Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Vasile Alecsandri (1821-1890)
rumänischer Dichter



Der Ring und der Schleier

Es war einmal im Erdenraum
Ein junger, stolzer Königssohn;
Er glich dem schlanken Tannenbaum,
Der hoch im Wald des Berges Kron'.
Zur Gattin aus dem Dorfe nahm
Er sich ein Mägdlein wundersam,
Ein kleines Bauern-Mägdelein,
Das aller Nachbarn Schätzelein,
Mit süßem, leuchtendem Gesicht,
Mit einem Leib, so schlank und schmiegsam,
Wie sind in Gottes Sonnenlicht
Des Feldes Blumen, duftig, biegsam. -
Da ist Befehl ihm zugegangen,
In's Lager eilend aufzubrechen. -
Wie ward die Seele ihm voll Bangen!
Drum that zur Maid er also sprechen:
"Geliebte mein, du Seele mein,
Behalte du mein Ringelein
Und trag' es auf dem Finger dein,
Und wenn von Rost der Ring wird roth, -
Dann weißt du, Liebe, bin ich todt!"

"Und läßt du mich im Schmerz allein,
So nimm den seid'nen Schleier mein,
Am Rande golddurchwirket fein;
Wenn schmilzt das Gold so schön und roth,
Dann weißt Du, Trauter, bin ich todt."


II.
Auf seinem Pferde reitend fort
Zog er darauf den Weg von dannen,
Und ritt und ritt bis an den Ort,
Inmitten dunkler Waldestannen,
Und hat ein großes Feuer dort
Am Rabenbrunn gefacht zum Brand,
Führt an den Schleier seine Hand
Und schaut ihn innig an so lang, -
Bis fast sein Herz vor Weh zersprang.

"Ihr Lieben mein, ihr meine Heere,
Ihr Drachenkinder, Landeswehre,
Verweilet hier und nähret euch,
Und ruht im schattigen Gesträuch;
Ich muß nach Hause eilend fort,
Den krummen Säbel ließ ich dort,
Ich kann ja ohne den nicht kriegen;
Auf grünem Tisch ließ ich ihn liegen."

Betrübt ist er zurückgekehrt;
Da kommt ein Tapfrer ihm entgegen,
Ein tapfrer Held auf kleinem Pferd:
"Glück zu, mein junger Held verwegen,
Von wannen bringst du Kunde werth?"
"Und soll ich's, Herr, dir wirklich sagen?
Vielleicht ist's einem andern recht, -
Für dich ist's bitter sehr und schlecht:
Es überzog in diesen Tagen
Mit Krieg dein Vater unser Land,
Bis die Geliebte dein er fand,
Und warf, o Herr, sie, dir zum Leid,
In einen Sumpf gar tief und breit."
"Hier, nimm mein Roß, du Tapfrer, mit
Und führ' es meinem Vater hin,
Wenn er dann fraget, wo ich bin,
So sag', ich sei mit raschem Schritt
Dem Rand des Wassers zu gestiegen,
Hab' mich hineingestürzt, darin
Bei dem geliebten Kind zu liegen."


III.
Der Vater eilend aufgeboten,
Den Sumpf zu trocknen, hat das Land,
Bis er die Kinder, ach! die todten
Verschlungen in einander fand,
Dahingestreckt auf gelbem Sand,
Ihr Angesicht so freuderfüllt,
Als sei'n sie Beide noch am Leben;
Da mußt' vor Reue er erbeben,
Hat weich in Seide sie gehüllt,
Führt' in die Kirche sie bewegt,
Hat in zwei Särge sie gelegt.
Der kaiserlichen Särge Holz
Latein'sche Zeichen trug es stolz,
Und in Altares Nähe haben
Nach Osten sie dann seinen Knaben,
Nach Westen hin die Maid begraben.
Doch denk' dir, seinem Grab entsteigt
Ein Tannenbaum, gar schlank und biegsam,
Der nach der Kirche zu sich neigt,
Und eine Rebe, blühend, schmiegsam
Aus ihrem Grabe ist entsprungen,
Und eh' die Nacht sich ausgebreitet,
Sie auf die ganze Kirche gleitet
Und hat die Tanne fest umschlungen.

O! Donn're, Herr! herab und wett're,
O! Donn're nieder, die zerschmett're,
Die heiße Lieb' geschieden haben
Von einer Maid und einem Knaben.

übersetzt von Carmen Sylva (1843-1916)

Aus: Rumänische Dichtungen
Deutsch von Carmen Sylva
Mit Beiträgen von Mite Kremnitz
Dritte Auflage Bonn Verlag von Emil Strauß 1889 (S. 15-18)
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Doinen

