Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Jacobus Bellamy (1757-1786)
niederländischer Dichter



An Phyllis

Andre rufen um Begeistrung
Die erfundne Klio an;
Du, o Phyllis, bist die Muse,
Welche mich begeistern kann.

Wenn ein Fünklein frommen Triebes
In dem trauten Sange glüht,
O so hat in deinem Auge
Dieses Fünklein einst geglüht.

Süsse Küsse, die dein Mündchen
Mir so zärtlich liebend gab,
Mahlt' ich treulich, wie ich konnte,
Auf mein Farbenbrettchen ab.

Lange stumm, und tief versunken
Lag in mir die Sängerlust:
Doch dein Blick hat sie erwecket
Mit der neubelebten Brust.

Alle Lust, und alle Wonne
Gab nur deine Liebe mir;
Aber rein, wie sie auch, tönen
Meine wärmsten Lieder dir.

Tugend soll mein Sang entehren?
O da säng' ich dir zum Hohn:
Nein, du lautre Engelseele
Forderst keuschen Liebeston.

Nimm sie freundlich diese Sänge,
Nimm sie, meine Muse, hin!
Schau' in meiner Liebe Spiegel,
Spiegle deine Liebe drin.
(S. 27-28)
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An meine Leyer

Einst spannt' ich meine Saiten auf,
Vom Vaterland' ein Lied zu singen;
Ich sang von Bato's Heldenlauf,
Und sieh! - es kracht; die Saiten springen!

Da brannt' es mir wie Glut herauf;
Ich schlug beschämt die Augen nieder,
Zog andre dünne Saiten auf,
Und sang - auch diese sprangen wieder.

Voll Gram beschloss, o liebe Ley'r,
Ich dich nun an die Wand zu hängen;
Verloschen war das edle Feu'r;
Mir ekelte vor Heldensängen.

So frisch nun Tag auf Tag vorbey.
Der Ruhm, dass ich der Heldennahmen
Verewiger durch Sänge sey;
Nichts konnte wieder mich entflammen.

Doch einst - erschien, in dunkler Nacht,
Ich lag in Wehmuth tief versunken,
Mir eine Gottheit - da erwacht'
In mir der edle rege Funken.

Die Liebe stellt' ihr lieblichst Bild,
Der Schönheit Ruhm, vor meine Blicke;
Sie wars - in Silberglanz gehüllt;
Sie rief die Sanglust mir zurücke.

Da nahm ich dich, du liebe Ley'r,
Und spannte die gesprungnen Saiten,
Ich fühlte meiner Liebe Feu'r
Und Kraft in Ton und Worte gleiten.

O Saitenspiel, ihr bist du ganz;
Ihr wirst du unaufhörlich klingen;
Indess wird sie den kühlen Kranz
Um meine heissen Schläfe schlingen.
(S. 29-31)
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An einen Weisen

Ey sprich, du kalter Weiser,
Was schmähst du meine Lieder,
Und nennst sie schale Thorheit?
Ich singe nur von Liebe,
Von Phyllis holden Augen,
Von warmen Liebesschmätzchen;
Ist das wohl schale Thorheit?
Schweig still, du kalter Weiser,
Natur gab dir kein Herze,
Kein zärtlich fühlend Herze;
Du kennst nicht süsse Liebe;
Du hast kein blühend Mädchen
Mit Augen, zärtlich lächelnd.
Nie hat von hoher Freude
Dein Busen je geglühet.
Dein Geist hat nicht Begriffe
Von Lieb' und Gegenliebe.
O schweige kalter Weiser,
Bey Phyllis Augen schwör' ich! -
Ja, bey der grossen Liebe
Will ich den Trotz verklagen,
Und dann - dann magst du zittern!
(S. 32-33)
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Triumph-Lied

Triumph! - Mir ward die Gabe,
Niemahls verletzt zu werden!
Ich sah wohl hundert Schönen,
Und keine, keine konnte
Jemahls mein Herz gewinnen.
Starr schaut' ich in die Augen,
Und lächelt' ihrer Blicke.
Es ist umsonst, ihr Schönen!
Triumph! Mir ward die Gabe
Niemahls verletzt zu werden!

So sang ich, und ein Mädchen
Kam unversehns zum Vorschein!
Sie lacht' und sprach: du Fester,
Was darfst du dich vermessen? -
O Himmel! - Welch ein Mädchen!
Sie hatte was im Auge,
Was Zauberndes im Auge!
Wie pocht' es mir im Herzen!
Ich rief: Ich bin besieget! -
Doch unter allen Mädchen
Sah ich, wie du, nicht eines!
(S. 34-35)
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Die Liebe

O Liebe, o wie sind die Freuden,
Die du gewährst, so übergross! -
Doch immer stehn sie bittern Leiden,
Und Qualen ohne Grunde bloss.

