Else Lasker-Schüler (1869-1945)
Durch die Wüste Sinai |
Ein Lied an Gott
Es schneien weisse Rosen auf die Erde,
Warmer Schnee schmückt milde unsere Welt;
Die weiss es, ob ich wieder lieben werde,
Wenn Frühling sonnenseiden niederfällt.
Zwischen Winternächten liegen meine Träume
Aufbewahrt im Mond, der mich betreut -
Und mir gut ist, wenn ich hier versäume
Dieses Leben, das mich nur verstreut.
Ich suchte Gott auf unbeschienenen Wegen
Und kräuselte die Lippe nie zum Spott.
In meinem Herzen fällt ein Tränenregen.
Wie soll ich dich erkennen lieber Gott . . .
Da ich dein Kind bin, schäme ich mich nicht
Dir ganz mein Herz vertrauend zu entfalten.
Schenk mir ein Lichtchen von dem ewigen Licht! - - -
Zwei Hände, die mich lieben, sollen es mir halten.
So dunkel ist es fern von deinem Reich
O Gott, wie kann ich weiter hier bestehen.
Ich weiss, du formtest Menschen, hart und weich
Und weintest gotteigen, wolltest du wie Menschen sehen.
Mein Angesicht barg ich so oft in deinem Schoss
Ganz unverhüllt: du möchtest es erkennen.
Ich und die Erde wurden wie zwei Spielgefährten gross
Und dürfen "du" dich beide, Gott der Welten, nennen.
So trübe aber scheint mir gerade heute die Zeit
Von meines Herzens Warte aus gesehen;
Es trägt die Spuren einer Meereseinsamkeit
Und aller Stürme sterbendes Verwehen.
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