Der Blinde
Grünes Blatt der Dornen, Wehe
 Sei mir Armen, bittres Wehe!
Wenn es Tag wird weiß ich nicht,
Todt ist meiner Augen Licht,
Geh' verlassen ganz einher,
Seh' die schöne Welt nicht mehr!
Seh' die Welt, die Sonne nicht
Und kein lieblich Angesicht!
Meine armen Augen winden
Sich in Thränen aus, die blinden.
Wie ich mich auch wenden mag,
Bleibt mir dunkel doch der Tag;
Wer auch auf dem Wege sei,
Geht mir fremd und kalt vorbei:
Trügerisch das Leben flieht,
Wie die Blume rasch verblüht,
Wie das Wasser fließend zieht;
Gute Menschen tröstet mich!
Helfet mir, bedauert mich!
Denn ein Schein nur ist die Welt
Von Besitz und Macht und Geld,
Doch des Blinden Bitte steigt,
Hat den Himmel selbst erreicht,
Und des Armen fromm' Gebet
Zu der Rechten Gottes steht.
*


Grünes Blatt vom Majoran,
Bin von Mehedinz ein Mann,
Kam im Buchenland zur Welt.
Daß mich liebe alle Welt,
Daß ich werd' ein tapfrer Held,
Wuschen sie im Olto mich.
Mit Basilika gerieben
Ward ich, bin drum glücklich blieben.
Da ich größer wurde fein,
Lief ich fort dem Mütterlein,
Hat mich niemals mehr gefunden,
Da ich in dem Berg verschwunden.
Stieg zu Thal dann von dem freien
Berge nieder; drei Pistolenreihen
Schmückten mich; nun bin im Thal
Ich ein Held, mein Herz von Stahl.
*


Grünes Blatt vom Hafenkron:
Schönste Blum' in Busch und Dorn!
Bin verliebt in deinen Gang,
Denn du wiegst dich leicht und schlank,
Hast mein Herz verzehrt schon lang,
Lieb' Blaumblümelein, entsprungen
Mir im Wege, sei besungen!
Ragst so schlank zum Himmelsblau,
Passest zu mir ganz genau!
Wandrer werden dich nicht sehen,
Dann muß ich vor Leid vergehen!
Blümelein, Blaublümelein,
Komm geschwind an's Herze mein,
Komm bei mir in schöne Blüthe,
Daß vor Bösen ich dich hüte!
Komm wie Thau auf mein Gemüthe.
*


Löwenzahnes weiche Kette!
Hab' im Thal am Weg die nette
Lena jüngst erreicht mit Gruß,
Ich zu Pferde, sie zu Fuß.
Voll von Blumen war ihr Mieder,
Von den Ohren hingen nieder
Lange Perlen, daß fortwährend,
Ich sie angeschaut begehrend.
Als ich ihren Weg betreten,
Hab ein Blümchen ich erbeten
Von dem Busen, und das Kind
Reicht' die Lilie mir geschwind.
Wollt' aus ihrem Mündchen eine,
Eine Nelke gab die Kleine,
Bat um Wasser von der Quelle,
Sehnsucht trübt' es auf der Stelle,
Wollt' es rein aus ihrer Hand,
Doch da war's vor Lieb entbrannt.
Sah, wie ich am Trinken war,
Lena anders ganz und gar,
Als ein Veilchen dort sie stand,
Kühl und frisch an Baches Rand;
Bin vom Pferde abgestiegen,
An die Blume mich zu schmiegen,
Doch da flog das kleine Ding
Auf, als glüh'nder Schmetterling;
Will ihn fangen, doch er fliegt, -
Ich will trinken; doch versiegt
Ist das Wasser, Weh und Schade!
Bin verzaubert ohne Gnade!
Sei verflucht, du Zauberin,
Daß du mir getrübt den Sinn,
Eine schwarze Wolke werde,
Regne Thränen auf die Erde.
*


Bin gewesen, wo ich einst geliebet hab',
Liebchen nimmer mehr gefunden hab';
Und dem Wind ich mich zu führen gab,
Kam da an sein einsam Grab.
Seufzend ist der Wind gezogen,
Und das Gras hat sich gebogen,
O ich Armer! bittre Noth!
Eh' mir schnelle naht der Tod,
Müssen sie geschworen haben,
In dem Grab mich zu begraben.
*


Grünes Blatt der Hasel, springe,
Klinge, klinge wieder, klinge!
Klinge Steinchen in das Thal,
Dreh dich viele hundert Mal!
Ach, mein Liebchen weint vor Qual!
Grünes Blatt vom weißen Klee!
Liebchen weint und seufzt vor Weh;
Sie beweint bergauf, bergab
Ihrer Jugendliebe Grab:
Grünes Haselblatt, sie irrt
Ohne Ziel, ihr Sinn verwirrt,
Flucht dem Gras, dem kummerlosen,
Sucht und sucht verlor'ne Rosen!
Grünes Blatt vom Zittergras,
Wein' nicht mehr die Aeuglein naß;
Was vergangen, kommt nicht wieder,
Was entflohen, schwebt nicht nieder;
Der zerriss'ne Faden spinnt
Sich nicht wieder an, mein Kind.
*


Auf des Pfluges Spitze schwingt
Sich ein kleiner Kukuk, singt.
Auf mein Wäglein, auf der Reise,
Setzt vertraulich sich die Meise.
Spricht der Kukuk, Meise spricht:
"Freund! vertrink' die Groschen nicht!
Denn dein Karren ist zerschellt,
Und dem Pflug das Eisen fehlt,
Und dein Feld ist unbestellt!"

