzig 1913 (S. 41)


  • Therese Keiter (Ps. M. Herbert) (1859-1925)

    Die kleine Uhr

    Die kleine Uhr, die du mir gabst,
    Zählt eifrig laufend die Minuten,
    Die wie des Lebens Funken sind,
    Die aufwärts stieben und vergluten.
    Sie zählt sie wie mein klopfend Herz,
    Sie wachsen an zu langen Tagen,
    Sie wachsen still zu Jahren an -
    Die weiter mich ins Alter tragen.
    Ich lausche, ob das Tick und Tack
    Noch spricht von deiner Lieb und Treue,
    Ob sie schon flattern hoch im Wind
    Wie Herbsteslaub und Stroh und Spreue?
    Ob in dem leisen Stundenschlag
    Noch eine Sehnsucht nach mir riefe?
    Ob du in stillen Nächten träumst
    Noch über einem alten Briefe? -
    Die kleine Uhr, die du mir gabst,
    Zählt eifrig laufend die Minuten,
    Die wie des Lebens Funken sind,
    Die aufwärts stieben und vergluten.

    Aus: Einsamkeiten Gedichte von M. Herbert [Therese Keiter]
    Fünfte und sechste Auflage
    Köln am Rhein Verlag und Druck von J. P. Bachem 1913 (S. 24)


  • Isabelle Kaiser (1866-1925)

    Brief

    Nicht ungeschrieben soll es bleiben,
    Kommt es auch nie in deine Hand;
    Was ich verschwiegen, laß mich schreiben,
    Denn mein ist, was an dir ich fand.
    Ich hatte dich ja Tag und Nacht
    Ersehnt, geahnt, in Traumesnot;
    Oft bin ich schluchzend aufgewacht
    Und glaubte, du seist lange tot.
    Da glomm ein stilles, heil'ges Licht,
    Und in der Larven öder Schar
    Sah ich dein maskenlos Gesicht
    Mir zugewendet sonnenklar.
    Und sonnenhell traf mich dein Blick;
    Es läßt ein Schicksal sich nicht wenden,
    In Demut nahm ich mein Geschick
    Aus deinen schlanken Sonntagshänden.
    Wir hatten uns noch nie gesehn
    Und haben uns so rasch erkannt,
    Umrauscht vom gleichen Sturmeswehn
    Und stammend aus demselben Land.
    Ein Land, wo blasses Leid umgeht.
    Wo todgeweihte Menschen wohnen,
    Und wo der Rabe kreischt: Zu spät!
    Hoch über windverwehten Kronen.

    Ein Land mit säulenreichem Dom,
    Wo keine Bittgesuche frommen,
    Kein Brückenjoch wächst überm Strom
    Zum jubelnden Zusammenkommen.

    O du! gefunden und verloren!
    Vom Sturmwind wieder fortgeweht
    Im Land, wo hoch ob allen Toren
    "Laßt alle Hoffnung fahren!" steht.

    Ich wandle frei, Haupt in den Lüften,
    Und lausche deiner Stimme Klang,
    Denn du und ich, hoch über Grüften,
    Wir schweben wie ein Zwiegesang.

    Dem Brief, der dich nicht finden kann,
    Soll zur verschwiegnen Aufschrift werden
    Ein Wort nur: "Ihm, dem lieben Mann!"
    Und: "Irgendwo auf Gottes Erden!"

    Aus: Mein Herz
    Gedichte von Isabelle Kaiser
    3. und 4. vermehrte Auflage
    J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger
    Stuttgart und Berlin 1921 (S. 22-23)


  • Frieda Jung (1865-1929)

    Briefe

    Ein Wörtlein! Schaut so klein sich an,
    Daß es mein Mund bedecken kann,
    Mein heißer, roter Mund.
    Und birgt doch eine Welt für mich!
    O Gott! Er schreibt: „Ich liebe dich!"
    Das macht mein Herz gesund.