Furcht, hohe Bangigkeit, zerwühlen
In voller Wuth ein liebend Herz:
Aus eitler Träume Gauckelspielen
Entstehet uns der grösste Schmerz.

Wir zittern gleich, wenn uns die Stimme
Des schreyenden Bewusstseyns tönt;
Und, wenn der Geist, im tauben Grimme
Des Schreckens, nimmer sich erkennt.

O Liebe, gierig, dich zu trügen,
Suchst du die Täuschung zu zerstreun;
Und wickelst dich doch oft in Lügen,
Durch wohlgemeinte Listen, ein.

O möcht' ich deinen Himmel schmecken!
Nach Gold und Range frag' ich nicht;
Nach Liebe, Liebe, die mit Schrecken
Und Qualen nicht das Herz mir bricht.
(S. 36-37)
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Meine Leyer

Ich spielt' auf meiner Ley'r im Schatten
Des Ulmenbaums ein froh Gedicht;
Da huckte hinter mir im Strauche
Der Liebesgott; ich sah ihn nicht.

"Ey, heisst das spielen? rief der Junge,
Du armer, armer Dichter du!
Komm; ich will deine Leyer richten;
So klingt sie nicht so falsch dazu!"

Ich gab dem Knaben sie hinüber;
Da war der kleine Schalk nicht lass!
Er setzte sich - die Saiten borsten.
"Du Böser! schrie ich - Was ist das!"

"Nu, nu, Geduld; ich habe Saiten,
Die gut und schön sind!" - "ganz gewiss!"
"Soll ich sie auf dein Spielzeug spannen? -
Sie klingen wunder- - wundersüss."

Er warf nun jäh die alten Saiten
Unwillig auf die Erde hin,
Und brauchte wenig Augenblicke
Die Leyer wieder zu beziehn.

Er sprach: "Nun, Dichter, spiel' ein Liedchen."
Ich nahm die Leyer, und begann
Ein Lob der Freyheit, - doch es tönten
Die Saiten hart und kraftlos an!

"Du Schalk, heisst das die Leyer richten,
Dass sie so widerlich ertönt?"
"Geduld! antwortete der Lose,
Bis du sie dir erst angewöhnt!

Sie werden immer besser klingen;
Es stecken Liebeslieder drin!
Besinge, wie mit kleinen Händen
Ich grosser Männer Sieger bin.

Von Phyllis singe, wie die blicket,
Wie hold sie geht, wie sanft sie spricht.
Für niedrige, gemeine Lieder
Schenkt' ich dir meine Saiten nicht."

Gleich fang ich, wie der Kleine wollte,
Von Phyllis Blick, und Mund und Gang;
Und meine Leyer - welch ein Wunder!
Sie klang, wie sie noch nie erklang.

Nun wandl' ich mit der Wunderleyer
Herum durch Wald, und Thal und Flur;
Doch tönen süss die Wundersaiten
Von Phyllis und der Liebe nur.
(S. 38-40)
_____



Phyllis

O Liebe, stehe mir nun bey,
Da ich das Bild der Phyllis mahle;
Damit die leichte Schilderey
Mit ihrer hohen Schönheit prahle.

Ihr Antlitz ist so minniglich,
So mild und freundlich ihr Benehmen;
Da müssen Neid und Kälte sich
Wohl zur Bewunderung bequemen.

Die Stirn' ist frey, und hold, und gut,
Der edle Zierath schöner Frauen;
Auf ihrem sanften Bogen ruht,
Das unschuldvolleste Vertrauen.

Ihr Augenpaar ist glänzend braun,
Blickt meiner Seele neues Leben;
Sein übergutes, liebes Schau'n
Kann hartem Stein Empfindung geben.

Sieh, wie aus ihr die Freude lacht;
Wie schön die zarten Wangen glühen;
Wie voll und sanft in Jugendpracht,
Wie junge Frühlingsrosen, blühen!

Die Lippen farbig wie Korall,
O wie sie sich zum Kusse schliessen!
Wie sie aus banger Brust die Qual
Im Zauber wegzusprechen wissen!

Ihr Busen sittsam überdeckt, -
O könnt' ich einmal ihn erblicken;
Den Mund, den er zum Kuss erweckt,
Darauf nur einmahl brünstig drücken!

Vereinigt hat das edle Weib,
Was alle schönen Frauen haben:
Doch mehr gezieret als ihr Leib
Ist noch ihr Geist mit Schönheitsgaben.