"Kukuk, schlimmes Thierchen du!
Meine Sorgen laß in Ruh!
Halt dein Schnäblein, kleine Meise,
Schilt mich weder laut noch leise,
Sonst befällt mich Heftigkeit,
Und ich thu dir was zu Leid,
Schlag' dein Nestchen und dein Ei
Und dein Schnäblein mit entzwei."
*


Grünes Blatt des Rosmarin,
Mach' mich schnell zur Zauberin,
Daß er mit der Andern ende
Und zu mir sich wieder wende;
Gestern hab' ich ihn gesehen,
Mit ihr dort am Brunnen stehen,
Daß doch trüb' das Wasser werde!
Daß verdurste ihre Heerde!
Ihre Scheune soll verbrennen,
Keiner soll sie reich mehr nennen,
Ihre Schönheit soll vergehen,
Nimmer soll bei ihr er stehen.
*


Grünende Olive, bin
Ueber'n Dniestr, hatt' im Sinn,
Ob das Brod so gut wie hüben,
Ueber'm Grenzesflusse drüben.
Still und sanft sind die Gewässer,
Doch das Brod ist gar nicht besser,
Als im alten Heimathland;
Wär's auch süß wie Honig, fand
Ich es gallenbitter doch;
Wär' ich doch zu Hause noch!
*


Grünes Blatt der Goldrenette!
Wer doch nicht gestritten hätte!
Jetzt will Liebchen mich verlassen,
Will für alle Zeit mich hassen!
Aber ich, ich laß dich nicht,
Gehe mit dir vor's Gericht,
Will vor'm Popen dich befragen,
Dort sollst du's noch einmal sagen,
Sollst mich selber dort verklagen,
Eh' zerreißet unsre Kette. -
Wer doch nicht gepflanzt dich hätte,
Zankesapfel! Goldrenette!
*


Granatenblüthe, brennend roth,
Ist er verwundet oder todt?
Er war so kühn, so stolz, so frei,
Kein Mädchen ging ihm kalt vorbei;
Sein Auge wie die Brombeer' klar,
Und lang gelockt sein Rabenhaar,
Und die Gestalt so schlank und fein,
Man zög' ihn durch ein Ringelein.
Brächt' man verwundet ihn zurück,
In Nacht verwandelt wär' mein Glück,
Doch läg' im Feld er kalt und todt,
Ich weinte todt mich, Blüthe roth!
*


Flüst're Eschenblatt und sage
Ihr, wenn wieder sie bei Tage
Zu dem Brunnen kommt, im Garten,
Will versteckt ich auf sie warten,
Will derweil ihr Veilchen brechen;
Mußt nur zärtlich von mir sprechen.
Wenn sie dann ihr Köpfchen neigt,
Lächelnd und erröthend schweigt,
Flüst're lauter nur, dann schleich' ich
Schnell, die Holde dann erreich' ich.
*


O weh! o weh! was fang' ich an!
Die Mutter den nicht leiden kann,
Der mir gefällt, gefiel er ihr
Nur ein wenig so wie mir,
Flög' zur Hochzeit ich geschwinde,
Den Staub aufwirbelnd wie im Winde;
Doch giebt die Mutter mir den Mann,
Den ich gar nicht leiden kann,
So fliege ich dahin im Winde,
Bis meine Grabesstatt ich finde.
Viel lieber Krankheit in den Knochen,
Als dem Verhaßten Suppe kochen.
*


Mein Mütterlein! o wein' um mich,
Denn dein starker Bursch war ich,
Hielt dir fern die Noth der Welt,
Hab' dir stets dein Feld bestellt.
Nun hab' ich mich in Dienst begeben,
Und verbittert ist mein Leben,
Muß mich in der Fremde kränken
Und an dich nur immer denken,
An den Bruder mein, den Wald,
An des Dudelsacks Gesang,
Der in der Sennhütt' lieblich hallt,
Und an die Schafe denk' ich bang.
Und mein Mütterchen, des Einen
Lieben Veilchens muß mit Weinen
Ich gedenken, ach! wie hatten
Wir uns lieb auf meinen Matten!
Fast möcht' ich die Sünd' begehen,
Heimlich aus dem Dienste gehen;
Bin ein Hirt und muß zur Heerde,
Aus mir werde, was da werde!
*


Herz'ge Liebesgötter singen
Lustig wie die Vögel, schwingen
Ueber Hügel, über Felder,
Durch die Wüsten, durch die Wälder
Sich, als Diebe an dem Wege
Steh'n die großen im Gehege,
Doch die kleinen steh'n und warten
Auf dem Pfad, in Flur und Garten,
Geh'n durch Schmutz und bleiben rein,
Schleichen bei den Burschen ein,
Schwimmen durch das Wasser, sinken
Nicht und können nicht ertrinken;
Schlüpfen zu den Mägdlein, winken,
Geh'n durch's Feuer, schmelzen nicht,
Frecher noch ihr Diebsgesicht.
*