    Ein Wörtlein! Sieht so winzig aus!
    Und wankt um mich doch rings das Haus
    Bei jedem Federstrich!
    Und fliegt und bebt mir doch die Hand,
    Als hielt' ich einen Feuerbrand!
    ""Ach, du! Und ich ..! Und ich ..!""

    Aus: Neue Gedichte von Frieda Jung
    Fünfte Auflage Mit dem Bildnis der Dichterin
    Königsberg i. Pr. Verlag von Gräfe & Unzer o. J. [1916] (S. 5)


  • Ricarda Huch (1864-1947)

    Liebchen, mühsam und beschwerlich läßt sich
    Stählern kritzeln auf papiernen Blättern!
    Wärst du bei mir, ach wie gerne preßt' ich
    Auf dein Lippenpaar lebend'ge Lettern.
    Schriebe drauf mein töricht Liebeshoffen:
    Rosenblätterbrief von Tau benetzt!
    Und die Antwort wär' schon eingetroffen,
    Eh' ich noch das Siegel aufgesetzt.

    Aus: Ricarda Huch Gesammelte Werke
    Fünfter Band: Gedichte, Dramen, Reden,
    Aufsätze und andere Schriften
    Herausgegeben von Wilhelm Emrich
    Kiepenheuer & Witsch 1966-1970 (S. 203-205)


  • Sidonie Grünwald-Zerkowitz (1852-1907)

    Ein Wort - ein Zunder

    Im Briefe Dein
    Das Wörtchen klein:
    »Ich liebe Dich!«
    Wie fesselt's mich!
    Daß ich darauf muß immer sehn,
    Bis mir die Augen übergehn!

    Das Wort im Brief
    Wie warf es tief
    Mir seine Glut
    In Seel' und Blut!
    Vielleicht geschrieben ohne Acht,
    Was hat dies Wort in mir entfacht!


    Aus: Sidonie Grünwald-Zerkovitz:
    "Das Gretchen von heute". Wien 1890 (S. 12)


  • Theresa Gröhe (Ps. T. Resa) (1853-1929)

    In alten Briefen

    In alten Briefen las ich heut' -
    Und mir entgegen schlug, wie Flammen,
    Die kurze, heiße Seligkeit,
    Die wir durchlebten einst zusammen.

    Von "ewiger Liebe" las ich dort -
    "Und bräche mir die Welt in Trümmer,
    An deinem Herzen sei mein Hort,
    Mein Heil, mein Trost, für immer - immer!"

    Der du so stolze Worte sprachst,
    So hoher Treue dich vermessen,
    Und unser Glück so bald zerbrachst
    Und meines Gram's so ganz vergessen. -

    Der mein sein wollte - über'n Tod
    Und über Menschenneid und Hassen
    Und mich in meiner tiefsten Not
    So ganz vereinsamt dann gelassen,

    Tritt her! schau' mir ins Angesicht,
    D'raus längst entwich des Glückes Schimmer,
    Sprich wieder - und erröte nicht,
    Wenn du es sprichst: "für immer! - immer!"


    Aus: Gedichte von T. Resa
    Königsberg i. Pr.
    Thomas & Oppermann
    (Ferd. Beyers Buchhandlung) 1900 (S. 134)


  • Elisabeth Braunhoff (1917)

    Der Brief ins Feld

    1.
    Will ein Lied mich stets ans Fenster zwingen,
    Wenn Soldaten hier vorüber gehen,
    Das von Heimat sagt, von Wiedersehen,
    Und wie schön im Wald die Vöglein singen . . .

    Täglich kommts heran mit Schall und Klingen,
    Bis aus allen Häusern Tücher wehen . . .
    - Denk ich: Einer, den ich angesehen,
    Mag vielleicht zu dir mein Grüßen bringen . . .

