Konstantin Balmont (1867-1942)
russischer Dichter
Unter dem Flieder
Wir standen unterm Flieder, in seinem Duft verzückt
Und hüllten uns in Träume, der Wirklichkeit entrückt.
Der Frühlingsmorgen wurde zum uferlosen Meer
Von Wolken, Bäumen, Zweigen und Blüten um uns her.
Ein Meer von Blumen, Farben entstand um uns im Nu:
Nur Blumen, Düfte, Gräser und Liebe, ich und du.
Wir hielten uns umschlungen und schmiegten Wang' an Wang',
Die Seligkeit des Flieders in uns're Herzen drang.
Die Sonne strahlte Wärme und Liebe immerzu,
Es war ein Staunen, Beben, ein Rausch, und ich, und du.
Wir lebten ew'ge Stunden im kurzen Sonnenschein,
Der Frühlingsmorgen strahlte für uns, für uns allein!
Wir waren zwei Gebilde von Licht und Frühlingsluft,
Zwei Träume, die gewoben der Fliederblüten Duft.
(S. 41)
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Ein Brand
Anfangs wollte ich nur scherzen:
Spielend schürt' ich ihren Brand.
Als ich sah die Glut die schwüle,
Spürte ich, trotz meiner Kühle,
Schreck im Herzen.
Wollte fliehen und zerreissen
Jäh dies Band.
Doch die leuchtenden und heissen
Flammen schlugen hoch empor,
Gellend, zischend war ihr Chor,
Schlangenartig war ihr Gleissen.
Rasend schnell
Stieg und kreiste nun das Feuer, züngelnd,
lodernd, blendend hell.
Und ich sah im Rauch Gesichter,
Tiere, Fratzen, wilde Lichter;
Doch die Flammen schlugen qualmend
über mir und ihr so grell.
Unerschöpflich wie ein Quell,
Wie ein Meer von Pech und Schwefel,
Wuchs der Brand in lohem Glanz,
Mich - in süsse Träume wiegend,
Sie - versengend und besiegend.
Und voll Frevel
Kreiste ich mit ihr verschlungen in dem
trunk'nen Flammentanz.
(S. 42)
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Die Nixe
Wenn du weisst, wer ich bin, und mich magst, -
nimm mich hin:
Bist der einzige Mensch, des gelüstet mein Sinn.
Eh' ich dich hab' geseh'n, war ich kalt wie der
Schnee,
Denn ich wohne im tiefen und schweigenden See.
Aber warte noch: gleich kommt das Mondlicht so
bleich . . .
Sieh, es spiegelt sich jetzt schon im dämmernden
Teich.
Sieh den bläulichen Schein! Küss' mich heiss!
Bist du mein?
Hier! Und hier! So! Und da! O wie süss ist's zu
zwei'n!
(S. 43)
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Sie gab sich mir hin ohne Klage,
Sie hat nicht an Reue gedacht.
- Wie klar sind die sonnigen Tage,
Wie ist doch das Meer voller Pracht!
Sie sagte nicht: "Nein! lass mich gehen",
Sie wollte von mir keinen Schwur.
- Wie mild uns die Winde umwehen,
Der Abendhauch kühlt schon die Flur!
Die Schande, das drohende Dunkel
Der Zukunft erschreckten sie nicht.
- Wie sanft ist der Sterne Gefunkel,
Wie mild ist ihr ewiges Licht!
(S. 44)
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Feuerzauber
In der Kindheit - sind es Funken
Vom Kamin; in rotem Brand
Stieben sie so wirr und trunken,
Schatten malend an die Wand.
Später - fesseln uns die Kerzen
Und ein alter Märchenband;
Nach den Märchen - Mädchenherzen
Und der Liebe Zauberland.
Später sind es Gluten, Brände,
Heisse Flammen grell und rot;
Welcher Zauber kommt am Ende:
Ist es nur der Tod? . . .
(S. 45)
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Die drei Edelsteine
Das güt'ge Schicksal schenkte mir drei Edelsteine
Von grosser Zauberkraft; verschieden war ihr
Sinn:
In fremde ferne Länder führte mich der eine
Und zu dem hellen Glück der ersten Liebe hin.
Es gab mir Macht der zweite über eine Menge
Von Menschenherzen. Doch der dritte Zauber-
stein
Der zeigte mir die tiefverborg'nen engen Gänge,
Die in die Tiefen führen, in mein Herz hinein.
Ins Meer warf ich den ersten lachend vom Balkone;
Und auch den zweiten; heb' vielleicht ihn wieder
auf.
Der dritte aber ist ein Kleinod meiner Krone,
Und er allein erhellt mir meines Lebens Lauf.
(S. 46)
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übersetzt von Alexander
Eliasberg (1878-1924)
Aus: Russische Lyrik der Gegenwart
Deutsch von Alexander Eliasberg
Mit einer Einleitung und vier Bildnissen
München und Leipzig R. Piper & Co Verlag 1907