Wenn auch ihr heller Falkenblick
Die Brust mit Feuer mir erfüllet;
So folget nur ein zweyter Blick,
Und meine Flammen sind gestillet.

Sie bleibt, wenn auch die Wollust winkt,
Am Halse reiner Tugend hangen;
Und wenn sie lieblich spricht - so sinkt
Der Liebe feurigstes Verlangen.

Sie weiss ans Schnürlein reiner Lust
So fest den Übermuth zu binden;
Sie spricht: im Taumel trunkner Brust
Soll unser Auge nie erblinden.

So gross ist ihr Gemüth und gut!
So sanft und edel all ihr Thuen!
Gehorsam folgt ihr Geist und Blut;
Und alle wilden Triebe ruhen!

Ihr nachzufolgen sey dir Pflicht,
O Leyer! - Singe Liebe, Liebe!
Doch nur entheilige du nicht
Die allerreinsten Engeltriebe!
(S. 41-44)
_____



An Phyllis

Du sollst mich, liebe Phyllis,
Du sollst mich denn verlassen,
Und ich soll dir nicht folgen? -
Doch, wenn am stillen Abend
Du in dem sanften Schatten
Der dichtbelaubten Bäume
Auf grünem Rasen wandelst,
Da sollst du, liebes Mädchen,
Ein leise säuselnd Windchen
In deiner Laube hören.
Und dieses Windchen soll dir
Die sanften, lieben Wangen
Mit stiller Ehrfurcht küssen.
O Phyllis, diese Windchen
Sind leise Liebesseufzer,
Die ich, von dir getrennet,
Hier einsam traurend seufze.
So oft dann, liebes Mädchen,
Du so ein klagend Windchen
An deiner Wange fühlest,
Sollst du auch meiner denken! -
Wie dichte will ich seufzen!
(S. 45-46)
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Phyllis

Was ist diess? - Nach so vielen frohen Tagen
Umzieht ein graunvoll Dunkel das Revier!
Theilt auch die Flur, gerührt von meinen Klagen,
Den Gram mit mir?

Die Sonne, durch mein Leid bewogen
Hat traurend sich zurückgezogen
Und birgt selbst ihren düstren Blick;
Natur, mit Thränen auf der Wange,
Sieht hin nach der, die ich verlange,
Und winket sehnlich ihr zurück.

O dass sie ihren Schmerz bezähme!
O brich, Natur, nicht mit Gebraus'
In Klagen aus!
Du würdest sonst die leicht empörten Ströhme
Erschrecken; und vielleicht ein grösser Leid
Entstünd' aus deiner Traurigkeit.

O nein, Natur, ein einzger Seufzer mag entfliehn;
So führ' auch Phyllis übers Meer
Ein lieblich Lüftchen sicher hin!
Und unter ihrem Schiffe mögen auch die Wellen
So sanft und sicher schwellen!
(S. 47-48)
_____



An Phyllis

Wie fern, o liebe Phyllis,
Wie fern von dir getrennet
Muss dein Geliebter seufzen!
O dass sich Lieb' und Schicksal
Mit sammen nicht verstehen!
O wonnetrunken denk' ich
Noch jener frohen Tage,
An denen, trotz dem Schicksal,
Bey dir, o schöne Phyllis,
Ich süsse Liebe schmeckte.
Wo sind sie, diese Stunden?
Erinnrung: ich war glücklich,
Verdoppelt wohl das Unglück.
So bald der Morgen grauet,
Entspring' ich meinem Bette,
Und denke meiner Phyllis!
Ich bleib' in stiller Kammer
Bis auf den düstren Abend
Und denke meiner Phyllis.
Schnell deckt die halbe Erde
Die Nacht mit ihren Flügeln,
Der Schlaf schliesst alle Augen,
Nur ich allein! - Ich wache!
Bey düstrem Kerzenlichte,
Denk' ich der Freuden immer
Die ich zuvor genossen!
Nur eine dieser Freuden,
Ein Küsschen deiner Lippen,
Ein Blickchen deiner Augen,
Es würde, liebes Mädchen,
Mich überglücklich machen!
(S. 49-50)
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An den Mond

Schöner Mond, siehst du hienieden,
Wo dein blasser Glanz sich bricht;
Schöner Mond, siehst du hienieden
Meine liebe Phyllis nicht?

Ja, du siehst sie, wann kein Wölkchen
An dem Himmel vor dir graut;
Wann dein heller blinkend Auge
Frey vom Sternenbogen schaut.

Frey, was sag' ich? - Dach und Fenster
Werden dir im Blicke stehn,
Nachtgestirn, und dich verhindern
Meines Lebens Lust zu sehn.