    Und vor jenen, die so tatbereit
    Singend unsre ganze Hoffnung tragen,
    Schäm' ich mich, dir noch ein Wort zu sagen,

    Über meiner Tage Nichtigkeit . . .
    - Fern verhallt Gesang und Trommelschlagen . . .
    Und ich lege still den Brief beiseit. -
    (S. 21)

    2.
    Wie ich dich liebe, weiß allein die Nacht.
    Nur ihre kühle Hand vernahm das Pochen
    Jagender Pulse in den vielen Wochen,
    Die ich gewartet, - die ich stumm verwacht . . .

    Die süßen Worte deiner tiefen Glut, -
    In jener ersten Liebesnacht gesprochen,
    Da Gott und Schicksal über uns zerbrochen, -
    Trank und bewahrt nun treu mein selig Blut . . .

    Es ging so laut mir oftmals durch die Glieder,
    Daß ich vor seinem schweren Rauschen meinte,
    Ich hörte deine dunkle Stimme wieder . . .

    Darüber kam es, daß ich leise weinte . . .
    Des Tages starre Kraft verrann hernieder,
    Bis mich ein Traum, - ein armer Traum, - dir einte. -
    (S. 22)

    3.
    Wenn ich dich je verlöre an die Erde, -
    Die dunkle Erde, die ich so sehr liebe,
    Die Ihr zerwühlt mit raschem Spatenhiebe,
    Daß sie Euch berge vor des Lebens Fährde, -

    Wenn ich dich je verlöre an die Erde, -
    Ich weiß es, daß mein Mund geschlossen bliebe,
    Und läg' mein Herz in Stein, der es zerriebe,
    Ich fände keine grelle Leidgebärde.

    Um ew'gen Himmel rüttelt mir kein Schreien, -
    Und keine Dichtung, künstlich aufgebaut,
    Kann mir die Tropfen Blut zum Schmuckstück reihen . . .

    Ein weltenweiter Schmerz hat keinen Laut.
    Der Hände Arbeit müßte ihn vertraut
    Verhüllen wie ein Mantel - und befreien. -
    (S. 23)

    4.
    Geht ein grauer Tag im Havellande . . .
    Schwarzer Wald kränzt, gleich als ob er wüßte,
    Daß es gramvoll sich zu sterben rüste,
    Fahles Land mit dumpfer Grabgirlande.

    Springt ein Wellchen auf am gelben Strande,
    Gleitet fern in kalte Nebelwüste . . .
    Streift wohl irgendwo an fremder Küste
    Ueber deinen Fuß im Ufersande . . .

    Will dir meiner Tage Stillstes sagen:
    Daß - umstarrt von einer Welt Verderben, -
    Nur um Eins die dunkle Inbrunst bebe:

    Deines Wesens Glanz, den fürstlich herben,
    Dich zum Leben abermals zu tragen,
    Wenn ich je ein Kind zur Sonne hebe . . .
    (S. 24)

    Aus: Elisabeth Braunhoff
    Vom fernen Ufer Sonette
    Egon Fleischel & Co Berlin 1917


  • Elsa Asenijeff (1867-1941)

    Wüste Zeit

    Sie, sonst von der gleichmässigen Heiterkeit
    Der Strahlend-Gesunden,
    Sie hat seit langer Zeit
    Nicht Ruhe gefunden.
    Eine Stimme hat in ihr Leben geklungen,
    Augen sah sie, schön wie das Licht,
    Nun hört sie Reden der anderen nicht
    Und bleibt von einem Blick bezwungen.
    Wenn auf der Strasse die Hupe tönt,
    So steht sie bang an das Fenster gelehnt,
    Wenn die Klinke der Tür sich leise senkt,
    So ist ihr Blut von süsser Angst bedrängt,
    Wenn das Mädchen am Silbertablett
    Ans Bett die Post ihr bringt,
    Zerrt sie hastend die Briefe herunter,
    Der eine – der eine ist nie darunter.