Der Mönch
Bitter weh ist mir im Sinn,
Seit von dir ich gangen bin,
Seit drei Monden und drei Tagen
Will ich Frieden mir erjagen.
In mir deine Zauber qualmen,
Von deines Bettes dreien Halmen,
Mit deiner Thüre Angel, einem
Haar vom Zopf, das keinem
Starken Zerren jemals weicht,
Hast mein Elend du erreicht!
Bann' in's Psalmbuch ich den Sinn,
Find' ich dich nur immer drin;
Wie ich mich auch wenden will,
Sünde seh' ich nur am Ziel;
Werde doch ein Klösterlein,
Gieb mir Kraft zum Singen fein,
Zum Heil'genbild in deiner Brust
Inbrünstig bet' ich dann voll Lust.
*


Als ich bei der Mutter war
Ob ich schaffte, Nichts that, war
Lieb ich ihr doch immerdar,
Seit ich bin im Ehestand,
Keine Freud' ich nirgend fand,
Eh' der Tag graut, kehr' ich hastig,
Feuer mach' ich, nimmer rast' ich,
Deck' den Tisch, hol' Wasser, halte
Unablässig meine Spindel,
Spinnend geh' ich, schalte, walte,
Säug' mein Kind, leg's in die Windel,
Melk' die Kuh und geh' ins Feld,
Web' und sticke, ist's bestellt,
Und doch schilt mein Mann mich aus!
Wär ich lieber noch zu Haus!
*


Doina, Doina! süßes Lied,
Wie der Sang mich hält und zieht!
Doina, Doina, Feuersang!
Bin gebannt durch deinen Klang!
Weht heran der Frühlingswind,
Sing' ich draußen dich geschwind,
Schmelz' dich zu den Blumen Allen,
Zu dem Lied der Nachtigallen,
Kommt des Winters Sturm und Graus,
Sing' die Doina ich zu Haus,
Daß ich mir den Tag verschöne
Und die Nacht mit dem Getöne.
Treibt der Wald dann frische Blätter,
Sing' ich sie mit Lustgeschmetter;
Seh' das Laub zu Thal ich jagen,
Singet meine Doina Klagen;
Doina seufz' ich, Doina red' ich,
Doina denk' ich, Doina bet' ich,
Doina flüstr' ich, Doina leb' ich,
Mit der Doina lieb' und streb' ich!

übersetzt von Carmen Sylva (1843-1916)

Aus: Rumänische Dichtungen
Deutsch von Carmen Sylva
Mit Beiträgen von Mite Kremnitz
Dritte Auflage Bonn Verlag von Emil Strauß 1889 (S. 19-30)
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Von mir zu dir

Ja, von mir zu dir hin sind
Nichts als helle Sterne, Kind!

Kennst du sie in dunkler Ferne?
Meine Thränen sind die Sterne,

Aus den Augen mir geflogen,
Angehängt am Himmelsbogen,

Wie sich hängt im Morgengrau
An die Blumen klarer Thau.

Viele stoben mir vom Herzen,
Ob der Heimath Leid und Schmerzen,

Viele um die Lieben, Kind,
Die entfloh'n von Erden sind,

Viele ach! vor bittrem Leid.
Aber vor Glückseligkeit

Da vergoß ich zwei allein:
Dies die hellsten Sternelein.

übersetzt von Carmen Sylva (1843-1916)

Aus: Rumänische Dichtungen
Deutsch von Carmen Sylva
Mit Beiträgen von Mite Kremnitz
Dritte Auflage Bonn Verlag von Emil Strauß 1889 (S. 124)
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Wär' ich, Geliebte!

Wär' ich, Geliebte, der Blumen Wonne,
Wüchse am Bache, im tiefen Thal,
Gäb' ich den Thau hin, die hehre Sonne,
Für deiner Augen einzigen Strahl.

Wär' ich, Geliebte, ein Vogel, könnt' wecken
Töne, die Fülle, im Blätterhaus,
Flög' auf den Arm ich dir ohne Schrecken,
Zöge nie mehr in die Welt hinaus.

Wär' ich, Geliebte, Abendwinds Flüstern,
Wiegt' ich kein Blümchen schmeichelnd mehr ein,
Um in des Frühlings nächtlichen Düstern
An deinem Busen gewiegt zu sein.

Wär' ich, Geliebte, der Englein eines,
Das dich in Schlummer zu singen gewußt,
Würd' ich ein Küßchen dir stehlen, ein kleines,
Trüge zum Himmel dich an meiner Brust.


übersetzt von Carmen Sylva (1843-1916)

Aus: Rumänische Dichtungen
Deutsch von Carmen Sylva
Mit Beiträgen von Mite Kremnitz
Dritte Auflage Bonn Verlag von Emil Strauß 1889 (S. 127)
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Du wunderschönes Mägdlein

Du wunderschönes Mägdlein,
O sag! wo kommst du her?
Mit deines Mundes Lächeln,
Mit Augen, hell und hehr?

Trug dich ein sel'ger Engel
Aus aller Himmel Glück,
Und ließ hier auf der Erde
Als Fremde dich zurück?

Du bist ein helles Leuchten,
Ein goldnes Märchen fein,
Ein Traum von Seligkeiten,
Ein Engel, hoch und rein!

Du bist ein Himmelswunder,
Und deine Stimme weht
Um mich, in böser Stunde,
Wie heiliges Gebet.