Neidisch Dach, missgünstig Fenster,
Lass den hellen Silberschein,
Lass ihn durch die dichten Fugen
Zu dem lieben Mädchen ein.

Wenn du aber eingedrungen
Zu dem lieben Mädchen bist,
Sag' ihr dann, dass ihr Geliebter
Sie recht gut und freundlich grüsst.

Sag' ihr dann mit hellem Blicke,
Hellem, wie dein Glanz es ist:
Schönes Mädchen, dein Geliebter
Ist es, der dich durch mich grüsst.

Ruhegeber, Nachterfreuer,
Siehst du nun mein Mädchen hier?
O vielleicht schaut sie auch zärtlich,
Meiner denkend, auf zu dir!

Denkt vielleicht, so aufwärts blickend,
Wo dein matter Glanz sich bricht:
Schöner Mond, siehst du hienieden
Meinen lieben Damon nicht?

Schickt vielleicht auch einen Seufzer
Voller Sehnsucht auf zu dir:
Nimm ihn, und mit deinem Strahle
Bring' ihn, lieber Mond, zu mir!

Mögest du doch, Himmelstochter,
Nimmer, nimmer von uns gehn!
Mögen deine goldnen Strahlen,
Immer unsre Flur besehn!
(S. 51-53)
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An Phyllis

Wie blieb mein heisser Mund an deinen Lippen hangen,
Bis ihm ein leises Ja voll holder Scham entfuhr!
Ich hielt dich voller Lust in meinem Arm gefangen,
Und schwur auf deinen Mund den feyerlichsten Schwur.

Ich schwur, dass für und für ich dich nur werde lieben;
Dass nichts befassen soll mein ewig treues Herz;
Und hätte Schwäche mit zum kleinsten Fall getrieben,
So treff' als Strafe mich der allergrösste Schmerz.

So sprach' ich, hatte dich an meinem Busen liegen,
Und du antwortetest: "Auch ich will deine seyn!
Und sollte deine Lieb' einst nimmer mir genügen,
So treff' als Rache mich die allergrimmste Pein!" -

Froh war nun die Natur; - der Mond warf hellre Strahlen;
Die sanfte Nachtigall sang uns ein schöner Lied;
Wir sahn den Liebesstern in voller Schönheit prahlen. -
So schön, wie damahls, hat er wohl noch nie geglüht.

Ein lieblich Windchen kam, und führt' auf seinen Flügeln
Uns zu dem Strahlenthron des Schöpfers hoch empor. -
Die Gottheit war vergnügt, - und von des Himmels Hügeln
Ertönte tausendfach zurück der Freudenchor!

So heilig ist das Band, o du, die mich beglückte,
Das vor dem Himmel selbst auf ewig uns verband,
So treu, und fest, dass es den Engelchor entzückte,
So, dass der Schöpfer selbst daran Vergnügen fand.

Wenn auch der tolle Zwang auf unsre Liebe wüthet:
Die Tugend spricht für uns, und billigt unsre Lust;
Die Gottheit selber ists, die unsre Herzen hütet;
Sie ströhmt Entschlossenheit in unsre bange Brust.

Soll uns auch selten nur die holde Sonne scheinen;
Drückt auch der Athem schwer das engbeklommne Herz;
Wohlan! - Wir lieben doch, und wollen nimmer weinen;
Denn düstre Bangigkeit vergrössert nur den Schmerz.

Die stäte Treue wird in uns zu Flammen fachen
Der Liebe heilge Glut; - sie ists, die Liebe nährt!
Schon haben jene, die so strenge dich bewachen,
Den Durchgang durch dein Haus tyrannisch mir versperrt.

Doch soll mein Hauch zu dir durch harte Steine dringen;
Er paart sich mit dem Hauch, der deiner Brust entfliegt:
Der Sterblichen Versuch wird Liebe nie bezwingen;
Sie ists, die keine Macht, - selbst nicht der Tod besiegt.

O Mädchen, wenn nur mir dein Herz wird immer glühen,
Erfüllt ist all mein Leid, wenn du nicht von mir gehst.
Wie wird der Freude Blum' auf deinen Wangen blühen,
Wenn du einst dicht an mir im Hochzeit Tempel stehst.

Doch! - Wenn du treulos wirst! - o marternde Gedanken!
Fort, ewig fort aus mir! - Mein Mädchen ist mir treu!
O Liebe, Tugend, Treu', o flechtet eure Ranken
Dicht in einander, dass sie es auch ewig sey!
(S. 54-58)
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An Phyllis

Petrarch mag seine Laura schon
Im göttergleichen Liede singen,
Und nach der frischen Myrthenkron'
Erhabner Liebe ringen;

Mag auch Neärens hold Gesicht
Secundus Stoff zu Sängen geben,
Und an dem zärtlichen Gedicht
Mit heissem Kusse kleben;

Mag Poot bey seyner Leyer Klang
Mit seiner Rosemunde scherzen,
Und sie mit tändelhaftem Sang'
In losem Spiele herzen:

Ich singe Phyllis. Sie allein
Gibt edlen Stoff zu meinem Sange;
Ich singe ihre Zauberey'n,
Die Blüthen ihrer Wange.