    Aus: Elsa Asenijeff Die neue Scheherazade
    Ein Roman in Gefühlen
    Georg Müller, München 1913  (S. 23)


  • Louise Otto (1819-1895)

    Aus der Gefängniszeit 1850-1856
    Zwei Fenster

    II.
    Ein Fenster hinter dichten Eisenstäben,
    Das klein und schmal kaum einen Blick verstattet
    Das nur ein wenig aufwärts zu erheben,
    Geringelt Glas, darin das Licht ermattet.

    Ein enger Raum wie eine Klosterzelle,
    Der Wände Grau, die Farbe der Bedrängnis.
    Verscheucht schon früh des kurzen Tages Helle,
    Verdunkelt noch das einsame Gefängnis.

    Ein bleicher Mann, versunken in Gedanken,
    Lehnt an dem Fenster sucht des Himmels Bläue,
    Denn auch in seines Kerkers enge Schranken
    Schaut noch dies Blau! - die Farbe ewger Treue!

    Und seines Mädchens, seiner Trauten Farbe!
    Er denkt an sie, die ihm die einzig Eine,
    Und wie er leide, wie er duld und darbe,
    Er fühlt sich reich, denn sie bleibt doch die Seine!

    Sie denkt wie er, sie weiß warum er leidet -
    Vor einer Welt hat stolz sie's ausgesprochen:
    Wer für den Glauben seiner Seele streitet
    Hat nichts vor Gott, noch vor sich selbst  verbrochen.

    Ein Brieflein hält er zwischen seinen Händen,
    Denn nicht verbannt ist solches Liebeszeichen,
    Sie dürfen sich einander Grüße senden,
    Wenn strenge Fristen auch dazwischen streichen.

    Was kann sie andres ihm als Liebe schreiben,
    Der keinen Trost bedarf um nicht zu wanken?
    Sie meldet ihm, daß Myrt, und Lorber treiben
    Und frisches Grün der Hoffnung Epheuranken!

    Ein Seufzer, dann ein Lächeln - und aufs neue
    Küßt er den Brief, der Wonne ihn bereitet,
    Singt dazu leis' ein Lied von Lieb und Treue,
    Von Gottes Hand, die sie, wie ihn geleitet.

    Aus: Louise Otto Mein Lebensgang:
    Gedichte aus fünf Jahrzehnten
    Leipzig: Schäfer 1893
    (S. 145-151)


  • Julie Gräfin Oldofredi-Hager (1813-1879)

    Ein versendetes Veilchen im Briefe

    Ob wohl dies Veilchen Duft behält,
    Bis es Dich trifft in weiter Welt?

    Ob sich zurück Dein Sinn dann lenkt,
    Wie man geträumter Freuden denkt?

    Zerpflückt, wie dieses Blüthenstück,
    Ist längst ja auch mein Rest von Glück! -

    Denn ob der Lenz auch wiederkehrt,
    Dem Menschenlenz ist's nicht gewährt! -

    Aus: Moos. Vermischte Gedichte
    von Julie Gräfin Oldofredi-Hager
    Wien Aus der k. k. Hof- und Staatsdruckerei 1853 (S. 53)


  • Lilly Kutzner (1853-?)

    Liebesbrief

    Ich kenn' eine Fee, wie das Mondlicht bleich,
    Es folgen ihr viele Vasallen,
    Sie trägt auf der Brust einen Hoffnungsstern,
    Und Perlen den Wimpern entfallen.

    Im Stirnbande blüht eine Rose ihr,
    Die duftet von Lieb und von Leben,
    So naht sie, bist fern' du, und weichet nicht,
    Die Wiederkehr macht sie entschweben.

    Erlöse mich bald von der Zauberin!
    Und laß dir mein Briefchen gefallen!
    Die Fee, sie heißt Sehnsucht, o süßer Freund,
    Die Thränen sind ihre Vasallen.