übersetzt von Carmen Sylva (1843-1916)

Aus: Rumänische Dichtungen
Deutsch von Carmen Sylva
Mit Beiträgen von Mite Kremnitz
Dritte Auflage Bonn Verlag von Emil Strauß 1889 (S. 136)
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Doina

Doina! Doinitza!
Hätt' ein Liebchen ich zur Stunde,
Mit viel Blumen, gelb im Grunde,
Und mit Rosen auf dem Munde;

Hätt' ich eine holde Schöne
Taubenäugig, wie ich sehne,
Die 'ne wack're Sele kröne;

Hätt' 'ne Blonde ich zur Stelle
Schlank und munter und so schnelle
Wie das Junge der Gazelle;

Würd' ich Nachtigall und bliebe
Singend durch die Nacht so trübe
Ach die Doina meiner Liebe!
*

Doina! Doinitza!
Hätt' ich eine Büchse heute
Und drei Kugeln für das Weite
Und ein Häckchen mir zur Seite;

Hätt' nach dem Gedanken mein
Ich ein Roß gleich einem Leu'n
Schwarz wie nur die Sünd' allein;

Hätt' ich sieben Brüder gut,
Die gleich mir voll Kraft und Mut
Reitend wol auf Drachen gut;

Würd' ich Geier und bei Tage
Wollt ich singen, daß sie wache
Ach die Doina meiner Rache!
*

Doina! Doinitza!
Möcht' dann sagen: Schöne höre
Auf dieß Kreuzchen ich Dir schwöre
Daß ich niemals Dich betöre!

Du mein Braver, möcht' ich sagen,
Schneller als die Schwalben jagen
Mußt mich berg- und talwärts tragen!

Möchte sagen: Brüder höret
Macht das Kreuz und Treu' mir schwöret
Daß den Feind ihr rings verheret!

Mutig Kinder drum von dannen
Laßt von unsrer Habe bannen
Uns die Heiden und Tirannen!

übersetzt von Ludwig Adolf Simiginowicz-Staufe (1832-1897)

Aus: Romanische Poeten
In ihren originalen Formen und metrisch übersetzt
von Ludwig Adolf Staufe
Zweite Auflage Wien 1868
Druck & Verlag von A. Pichler's Witwe & Sohn (S. 4-5)

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Glockenblumen

Blumen viel der wundersamen
Leuchten süß im Wald und Haine,
Doch wie ihr ihr Glockenblumen
Hat von allen Blumen keine
Süßern Duft und süßer'n Namen.

Glockenblümchen, ihr seid Tränen
Die herab vom Himmel fallen,
Wenn geliebter Engel Selen
Zwischen hellen Sternen wallen
Und vergießen Wehmutstränen.

Ihr seid zart und weiß und minnig
Wie die Liebste meines Lebens;
Mit euch teuern Tränentropfen,
Mit euch Perlen süßen Strebens
Schmückt der Lenz sich fromm und sinnig.

Doch der Nordwind kommt und wendet
Euch dem Tod zu ohne Schonen;
So vernichtet stets das Schicksal
Alles was wir lieb gewonnen,
Ach das Sein, die Blume endet!


übersetzt von Ludwig Adolf Simiginowicz-Staufe (1832-1897)

Aus: Romanische Poeten
In ihren originalen Formen und metrisch übersetzt
von Ludwig Adolf Staufe
Zweite Auflage Wien 1868
Druck & Verlag von A. Pichler's Witwe & Sohn (S. 6)

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Süßer Engel! . . .

Süßer Engel sanfter Tugend
Der du freundlich mich umkreis't,
Auf die Wege meiner Jugend
Heit're schöne Blumen streu'st:
Unter'm Flügel schütz' mit Mute
Gegen Unglück und Gefahr
Mir dein Schwesterlein das gute
Ja mein Ninchen treu und wahr!

Schau der Sterne bunt Gedränge!
Geh' und stiehl von seiner Bahn
Einen nur und singend hänge
Ihrer Stirne ihn dann an.
Ihrem Füßchen breit' zum Ruhme
Einen Teppich bunt und zier,
Meine Sehnsucht leg als Blume
Zärtlich auf den Busen ihr!

Geh, in deine Flügel hülle
Sie zu süßem Schlummer ein
Und mit Liebesträumen fülle
Ihren Schlummer hold und rein!
Fliegst du so mit ihr zusammen
Teurer Engel durch die Welt:
Ach dann flüst're meinen Namen,
Sag' mein Weh ihr, das mich quält!

übersetzt von Ludwig Adolf Simiginowicz-Staufe (1832-1897)

Aus: Romanische Poeten
In ihren originalen Formen und metrisch übersetzt
von Ludwig Adolf Staufe
Zweite Auflage Wien 1868
Druck & Verlag von A. Pichler's Witwe & Sohn (S. 7)

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Ade

Lebt' ich wie die Welt so lange
Flög' in sel'gem Geistesdrange
Ewig, ewig ich zu dir!
Was nur heilig mir im Leben
Dir nur, dir wollt' ich es geben
Süßer Engel für und für!

All mein Trachten, all mein Denken,
All mein zärtliches Versenken
All mein Sehnen und mein Sein:
Dir nur, dir der Holden, Hehren
Wollt' ich ewig es verehren,
Wie dem lieben Gott allein!