O Mädchen, möchte diess Gedicht
Jahrtausende noch nicht verwesen!
Dann soll des jüngsten Tags Gericht
Noch deinen Nahmen lesen.
(S. 59-60)
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*   ****

Vergessen! - Ja, das war das Wort!
Wie klopft mein ängstlich Herz!
Sprich, Mädchen, bringt dirs solche Lust,
Wenn du mich traurig siehst? -
Vergessen! - Wenn ichs jemahls kann,
Vergisst mein Herz sich selbst!
Nein! Wenn du dich mir nehmen willst,
So nimm mir auch mein Herz!

Ich ging allein im Ulmgebüsch',
Es sang die Nachtigall.
Sie sang, - doch welch ein düstres Lied!
Gewiss ein Trauersang.
Sprich, rief ich, will dein Weibchen auch,
Dass du's vergessen sollst?
Sprich; oder singst du mir diess Lied
Von meiner Qual gerührt?

Vergessen? - Nein! Wenn einst das Grab
Mein kalt Gebein verbirgt,
Dann trägt mein Geist dein Engelbild
Noch immerdar in sich.
Vergessen? - Eher müsst' ich ja
Vollends vernichtet seyn.
(S. 63-64)
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An Chloe

Phyllis ist mir Lust und Leben: uns verknüpft ein festes Band;
Sie ist vor den Mädchen allen meiner Liebe Gegenstand.
Stürmen auch die Ungewitter; füllen sie die Luft mit Graus;
Löschen sie der Liebe Feuer doch in unsrer Brust nicht aus.
Nein! der wilden Winde Wehen facht nur mehr empor die Glut!
Was auch alle Feinde wüthen, spotten wir doch ihrer Wuth! -
Aber ach, wie unglückselig, wenn man so der Liebe höhnt,
Und zwey eng verbundne Herzen wüthend von einander trennt.
Junge Chloe, dass dein Herzchen niemahls fühle diesen Schmerz!
Junge Chloe, nein, es fühle Liebesleiden nie dein Herz!
Wenn es sich, du junges Mädchen, einst zum würdgen Jüngling neigt,
Dass dann nicht ein Zwang die Neigung deines reinen Herzen beugt!
Traf dich unsrer Liebe Kummer? Ja, er traf, er traf dein Herz,
Und du theiltest dich voll Liebe mit in unsren bangen Schmerz.
Ja, ich liebe dich, o Mädchen, das um meine Phyllis weint.
Liebe so auch mich, o Mädchen; nenne so mich deinen Freund!
(S. 65-66)
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Die Liebe

Die Liebe gibt der Seele Macht,
Durch die sie der Gefahren lacht;
Und jeder Widerstand
Ist ihren Kräften nur ein Tand.

Natur verehrt den hohen Sinn
Der Lieb' als ihrer Königinn,
Durchwärmet jedes Blut,
Gibt jedem unerschrocknen Muth.

Sie spottet über Freunde Zwist,
Vereitelt alter Murrer List;
Wenn sie ein kühner Zwang
Vergebens zu ermüden rang.

Des Abends, wenn sich das Gefild'
In rabenschwarzen Schleyer hüllt;
Da führt der Liebe Schein
Mich zu dem lieben Mädchen ein.

Da sitz' ich dicht am Mädchen an;
Ich küsse sie, sie küsst mich dann.
Wir fürchten nichts im Feld,
So lang die Liebe Schildwach' hält.

O Mädchen, droh' uns immer Zwang,
Wer liebt, dem macht er nimmer bang:
Er fühlet keine Pein:
Drum lass uns immer fröhlich seyn!
(S. 67-68)
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An Phyllis

Ich bitte, liebes Mädchen,
Lass mich dein Mündchen küssen!
Doch wie? du scheinst erschrocken. -
Warum, du liebes Mädchen?
Sag' an, was du wohl fürchtest.
Denkst du, dass meine Seele,
Da ich dich brennend küsse,
Mir heimlich möcht' entwischen,
Und in dein Herzchen schlüpfen,
Um da zu triumphiren?
(S. 69)
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Der Kuss

O du liebes, schönes Mädchen! Freude meinem jungen Leben!
Lass mich an der sanften Wange mit dem wärmsten Kusse kleben! -
Warum blickst du so beleidigt auf mich Liebenden herab?
Warum treiben deine Hände mich so strenge von dir ab?