    Aus: Unsere Frauen in einer Auswahl aus ihren Dichtungen
    Poesie-Album zeitgenössischer Dichterinnen
    Von Karl Schrattenthal
    Mit zwölf Porträts in Lichtdruck
    Stuttgart 1888 (S. 378)


  • Elise Hochweber (1818-1894)

    Lichtröslein

    Bei meines Lämpchens heiterm Schein
    Saß ich gar traurig und allein;
    Im Herzen war's mir weh und bang',
    Mein ferner Freund blieb aus so lang',
    Und hatt' von Lieb' und Leben
    Kein Zeichen mir gegeben.

    Ich dachte so der schönen Zeit,
    Da er noch war an meiner Seit',
    Rief uns'rer Liebe stilles Glück
    Mit heißen Thränen mir zurück,
    Und nährte tief die Wunde
    Und seufzt' um frohe Kunde.

    Da, plötzlich klar in Lichtleins Gold
    Erglüht ein Röslein fein und hold.
    "Das Röslein bringt dir einen Brief!"
    Ich freudig jubelnd zu mir rief.
    Ich hört von guten Leuten
    Stets so dies Zeichen deuten.

    Begab mich nun mit froherm Muth
    In Schlummers milde, sanfte Hut;
    Und als ich noch gar wonnig schlief,
    Bracht' Mütterchen des Freundes Brief. -
    D'rum soll mir nichts den Glauben
    An euch, Lichtröslein, rauben.

    Aus: Deutschlands Dichterinnen
    in chronologischer Folge
    herausgegeben von Abraham Voß
    Düsseldorf 1847 (S. 484)


  • Nina Güthner (1835-1905)

    Der Brief

    Ich halte deinen Brief in Händen,
    Noch ist das Siegel unverletzt, –
    Ach, Alles kann der Brief mir spenden,
    Was meine glüh'nde Seele schätzt.

    Doch all mein Glück kann er auch enden,
    Vernichten jeden Hoffnungsstrahl, …
    Ich halte deinen Brief in Händen,
    Mein Herz erbebt in Zweifels Qual.

    Doch mag er Glück, mag Trauer spenden,
    Bringt er mir Jubel oder Pein, –
    Er kommt aus deinen lieben Händen, …
    Dein Brief soll mir willkommen sein.

    Aus: Neue Monatshefte für Dichtkunst und Kritik
    Herausgegeben von Oscar Blumenthal 
    Dritter Band, Verlag Ernst Julius Günther, Leipzig, 1876 (S. 507)


  • Ada Christen (1839-1901)

    Logik

    Es liegt voll seichter Logik
    Dein Brief in meinen Händen;
    Du meinst, was einen Anfang gehabt,
    Das müss' auch wieder enden.

    Ich kann mit solcher Weisheit
    Mich heute nimmer raufen;
    Doch meine beste Logik wär',
    Mir einen Strick zu kaufen.

    Aus: Ada Christen Lieder einer Verlorenen
    Hamburg Hoffmann & Campe 2. Auflage 1869 (S. 78)


  • Ferdinande von Brackel (1835-1905)

    Der Liebesbrief

    Lieb' ist süß; an sauren Stunden
    Ist sie aber auch nicht arm,
    Machte wohl zu allen Zeiten
    Manchem Kopf und Herze warm.

    War ein echter Kern-Geselle,
    Durch und durch westfäl'scher Stamm,
    Fest und zähe wie die Eiche,
    Die aus seiner Heimath kam.

    Bärtig Antlitz, breiter Rücken,
    Sieben Fuß an Längenmaß;
    Große Abneigung vor'm Bücken,
    Eine mächt'ge Adlernas'.

    Solche stolze Nase aber
    Man sich gern gefallen läßt,
    Wenn durch sechzehn Ahnenreihen
    Sie auf keinen Fehler stößt.

    Dieses Glück war ihm geworden:
    Reiner Stammbaum, blaues Blut.
    Leichter läßt sich dann verschmerzen,
    Wenn nur wenig irdisch Gut.

    War doch ein zufried'ner Junge,
    Still vergnügt mit Gott und Welt,
    Hinter'm Humper tücht'ger Trinker,
    Tücht'ger Jäger auf dem Feld.