Du mit einem Wort so leise,
Du mit einem Lächeln weise,
Du mit einem Kuß so süß:
Hast die Sele, hast das Leben
Engel, meiner Brust gegeben
Und das heil'ge Paradies!

Ließest mich durch Liebe finden
Jenes göttliche Empfinden
Jene hohe Seligkeit,
Die uns beugt und dennoch gerne
Ueber alle Himmelssterne
Hebt zum Tron der Ewigkeit!

Weh', du giengst zum ew'gen Schlummer! . . .
Ach in einer Nacht voll Kummer
Hat der Himmel uns getrennt;
Du bist hin, bist hin Geliebte
Und mein Glück, das nie getrübte,
Nahm in einem Nu sein End'!

So ist's Los, das uns beschieden,
Was uns teuer nur hienieden,
Was nur lieblich ist und schön:
Seh'n wir in der Zeiten Drange
Gleich der Blume, gleich dem Sange
Und gleich einem Blitz vergeh'n!

Sterne kommen, Sterne schwinden!
Meinen Trost kann ich nicht finden,
Für die Erde starb er ab;
Er ist fort mit dir gezogen
In des Lichtes Reich geflogen . . .
Und ich wein' auf deinem Grab!

Einsam nur vom Leid umschwirret,
Auf dem Weg' des Seins verirret
Wie ein Blinder ohne Glück:
Weicht mein Sein, doch's Leid wird schlimmer
Und mein Sehnen kehret immer
Ach zu deinem Grab zurück . . .

Ade! auf dieses Ufers Stellen
Von des Bosfor's dunkeln Wellen
Eingewiegt so sanft und wol:
Laß ich dich du Stern des Strebens
Mit der Seligkeit des Lebens,
Mit der Sele sehnsuchtsvoll!

übersetzt von Ludwig Adolf Simiginowicz-Staufe (1832-1897)

Aus: Romanische Poeten
In ihren originalen Formen und metrisch übersetzt
von Ludwig Adolf Staufe
Zweite Auflage Wien 1868
Druck & Verlag von A. Pichler's Witwe & Sohn (S. 9-11)

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Trennung

Du gehst geliebte Jungfrau in Länder weit und ferne
Und läßt zurück die Heimat und alle die du gerne,
Und ein bitter'n Seufzer in meiner wunden Brust!
Jetzt in der Stund des Abschied mit allen im Vereine
Wünsch' ich, daß dir der Himmel stets heiter lächelnd scheine
Und daß ein Weg dir werde voll Blumen und voll Lust.

Geh' ohne Schmerz und Kummer, mit frohem heitern Drange,
Denn meiner Liebe Engel, mein Herz so trüb und bange
Sie werden dich begleiten geheim allüberall;
Und bist du noch so ferne, so denke warm und brünstig
Daß du nur bist mein Leben, daß uns das Schicksal günstig,
Daß uns das Schicksal wahret ein künftig Glück zumal.

Gedenke, daß auf Erden mir niemals etwas größer
Nichts glüh'nder und nichts stärker, nichts heil'ger und nichts besser
Als das Gefühl der Liebe, das du mir hauchtest ein;
Denn welche Wonne immer und welches Gut hiernieden
Es stralt aus deinen Augen, es kommt aus deinem Frieden
So wie vom Himmel leuchtet des Lichtes gold'ner Schein!

Wo du auch weilst Geliebte, o denk' an jene Stunden
In denen wir der Liebe allmächt'ge Glut empfunden,
Sie sind uns teure Schätze voll sel'ger Zärtlichkeit!
O denk' an jene Zeiten, in welchen uns're Triebe
Die ganze Welt umwandelt zur Wiege uns'rer Liebe
Zur Kette uns'rer Küsse die uns entschwund'ne Zeit.

Nun geh' und laß die Sele gleich einem Vöglein singen
Das früh vom Nest zum Himmel erhebt die luft'gen Schwingen
Und Blum' und Tau berühret im raschen Flug umher.
Denn meine Sel' die heimlich dein junges Herz umflüstert
Sie wird das Leid verscheuchen, das deine Stirne düstert
Und dir vom Aug' zerstreuen die Wolken schwarz und schwer.

Wird's wieder um dich helle und du in Mitternächten
Vernimmst das Flüstern weinend von höher'n Himmelsmächten
Dann sag' wie ich's werd' sagen im fernsten Länderraum:
"Es gibt wie ich auf Erden kein so geliebtes Wesen!
Mit einem Kranz von Stralen hat mich die Lieb erlesen!
Venedig wartet meiner mild lächelnd meinem Traum!"

übersetzt von Ludwig Adolf Simiginowicz-Staufe (1832-1897)

Aus: Romanische Poeten
In ihren originalen Formen und metrisch übersetzt
von Ludwig Adolf Staufe
Zweite Auflage Wien 1868
Druck & Verlag von A. Pichler's Witwe & Sohn (S. 12-13)

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Romanze

Wär' ich ein Blümchen du meine Wonne
Das an dem Bache blüht tief in dem Tal:
Würde ich geben den Tau und die Sonne
Für deines Auges heiligen Stral.