Bin ich keines Kusses würdig? - Willst du alles mir versagen?
Meinen Kummer noch vergrössern durch dein quälendes Betragen?
Mädchen, Mädchen, jedes Mäulchen, das ich deiner Lippen drück',
Ist mir gränzenlose Wollust - ist mir gränzenloses Glück.

Geberinn so hoher Freuden, sollst du dieses Glück mir rauben?
Nein, das kann ich, liebes Mädchen, deinem Munde nimmer glauben!
Nein, dein Herz ist nimmer, nimmer, wie dein Antlitz, hoch ergrimmt;
Nein, es ist mit meinen Wünschen nach demselben Ton gestimmt.

O du liebst mich! - Und mein Küssen wäre widrig dir gewesen?
Selbst in diesem schönen Weigern kann ich deine Liebe lesen.
Aber nun genug geweigert! - reich' ihn nun, den warmen Mund,
Und in tausend, tausend Küssen thu' ich meine Liebe kund!

O du lächelst! - Ja, du Liebe, nimmer konntest du so bleiben;
Liebe musste diese Kälte von der rothen Wange treiben!
Komm! - Das sind sie, deine Lippen! - Engel, welche Himmelslust!
O, nur deine Küsse ströhmen Leben in die junge Brust!
(S. 70-72)
_____



Der vergebliche Versuch

Ich war bey meinem Mädchen;
Sie sass ein Weilchen sinnend,
Allein am Ende frug sie:
"Weisst du wohl, was ein Kuss ist?"
Ich sprach: "Du liebes Mädchen,
Das ist zu philosophisch;
Ein Kuss lässt wohl sich fühlen,
Doch nimmermehr beschreiben.
Wir werden wohl das Wesen,
So wie die Art der Küsse,
Durch eigene Versuche
Am sichersten entdecken."

Ich schloss sie in die Arme,
Und drückte meine Lippen
An ihre schönen Lippen;
Nun küssten wir einander,
Auf tausendfältge Weise:
Fast blieb ich unbeweglich
An ihren Lippen hangen:
Doch nach so vielen Proben
Wars uns noch ganz unmöglich
Ein Mäulchen zu beschreiben.
Ich sprach: "O liebes Mädchen,
Wir werden nicht entdecken!" -
"Wohl, sagte denn das Mädchen,
Lässt du die Hoffnung fahren;
Wer weiss es dann, wenn wir noch
Die Proben wiederhohlen,
Und doch es nicht entdecken?"
(S. 73-74)
_____



Der Nahme

"Phyllis, sagst du, dieser Nahme,
Wahrlich, er gefällt mir nicht!"
Aber kannst du mir nicht sagen,
Welcher dir ins Auge sticht?

Chloris, Doris, oder Röschen,
Welcher ists, ders besser thut?
Immer klingt der Nahme Phyllis
Reitzend, klinget sanft und gut.

Sprich, wie soll ich denn dich nennen?
Engel? - Ja, das bist du mir!
Froh und freundlich sind die Engel,
Liebes Mädchen, ähnlich dir.

O am liebsten will ich nennen
Dich des Herzens einzge Lust.
Doch, wie schwach sind diese Nahmen
Bey dem Feuer meiner Brust!

Freude, Wonne meines Lebens -
Nein! Das sagt es dennoch kaum!
Halt! ich hab' ihn nun, ders saget;
All, ja all enthält sein Raum.

Leben will ich stets dich nennen.
Ja, dann käm' ich von dir ab,
Plötzlich sänk' ich, volles Kummers,
In mein ewigschweigend Grab!

Du sollst denn mein Leben heissen!
Doch - so nenn' ich dich allein;
Dieser liebe Nahm', o Mädchen,
Bleib' uns beyden nur gemein!

Andre mögen Phyllis sagen;
Phyllis magst du jedem seyn.
Doch - mein Leben - o mein Leben!
Das seyst du nur mir allein.
(S. 75-77)
_____



Mein Geburtstag

Als ich an meinem ersten Tag
Noch kaum in meiner Wiege lag,
Da trat das lose Knäbelein,
Schalk Amor, in die Kammer ein:

Er lachte laut und sprach: "Diess Kind
Bringt euch des Heiles viel geschwind;
Sonst will ich euch nicht Amor seyn," -
Und guckte in die Wiege 'nein:

"An meiner Mutter Kränzelein
Wird er die schönste Perle seyn.
Seht, aus dem winzigen Gesicht
Wie schon ein Zug der Liebe spricht."