    Nur sein Haus blieb leer und öde
    Noch so manches liebe Jahr;
    Ohne jede schön're Hälfte
    Er sich selbst ein Ganzes war.

    Doch noblesse nous oblige
    Heißt zu Deutsch: "legt Pflichten auf";
    Und zum Suchen, was ihm fehlte,
    That er drum die Augen auf.

    Ging zu Basen und zu Sippen
    Weit herum im ganzen Land,
    Wo er unter vielen Töchtern
    Eine reiche Auswahl fand.

    Blaue Augen, blonde Haare,
    Sind und bleiben hübsche Ding';
    So geschah es binnen Kurzem,
    Daß sein Herze Feuer fing.

    Doch im Land der rothen Erde
    Brennt solch' Feuer zahm und still,
    Und ein echt westfälisch Mädchen
    Weiß von Anfang, was es will.

    Macht nicht lange Zier und Mucken,
    Liebt nicht vieler Worte Kram:
    Kurzes Wort auf kurze Frage,
    Dann ist's Braut und Bräutigam.

    Nicht viel haben, nicht viel wünschen,
    Ist die Mitgift bald bedacht:
    Bei dem Bräutchen süße Stunden,
    Beim Papa viel schöne Jagd.

    Und da sprecht ihr noch von Plage!
    War denn Liebe süßer je?
    Jede Ros' hat ihre Dornen,
    Jede Liebe hat ihr Weh'!

    Sieben Stunden weite Straße,
    Berg hinab und Berg hinan,
    Ist fürwahr wohl zu bedenken,
    Wenn nicht Post noch Eisenbahn.

    Hat die Liebe auch wohl Flügel,
    Merkt der Gaul doch nichts davon:
    Zieht den Rechten, lahmt am Linken,
    Das ist dann der Liebe Lohn.

    Und so ist denn eingetreten
    Eines Tags der schlimme Fall,
    Daß gar steif an allen Gliedern
    Stand das Rößlein in dem Stall.

    Alle Sehnsucht konnt' nicht helfen,
    Jede Kur schlägt nicht mehr an;
    Manche lange Trennungsstunde
    Plagte nun den armen Mann.

    Doch, da siehe! eines Abends
    Trat ein Bote schwer herein,
    Zog aus grauer, schmutz'ger Hülle
    Einen Zettel zart und fein.

    Mit gar zierlich nettem Schriftchen,
    Etwas steif und nonnenhaft,
    Frägt in schön gesetzten Worten,
    Was denn der Herr Bräut'gam schafft.

    "Ja, zum Teufel, vierzehn Tage
    Liefen seitdem schon herum!"
    Nein, fürwahr er kann nicht bleiben
    Fürderhin noch länger stumm.

    Doch der Braune lahmt noch immer.
    Schreiben muß er, das ist klar.
    Und er seufzt und streicht bedächtig
    Durch das volle, krause Haar.

    Aber dann zum Secretair
    Geht er mit entschloss'nem Tritt.
    Tinte, Federn? Vor'gen Monat
    Er die letzte Feder schnitt.

    Prüft nun lange, wählt bedächtig,
    Rückt den Stuhl und rückt den Tisch;
    Staubt erst Acten und Papiere
    Sorglich mit dem Federwisch.

    Nimmt von hinnen manch' Gekrame:
    Pulverhorn und Flintenlauf,
    Legt 'nen Bogen, groß gefalten,
    Auf viel and're Bogen auf.

    Denn er weiß wohl, was sich schicket,
    Was kommt andern Leuten zu;
    Schrieb noch neulich an's Gerichte
    Im Processe um die Kuh.

    Unter rubrum Zwei zu finden
    Ist die copia im Archiv;
    Gut vielleicht wär's, wenn den stylus
    Er sich in's Gedächtniß rief.

    Denn wenn man, dem Herrn sei Danke,
    Grad kein Federfuchser ist,
    Ist's natürlich, daß so Manches
    Mit den Jahren sich vergißt.