Wär' ich ein Vöglein mit weichem Gefieder
Das zwischen Blättern Geliebte sich hält:
Auf deine Arme setzt' ich mich nieder
Flöge in Ewigkeit nicht in die Welt.

Wär' ich Geliebte ein Zefier des Abend:
Nicht eine Blume berührt' ich mit Lust;
Würde wie eine Frühlingsnacht labend
Selig mich wiegen auf deiner Brust.

Wär' ich der Engel du Holde, du Süße
Der in den Schlaf dich wiegt singend und traut:
Würde geheim ich dir stehlen viel Küsse
Und in den Himmel dich tragen o Braut!


übersetzt von Ludwig Adolf Simiginowicz-Staufe (1832-1897)

Aus: Romanische Poeten
In ihren originalen Formen und metrisch übersetzt
von Ludwig Adolf Staufe
Zweite Auflage Wien 1868
Druck & Verlag von A. Pichler's Witwe & Sohn (S. 15)

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Hora

Willst Du nicht zur Hora gehen
Unter jenem Eichendome?
Schau wie sich die Tänzer drehen,
Komm' o Liebchen, komme!

Neben mich komm' o Mariechen
Wol zum Druck der Hand so labend,
Wie am Brunnen gestern Abend
O Marie, Mariechen!

Geist der Furcht spiel auf bei Zeiten
Und du Kobsa draus in Eile,
Denn dein Kreuz mach' ich zu Saiten
Und dein Har zur Keule!

Rotes Feß spiel nicht im Traume,
Sei auf deine Geige eitel,
Denn ich hab' 'nen Pflock im Zaume
Und viel Geld im Beutel!

Bis zum Abend so nur immer
Denn in Schönheit stralt Mariechen
Wie ein Tag im Frühlingsschimmer
O Marie, Mariechen!

So ihr Burschen noch ein Stündchen,
Wollt nur Schmach nicht auf mich schieben,
Denn den Teufel hat ihr Mündchen
Heut' in mich getrieben!

Trag' am Hut, der schön mir stehe!
Blumen und auch Perlen heute,
Daß darauf mit Stolz sie sehe
Und mit süßer Freude!

Trag ein Hemd mit schönen Sticken,
Draus manch' gold'ner Faden schimmert,
Einen Mantel auf dem Rücken . . .
Niemand heut' mich kümmert!

Stampft o stampft in grimmer Laune
Daß die Erd' erbeb' im Schoße,
Daß die ganze Welt erstaune
Und selbst Gott, der große!

Bin schon satt der schweren Gaben
Und der Boten und der Knechte,
Mag nicht ackern mehr und graben
Bin in meinem Rechte!

Voll sind heute alle Horen!
Spring' mir Schuh in hundert Stückchen;
Wollt' mit dir im Tanz verloren
Sterben o Mariechen!

übersetzt von Ludwig Adolf Simiginowicz-Staufe (1832-1897)

Aus: Romanische Poeten
In ihren originalen Formen und metrisch übersetzt
von Ludwig Adolf Staufe
Zweite Auflage Wien 1868
Druck & Verlag von A. Pichler's Witwe & Sohn (S. 18-19)

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Die Schöne vom Gebirge

Schönstes Mädchen das zu sehen!
Warum willst am Steg' nicht gehen
Daß mein Arm dich froh umschließt
Möcht bei Gott wol nicht verfehlen
Haus und Hof dir zu vergällen
Daß du selbst auf Gott vergißt.

Macht dich müde nicht dein Spinnen?
Wirf den Rocken schnell von hinnen,
Ueber's Bächlein spring' voll Lust,
Daß zusammen wir nun klauben,
Du am Berge rote Trauben,
Blumen ich für deine Brust!

Hier im Wäldchen dunkelglühend
Ist ein Gras so schön und blühend
Reich an Blumen, reich an Klee;
Laß dahin uns Mädchen dringen,
Will dir Doinalieder singen
Daß du weinst im süßen Weh!

übersetzt von Ludwig Adolf Simiginowicz-Staufe (1832-1897)

Aus: Romanische Poeten
In ihren originalen Formen und metrisch übersetzt
von Ludwig Adolf Staufe
Zweite Auflage Wien 1868
Druck & Verlag von A. Pichler's Witwe & Sohn (S. 19-20)

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Die vom Schicksal Bestimmten

Hier im Tale an der Quelle
Zwei der Mädchen wuschen Wolle . . .
Gesang des Buschor.

Hier im Tale an der Quelle
Zwei der Mädchen flink und schnelle
Wuschen Wolle und zur Stund
Lachten sie aus einem Mund:

"Wird der Wind heut' abend wehen
Durch das Kornfeld, das wir sehen:
Müßen wir dann zaubern traun
Und hinab in's Brünnlein schau'n.

Wird der Zauber uns gelingen
Wird uns wie im Spiegel blinken,
Ob das Schicksal uns beglückt,
Feueräug'ge Männer schickt."

Als der Wind im weiten Bogen
Ueber's Kornfeld kam geflogen:
Hexten an dem Brunnen wol
Beide schon erwartungsvoll.