Man sagt, ich hätt' auf dieses Wort
Gut aufgehorcht, und ihn sofort
Stets angeblickt mit innrer Lust,
Als hätt' ich, was er sprach, gewusst.

"Sieh! sprach der lose Schalk, - ich muss
Ihn weihen mit dem ersten Kuss.
Nu, hab' ich Wahrheit kund gethan?
Schon sieht das Kind mich lächelnd an.

Mit Recht erfreuet sich dein Sinn,
Mein Kind, dass ich gekommen bin:
Durch mich sollst du in junger Brust,
Geniessen manche süsse Lust.

Durch mich wird dir bey Mädchen Ruhm:
Seht doch! - Er lächelt wiederum!
Ja, Junge, werde nur bald gross,
Dann kriegst du einen Spielgenoss.

Ein Mädchen, lauter Lieblichkeit,
Voll Schönheit, und voll Munterkeit.
Du lächelst, aber weisst noch nicht,
Was Liebe dir für Gunst verspricht. -

Komm, noch ein Schmätzchen, kleiner Aff',
Und wiegt das Bürschchen nun in Schlaf!" -
So sprach der Lose, und flog fort,
Doch hielt er treulich an mir Wort.

Ich war noch stets ein kleiner Knab',
Und nimmer liess er von mir ab;
Er führte mich ins Wäldchen hin, -
Wir setzten uns aufs frische Grün,

Und hörten, wie die Nachtigall
Ihr Liedchen sang im stillen Thal.
"Ich will dich, sprach der lose Wicht
Auch lehren, wie man im Gedicht

Die Herzen junger Schönen kirrt,
Und auch die allerkältsten rührt;
Dann schenkt' er mir ein Saitenspiel,
Und lehrte mich der Liedchen viel';

Wie man die Silbersaiten schlägt,
Damit sich's Herz im Leibe regt.
Doch - wenn ich schön gespielet hab',
Als er mir meine Phyllis gab:

So klingt mein Lied doch immer mehr,
Ja, immer, immer lieblicher.
Nun sing' und spiel' ich anders nicht,
Als zärtlich, nach der Liebe Pflicht;

Und kehrt gleich Alter alles um,
Sind gleich die Finger steif und krumm;
So wird mein Liedchen doch allein
Von Liebe, Liebe, Liebe seyn!
(S. 78-81)
_____



An Phyllis

Könnt' ich in dieser Abendstund'
An deinem sanften Rosenmund',
O du, mein einzig Leben,
Mit heissen Küssen kleben!

Kaum trat der Mond die Sternenbahn
Am schönen, hellen Himmel an,
Sah er mich voll Vergnügen
In deinen Armen liegen.

Da schmeckten wir das höchste Gut.
Vor Liebe fühlten wir das Blut
Wie schnelle Funken sprühen,
Und in den Adern glühen.

Das Blut bemahlte dein Gesicht
Wie purpurrothes Morgenlicht;
Und deiner Augen Sehnen
Verdoppelten die Thränen.

Du schlangst die Arme fest um mich;
Ich schlang die Arme fest um dich;
So waren wir verstricket,
Und unser Herz entzücket.

Bring, dass ichs noch ein Mahl empfind',
O Liebe, mich in Schlaf geschwind'!
Die Lust, die du kannst geben,
Ist Nahrung für mein Leben.
(S. 85-86)
_____



An Dieselbe

O dass, wenn meine Hand muthwillig mit dir spielt,
Sie deine Strenge zähme,
Weil, wenn von ungefähr dein Busen sich enthüllt,
Sie immer weiter käme!

Nie wird die Liebe satt; sie dürstet stets nach mehr:
Ihr Leben ist Begehren.
Allein was sie geniesst, schwächt ihre Gierde sehr,
Und wird ihr Feu'r verzehren.

Doch, wenn du, dass diess Feu'r beständig brenne, willst,
Dann magst du hold verweigern;
Du wirst es, wenn du nie den heissen Wunsch erfüllst,
Zum höchsten Gipfel steigern.

Doch, dass nicht allzulang dein lieblich Weigern währt!
Du musst nicht immer quälen;
Nein, lass mich auch, damit es meine Flammen nährt;
Manchmal ein Mäulchen stehlen.