    Und der Brief war gut gewesen
    Ja, die grundgelehrten Herrn
    Hinter ihrem grünen Tische
    Lasen solchen Brief nicht gern.

    Doch die Feder in die Tinte
    Taucht er nun entschlossen ein,
    Malt da oben hoch am Bogen
    Eine schöne Nummer 1:

    Nummer ein, die erste Acte,
    Die er diesen Mond begann.
    Ja, er weiß Geschäft zu führen,
    Ist ein ordentlicher Mann.

    Freiherr X contra die Freiin -
    Folgt der Name schön und klar,
    "Hochwohllöblich" kann er schreiben,
    Schrieb doch an's Gericht es gar.

    Und wenn das war Hochwohllöblich,
    Was so manchen Gram ihm macht,
    Hat er's wohl mit größerm Rechte
    Seiner Jungfer Braut gesagt.

    "Hochwohllöblich wollte melden
    Wegen der" - "nein das geht nicht!"
    Hätt' ja wahrlich fast vergessen,
    Daß er vom Proceß nicht spricht.

    Wegen der? die? das? Er sinnet:
    Ist's im Zimmer denn so heiß?
    Auf der hohen Stirne stehen
    Helle, klare Tropfen Schweiß.

    Ob die Luft wohl so beklommen?
    Wie ihn alles engt und preßt!
    Ja! solch' sauer Arbeitsstücke
    Sich im Rock nicht thuen läßt.

    Fort mit ihm! - Um Vieles leichter
    Geht gewiß dann jedes Ding.
    "Wegen Ihres werthen Schreiben,
    Das de dato ich empfing,

    Wollte melden, daß der Braune
    Lahmte bis zu dieser Stund';
    Unser bestes Wohlergehen
    Thun wir Euch zu wissen kund.

    Ist der Fuchs wohl aufgefunden,
    Der so schlau im Berg versteckt?
    Bitt', den Herren Schwieger-Eltern
    Zu vermelden mein Respect.

    Wenn's nur eben wieder wettert,
    Bin ich sicher bald am Platz.
    Euer Hoch- und Wohlgeboren
    Wohl affectionirter Schatz."

    Punctum, fertig. Wie er athmet, -
    Sieht sein Werk gefällig an.
    Mit viel schönen, kräft'gen Schnörkeln
    Ziert er die Adresse dann.

    Und daß gar nichts er verfehle,
    Drückt er's große Siegel auf;
    "Herrschaftliche Liebessachen"
    Schreibt er pünktlich oben drauf.

    Fort damit! Es keucht der Bote;
    Lange schaut der Herr ihm nach.
    Ja, für Beide ist's gewesen
    Ein recht saurer Werkeltag.

    Doch da legt sich auf die Züge
    Wieder heller Sonnenschein,
    Und mit still vergnügtem Lächeln
    Fährt er in den Rock hinein.

    Reibt zufrieden sich die Hände,
    Streicht die dichte schwarze Brau';
    Weiß ein ganz probates Mittel:
    Wird das Bräutchen seine Frau,

    Dann hat jede Noth ein Ende,
    Liebes-Pein und Liebes-Brief!
    Nach dem wohlerwog'nen Plane
    Süß und sanft der Freiherr schlief.

    Doch am andern Morgen frühe,
    Ehe noch der Tag gegraut,
    War er auch schon auf dem Wege
    Zu der liebsten Jungfer Braut. -

    Und allda mit Mund und Auge
    Hat so gründlich er plaidirt,
    Daß er schon nach wenig Tagen
    Sie als Weibchen heimgeführt.

    Doch der Brief? Er ist geblieben
    Stets der Einz'ge seiner Art;
    Denn man hat im fernen Leben
    Jede Trennung sich gespart:

    Späte Enkel einst ihn fanden,
    Wohl zu großer Heiterkeit,
    Haben lachend ihn gelesen:
    And're Leute, and're Zeit! -

    Briefe, ja viel schöne Briefe
    Wohl von ihnen jeder schrieb;
    Wär' die Frage, ob sie gingen
    Sieben Stund' der Braut zu lieb.