Blickten in das Brünnlein nieder
Draus zwei Bilder stralten wieder
Nur dem Morgentraume gleich
Lächelnd schön und anmutsreich.

Diese beiden lichten Schatten
Die den Mund voll Lächeln hatten:
Schaukelten am Wasserplan
Neckten beide Mädchen dann.
*

Da sie sich hinab noch neigten
Wieder sich zwei Bilder zeigten
Die am Wasser anders kaum
Schwammen wie durch einen Traum.

Doch die jetzt sich zeigten ihnen
Nicht wie jene früher'n schienen
Wol von weißem Lil'jenschein
Gleich dem Himmel hell und rein.

Schwarzbraun waren sie zu schauen,
Schwarz von Har mit breiten Brauen
Und es glich ihr Augenpar
Falkenaugen auf ein Har!

"Welch' ein Wunder will uns lachen?"
Jetzt die dummen Mädchen sprachen;
"Unser Wunsch ist nun erfüllt
Schau der Freier schönes Bild!"

Schau es scheint, als ob die Holden
Uns im Nu schon küssen wollten,
Strecken auch die Arme weit
Zur Umarmung schon bereit!"

Eh' die Mädchen ausgesprochen:
Weiß nicht wer es hat verbrochen
Still zu rauben ohne Gruß
Jedem Mädchen einen Kuß.
*

Willst du nun zum Brunnen gehen,
Wirst die Mädchen nicht mehr sehen;
Denn auf Straßen Wäldern grün
Ihre jungen Tage zieh'n.

Was für Kugeln hier auf Erden
Gen den Feind geworfen werden
Weiß ich jetzt, - sie sah'n oft dreist
Was Arneutenflucht wohl heißt.

Denn seit sie im raschen Drange
Auf die Stirn und auf die Wange
Einen Kuß bekamen laut:
Folgten in den Wald sie traut:

Zwen Gesellen mit breiten Brauen,
Deren Antlitz war zu schauen
Sonnverbrannt mit Augen drin,
Die gleich Falkenaugen kühn.

übersetzt von Ludwig Adolf Simiginowicz-Staufe (1832-1897)

Aus: Romanische Poeten
In ihren originalen Formen und metrisch übersetzt
von Ludwig Adolf Staufe
Zweite Auflage Wien 1868
Druck & Verlag von A. Pichler's Witwe & Sohn (S. 21-23)

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Siehst du den stolzen Adler

Siehst du den stolzen Adler o du mein teures Leben!
Wie er sich aufwärts schwinget zum dunkeln Wolkenflor?
So will in deinem Anblick sich meine Sele heben
In süßem Schauer schwimmend zum Himmelsdom empor.

Sieh unter allen Sternen welch' blendend lichte Stralen
Ergisst der Stern des Morgens auf seinem Weg so still?
So wenn ich dich Geliebte seh fröhlich zu mir wallen
Erglänzen meine Augen im zärtlichsten Gefühl.

Hörst du der Mitternächte geheime Stimmen fingen
Die mit dem Duft der Blumen durch alle Lüfte weh'n?
So tönt in Melodien in mir ein himmlisch Klingen
Wenn meine Sel' dich fühlet du Engel mild und schön!

Denn sieh' es gab der Himmel dem Adler Flügelsschnelle,
Den Nächten stille Seufzer, den Sternen mildes Licht;
Dir gab er süßen Zauber, mir gab er eine Sele
Daß ich sie dir verehre bis hier mein Auge bricht!


übersetzt von Ludwig Adolf Simiginowicz-Staufe (1832-1897)

Aus: Romanische Poeten
In ihren originalen Formen und metrisch übersetzt
von Ludwig Adolf Staufe
Zweite Auflage Wien 1868
Druck & Verlag von A. Pichler's Witwe & Sohn (S. 24)

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Träume

Träne, die sich mir entwindet,
Siehst den Tau der Blumen ziert,
Wie er glänzt und dann entschwindet
Und zu schwarzen Wolken wird?

So wol manches Zarte, Schöne,
Das aus frohen Augen scheint
Wandelt sich in eine Träne
Die die dunkle Trauer weint.

Wie viel Herzen jung und blühend
Froh zum Himmel fliegen auf
Und mit einemmal verglühend
Enden ihren Lebenslauf!

Wie viel Träume liebeshelle,
Schätze in dem Herzensdom:
Sterben, wie die Blitze schnelle
Und entflieh'n wie ein Fantom!

Das nur können wir erwerben,
Trostlos ist es allerwärts:
Heute leben, morgen sterben,
Heute Lust und morgen Schmerz!

Glücklich der noch hier erfüllet
Seine Träume, die er hegt,
Glücklich der noch liebt und spielet
Bis er in sein Grab sich legt.

Denn es macht der Jugend Liebe
Diese Welt zum Himmelreich
Uns'rer Sele schönste Triebe
Machen uns den Göttern gleich!

übersetzt von Ludwig Adolf Simiginowicz-Staufe (1832-1897)

Aus: Romanische Poeten
In ihren originalen Formen und metrisch übersetzt
von Ludwig Adolf Staufe
Zweite Auflage Wien 1868
Druck & Verlag von A. Pichler's Witwe & Sohn (S. 25)

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