Else Lasker-Schüler (1869-1945)
Jussuf empfängt die Tellerköpfe
einen von Freytag entdeckten Stamm |
Das heilige Abendmahl
Unserm Freunde St. Hanns Eduard
"Es war aus zartem Holz ein Tisch um den Jesus von Nazareth mit den
Jüngern das heilige Abendmahl feierte, seines Herzens überflutende fromme
Rose den Freunden reichte, ihnen mit dieser innigsten, stärksten Umarmung
das ewige Leben schenkte, eine Heimat bereitete, ja den Himmel credenzte
den herben zwölf Juden. Nur einer hatte seine ehrgeizige Seele nicht weit
und bereit aufgetan und war erstickt an so viel Gott."
***
Das erzählten wir uns behutsam in einem verlorenen Winkel des
Kaffeehauses, und die vielen lärmenden, geschäftigen Leute vor uns
bemerkten nicht die Sonne, die durch unsere Herzen ging und ihre Welt
verdunkelte. Wir aber waren geheiligt vom Boden aufgehoben, schwebten vor
Ergriffenheit. Du, Arib, sahst aus wie der junge St. Petrus, und
Wachholderkarl, du, wie St. Matthäus, und der kleine Doktor Silber, ein
freudiger Jünger einer - und ich, wer war ich, die ich schon als Kind an
das große Geheimnis dieser Stunde des Abendmahles poche? Das gelbe,
bittere Hopfengetränk in deinem Glase, Arib, verwandelte sich in
verhaltenes, glühendes Blut. Arib, du hobst die - Schale an deine harten
Lippen und trankst, reichtest dann das Rosenblut Gottes unserm holden
Spielgefährten; er trank. Aus seinem Liebreichtum empfing St. Silber das
geheiligte Glas und trank. Und ich, Arib, nahm aus deiner vertrauenden
Hand den riesengroßen Pokal lächelnd wie einen spielenden Bach am Mittag
des Abendmahls und trank ein Meer des Trostes und zitternden Einsseins mit
euch in Gott und ewigen Lebens. Uns wurde das Wunder offenbart, der
Flügelschlag, der jedes Tor öffnet und die Luft vom Aussatz heilt. Zwölf
Menschen bereiten sich immer wieder auf Erden aus Liebe und erfüllen die
Liebe, es sind die großen schlichten Judenjünger des Gottessohnes, der vom
blauen Berg des Himmels in demütigen Schritten zur Erde stieg, den
Menschen zu sagen, sie sollen sich lieben untereinander. Einer seiner
Apostel war der St. Judas Ischariot, die ehrgeizige Kralle seines faulen
Blattes starb, nach des großes Galiläers Güte, gesühnt am Baum. Aber vor
der Spur seiner Lippen am Rande der Gottesschale, daraus er seines
heiligsten Rabbunis Wein trank, hüte man sich. Sie vergiftet das Herz mit
Verrat. - Einer von uns, meine verlorenen Spielgefährten, von uns vier
Aposteln einer streifte arglos diesen Pfad des lebendigen Glases in der
Andacht des Trinkens. Ich nehme die Ungeheuerlichkeit ungestritten um der
Liebe willen auf mich. Verstoßen aber feiere ich jeden Abend mit euch in
Gedanken das heilige kleine Abendmahl am runden Holztischchen, das Gebet
des ehrwürdigen Blutes, das Fest des ewigen Lebens:
Nicht die tote Ruhe -
Bin nach einer stillen Nacht schon ausgeruht,
O, ich atme Geschlafenes aus,
Den Mond noch wiegend
Zwischen meinen Lippen.
Nicht den Todesschlaf -
Schon im Gespräch mit euch, himmlisch Konzert,
Ruhe ich aus.
Und neu Leben anstimmt
In meinem Herzen.
Nicht der Ueberlebenden schwarzer Schritt -
Zertretene Schlummer zersplittern den Morgen.
Hinter Wolken, verschleierte Sterne
Ueber Mittag versteckt -
So immer wieder neu uns finden.
In meinem Elternhaus nun
Wohnt der Engel Gabriel.
Ich möchte innig mit euch zungenreden,
Seelige Ruhe in einem Fest feiern -
Sich die Liebe mischt mit unserm Wort.
Aus mannigfaltigem Abschied
Steigen aneinandergeschmiegt die goldenen Staubfäden,
Und nicht ein Tag ungesüßt bleibt
Zwischen wehmütigem Kuß
Und Wiedersehn.
Nicht die tote Ruhe
So ich liebe im Odem sein.
- Auf Erden mit euch im Himmel schon -
Allfarbig malen auf blauem Grund
Das ewige Leben.
Aus: Else Lasker-Schüler Werke und Briefe Kritische Ausgabe
Band 4: Prosa 1921-1945 Nachgelassene Schriften
Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 2001
(S. 22-24)
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