    Aus: Gedichte von Ferdinande Freiin von Brackel
    Zweite Auflage Köln 1880 (S. 145-153)


  • Gabriele von Baumberg (1768-1839)

    Als Louise die Briefe ihres ungetreuen Liebhabers verbrannte

    Ihr Kinder heisser Phantasey,
    In einer schwärmerischen Stunde
    Zur Welt gebrachte! – geht zu Grunde!
    Der schöne Taumel ist vorbey.

    Ihr danket Flammen euer Seyn:
    Ich geb' euch nun den Flammen wieder,
    Und all die schmeichlerischen Lieder;
    Denn, ach! er singt mir nicht allein.

    Ihr brennet nun, und bald, ihr Lieben,
    Ist keine Spur von euch mehr hier.
    Doch ach! der Mann, der euch geschrieben,
    Brennt lange noch vielleicht in mir.

    Aus: Sämtliche Gedichte
    Gabrielens von Baumberg 1800
    Verlag Trattnern Wien (S. 78)


  • Rosa Maria Assing (1783-1840)

    Angst und Beruhigung

    1.
    Wie ängstlich, ach, toben die Stürme,
    Die Nacht ist so finster und kalt,
    Der Regen ergießt sich in Strömen,
    Gepeitscht von des Windes Gewalt.

    Wo magst du, Geliebter, wohl weilen
    In dieser unheimlichen Nacht?
    Die, bang in die Kissen geschmieget,
    Dein Mädchen in Aengsten durchwacht.

    Du schweifest im Regen und Sturme
    Vielleicht ohne Obdach und Ruh,
    Es schließen dem feindlichen Reuter
    Die Thüren und Herzen sich zu.

    Ach, oder liegst du verwundet,
    Verlassen im feindlichen Land,
    Und fühlst nur die brennenden Schmerzen,
    Und keine sanft pflegende Hand?

    Der Regen schlägt hart an die Fenster,
    Die Eule schreit bang in die Nacht; -
    O bist du vielleicht gar gefallen
    In Leipzigs blutiger Schlacht?

    Ich raffe mich auf von dem Lager,
    Vergehe in Aengsten und Pein; -
    Es können nicht ärgre Gespenster
    Als meine Gedanken mir seyn!

    2.
    Und als ich um dich so geweinet,
    Gejammert die ganze Nacht,
    Da fiel ich ermattet in Schlummer,
    Als eben der Morgen erwacht.

    Da ward mir gesendet zum Troste
    Vom Himmel ein freundlicher Traum:
    Ich sah eine glänzende Taube
    Mir strahlen wie Silberschaum.

    Im rothen Schnäbelchen hielt sie
    Ein grünendes Lorbeerreis,
    Du hattest mit fröhlicher Botschaft
    Sie zu mir gesendet mit Fleiß.

    Da pocht' es und stört' mich im Traume,
    Die Zofe tritt leis in die Thür',
    Und bringet mit rothem Siegel
    O Himmel! ein Brieflein von dir!

    Aus: Rosa Maria's poetischer Nachlaß
    Herausgegeben von D. A.  Assing
    Altona Verlag von Joh. Friedrich Hammerich 1841 (S. 44-45)


  • Sophie Albrecht (1757-1840)

    Mit einem Briefe

    Mit der Liebe schnellem Flügel,
    Ueber Berge, über Hügel,
    Eile, theures Briefchen, hin,
    Wo ich oft im Geiste bin.

    Heiß und innig ihn zu fragen,
    Ob der Inhalt meiner Klagen,
    Ob die Thräne, die ihm fließt,
    Heilig seinem Herzen ist.

    Aus: Anthologie aus den Poesien
    von Sophie Albrecht
    erwählt und herausgegeben
    von Friedrich Clemens Gerke Altona 1841 (S. 156)
     


 

 


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