|
Abraham Cowley (1618-1667)
englischer Dichter
Die Diebin
Von Lust und Arbeit raubst du mich bei Tag,
Bei Nacht vom Schlummer, ach!
Was willst du, holde Diebin, thun?
Nimmst du mir auch den Himmel nun?
Auch meine Andacht raubst du hier,
Denn götzendienerisch kehrt mir
Von Gott sich mein Gebet hinweg zu dir!
Ist Liebe Sünde denn, dass Rast sie, wie
Ein bös' Gewissen gönnt uns nie?
Was ich auch thu', wohin ich geh',
(Wann litt so ohne Schuld man je?)
Erscheint mir stets dein Angesicht,
Hör' ich dein Wort, das zu mir spricht,
Als hätt' ich dich ermordet, du mich nicht.
In Büchern such' ich Trost, allein im Strich
Der Feder zeigt dein Name sich,
Bei jedem Worte steht er nah,
Wie Punkte oder Komma da;
Für Segen seh' dies Niemand an!
Mir geht es, wie dem Midas dann,
Der durch das Gold verdarb, das er gewann.
Warum versuch' ich wohl umsonst, zu fliehn?
Zu fliehn? Vor dir? Ach! und wohin?
Zu meiner Gottheit macht' ich dich,
Allgegenwart hast du für mich,
Darum duld' ich der Hölle Pein,
Denn dort auch ist der Gottheit Sein,
Doch nicht zur Lust, zur Qual uns, wohnt sie drein.
(S. 137)
Übersetzer nicht genannt
Aus: England und Amerika Fünf Bücher englischer
und amerikanischer Gedichte
von den Anfängen bis auf die Gegenwart
In deutschen Übersetzungen
Chronologisch geordnet mit litterarhistorisch-kritischen
Notizen und einer Einleitung
von Julius Hart
Minden i. W. J. C. C. Brun's Verlag 1885
_____
Lieben will ich, ich will lieben
Was wohl der Weisheit Zunftgenossen
Von unsrer Liebe denken?
Ob sie bei unsern süßen Possen
Sich freuen oder kränken?
Sie, die den Hauch, den Lettern nicht umschließen,
Den Seufzer, nicht zu commentiren wissen!
Die wonn'ge Hand, die all mein Leben,
Sah Einer jüngst mich finden
Und, wie im seligen Erbeben,
Mir alle Sinne schwinden;
Da stellt der weise Mann die weise Frage:
Was mich so bleich, was mich so zittern mache?
Ein Andrer traf vor Liebchens Thüre
Mich mit verweintem Auge,
Und daß er rechten Grund erführe,
So fragt er: wo's denn rauche?
O, der Gelehrsamkeit harmloses Wähnen!
Nicht von der Glut, vom Rauche kommen Thränen.
Seid ihr in allen Dingen weise
Und wollt von Lieb' nichts wissen,
So wahr' mich Gott vor eurem Fleiße,
Kann eure Künste missen.
Mag Andre Wissens-, Thaten-Drang beschwicht'gen:
Mein Fach - mein Lieb'! - Mein Studium - ihr Gesichtchen!
Und ist, ich Aermster will's nicht streiten,
Ist eitel solch Beginnen,
Sind eure ems'gen Wichtigkeiten
Noch eitler als mein Minnen,
Das Salomo, der Alles eitel nannte,
Der weise Mann, für's Beste noch erkannte.
(S. 171-173)
Übersetzt von Otto Leonhard Heubner (1812-1893)
Aus: Englische Dichter Eine Auswahl englischer Dichtungen
mit deutscher Übersetzung
von O. L. H ...r [Otto Leonhard Heubner]
Leipzig Verlag von Georg Wigand 1856
_____
|