Adolf August Beernaert (1825-1883)
niederländischer Dichter
Nachtgesang vergessener Mädchen
Hört, wie die traur'gen Mädchen singen,
Die ungeliebt gestorben sind
Laßt euer Herz ihr Lied durchdringen,
Ihr klagend Lied im nächt'gen Wind.
Auf seinem flatternden Gefieder
Da irren wir, getrennt, vereint,
Und schweben auf die Stellen nieder,
Wo eh'mals wir umsonst geweint.
Wenn dann der Mond mit bleichem Lichte
Auf eingeschlaf'ne Wälder schaut,
Dann schweifen wir durch's laub'ge Dichte,
Uns ist ein jeder Pfad vertraut.
Und wenn der Wand'rer längs des Weges
Im Buschholz etwas rauschen hört,
Wir sind es, die das Laub bewegen,
Wir sind es, die er aufgestört.
Und wenn in Blättern, welche fallen,
Man geisterhaft es wirbeln sieht,
Das ist ein Tanzen von uns allen
Zu unserm leisen Trauerlied.
Und seht ihr blasse Schatten treiben,
Wo Nebel dampfen über's Land,
Da wisset, daß wir dorten bleiben,
Bis uns der Sonne Strahl verbannt.
Gedenkt an uns beim vollen Leben,
Gedenkt an uns bei Lieb' und Lust;
Uns ward die Liebe nicht gegeben,
Wir haben Nichts vom Glück gewußt,
Und ihr, die ihr, gleich uns vergessen,
Nicht wißt, wie Liebe selig macht,
Ihr werdet unser Weh ermessen,
Wir haben einst gleich Euch gewacht.
übersetzt von Ida von Düringsfeld (1815-1876)
Aus: Von der Schelde bis zur Maas
Das geistige Leben der Vlamingen
seit dem Wiederaufblühen der Literatur
Biographien, Bibliographien und Proben
von Ida von Düringsfeld (Zweiter Band)
Leipzig Ad. Lehmann Brüssel Fr. Claassen 1861 (S. 2-3)
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