Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 

 

Arvid August Afzelius (1785-1871)
schwedischer Dichter



Das Lied des Nix

Tief im Meer, auf Demantenkissen,
Sitzt der Nix, in dem grünen Saal,
Nächt'ge Jungfraun eifrig sind beflissen
Zu verschleiern Berge und Thal.
Abend steht im schwarzen Hochzeitskleid;
Kein Geräusch, kein Lüftchen hört man weit und breit.
Alles rings auf den Feldern schweigt,
Wenn goldner Burg Meerkönig nun entsteigt.

Aegirs Töchter schaukeln ihn so leise,
Wenn er schwebt auf der See daher,
Trüb klingt zu der Harfe seine Weise,
Sucht sich fern ein Grab im Meer.
Fest sich hebt sein Aug' zu dunklem Himmelsplan,
Daß die Königin kommt - kein Stern zeigt's an,
Freya kämmet ihr goldnes Haar,
Die Harfe schlägt der Nix, an Freude baar.

Stern, wo bliebst Du, wann soll ich Dich schauen!
In der blauenden Dämmerung Stund?
Du, die schönste von der Erde Frauen,
Warst meine Braut auf des Meeres Grund,
Wenn mein Zauber füllt das Herz mit süßer Lust,
Schwoll in seligem Entzücken meine Brust.
Hin dann stellt ich, im Flusse, kühl,
Die goldne Harfe, ließ mein Saitenspiel!

Odin hob Dich auf zu reinern Orten,
Ewig nun strahlst Du auf himmlischer Flur,
Einsam ist Dein Harfner jetzt geworden,
Hat Dein Bild, Deinen Namen nur!
Wenn die Midgaardsschlange einst erhebet sich,
Alles sich erlöst - seh ich dann wieder Dich?
Ja, dann soll ich auf Wogen traut,
Zaubern neue Welt im goldnen Harfenlaut!

So der Arme. Doch am Himmelsrande
Lächelt Freya süß durch die Nacht,
Ewig auf die goldbestreuten Strande
Ihre Thränen träufelten sacht'.
Ihren Freund im Meere grüßte sie so mild,
Wogen spiegeln zitternd sanft der Holden Bild,
Freudig der Nix auf der Woge schlägt
So hell die goldne Harfe, tief bewegt.

Nächt'ge Jungfrau'n, klare Sterne wallen
In dem stillen Abend zum Tanz,
Wenn vom Strand die Silbertöne schallen
Schimmernd über ihm voll Glanz.
Wenn der Tag sich blutig dann im Ost erhebt,
Bleicht die sanfte Maid, die schnell von hinnen schwebt;
Sehnt sich nach dem Trauten so sehr,
Doch die goldne Harfe tönt nicht mehr!
(S. 136-137)

übersetzt von Edmund Lobedanz (1820-1882)

Aus: Album Schwedisch-Finnischer Dichtung
Deutsch und mit biographisch-literathistorischen Notizen
von Edmund Lobedanz
Mit Tegniers Portrait, gestochen von Weger
Leipzig Albert Fritsch 1868

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