Hast du mit leichter Hand die Lippen weggekehrt,
Die an der Wange kleben,
Zur Strafe magst du dann halb lächelnd, halb verstört,
Mir auch ein Mäulchen geben.
(S. 87-88)
_____



Der Kuss

"Du bist doch immer lästig!
Du willst beständig küssen! -
Was soll denn all das Küssen?
Was soll es denn bedeuten?"
So sprach die liebe Phyllis,
Und kehrte, finstres Blickes,
Ihr Antlitz auf die Seite.
Ich griff nach ihren Händen,
Und sprach: "Du liebes Mädchen,
Soll ich dich denn nicht küssen?"
Sie bog ihr Haupt herüber,
Und drückte ihre Lippen
So fest auf meine Wange,
Und schloss mich in die Arme,
Und sprach: "Was ist ein Mäulchen? -
Was soll es denn bedeuten?"
"O allerliebstes Mädchen,
Es ist der Liebe Sprache.
Wenn unsre Lippen dichte
Im Küssen sich vereinen,
Dann denk' ich: liebe Phyllis,
So wie ich mit den Lippen
An deinem Munde klebe,
So, Mädchen, ist mein Leben
Verbunden mit dem deinen.
So oft ich dann dich küsse,
Empfind' ich mehr als jemahls
Die Bande unsrer Liebe.
Diess alles, liebes Mädchen,
Diess alles sagt ein Mäulchen."
(S. 89-90)
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Der Kuss

Sprich, fühlst du, mein Mädchen,
Wenn wir einander küssen,
Dein Herzchen schneller klopfen?
Wenn ich dein saugend Mündchen
Mit meinem sanft berühre,
Dann ists, als ob das Herz mir
Wollt' aus dem Busen springen;
Dann giesst sich mir ein Feuer
Schnell aus durch alle Glieder:
Ich drücke mächtig bebend
Dich in die engen Arme. -
Sprich, fühlest du auch immer
Diess mächtige Entzücken,
Wenn du mich, unter Küssen,
In deine Arme klammerst,
Und an den Busen drückest;
Wenn unsre heissen Lippen,
Fest an einander hangen?
Ich glaube, liebe Phyllis,
Dass unsre beyden Herzen,
Wenn wir einander küssen,
Dass sie diess angenehme
Gefühl der Lippen neiden.
Wer weiss es - wenn sie könnten,
Ob sie auf unsern Lippen
Sich nicht begegnen würden!
O Mädchen, unsre Herzen
Begegneten sie so sich; - -
Wir stürben vor Entzücken.
(S. 91-92)
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Ein Kuss

Warum ich, du liebes Mädchen,
Lieber deinen schönen Mund,
Als die sanfte Wange küsse,
Hat wohl seinen guten Grund.

Ja, dein Wängleinpaar ist reitzend,
Heissen Wunsches hoher Lohn;
Aber, Mädchen, dieses Mündchen
Ist der Küsse schönster Thron.

Wenn ich voller, voller Liebe
So an deinem Busen lieg',
Und mich an die Purpurröschen
Deiner warmen Wange schmieg';

O da fühl' ich, wie so reichlich
Holde Minne mich beglückt;
Aber süsser ist das Mäulchen,
Auf die Lippe dir gedrückt.

Doch warum es süsser schmecke,
Mädchen, das begreifst du nicht;
Weil die Minne nur durch Küsse
Küsse auf die Lippen spricht.

Will ich deinen Mund dann küssen,
Und du reichst den Mund mir nicht;
Sprech' ich zwar - doch ohne Antwort,
Denn die Wangen sprechen nicht.

Aber, wenn mein Mund, o Mädchen,
Deine schönen Lippen nippt;
Dann empfind' ich, dass dein Mündchen
Mir die süsste Antwort gibt!

Lass mich denn, o liebes Mädchen,
Nicht so schweigend vor dir stehn;
Und nicht, wenn ich küssend spreche
Ohne Antwort von dir gehn!
(S. 93-95)
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Die Liebe

O sprich, wann zeigt die Liebe
Sich wohl am allerschönsten?
Bey strebendem Verlangen, -
Im lohnenden Genusse? -
Im Schooss der Phantasie schon
Empfinden wir die Wonne
Des lohnenden Genusses.
Doch, nächst an dem Genusse,
Wenn wir die straffen Saiten
Der Phantasie zu mächtig,
Zum Reissen überspannen,
Da herrschet nur Verwirrung
In unsrer düstren Seele.
Der traurige Gedanke:
Wir haben schon genossen!
Drückt schwer die müde Seele.
Doch gibt ein Blick von Hoffnung
Dem Wunsche wieder Leben;
Dann hebt der Geist und formt sich
Aus eitel Hirngespinste
Wohl tausend Freudenbilder.
(S. 96-97)
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Die missgebrauchte Freyheit

Amor kam auf meine Kammer:
"Dichter, du erlaubest mir,
Sprach er, wenn ich ja dich kenne,
Dass ich spiel' ein wenig hier!

Gar nicht werd' ich dich verhindern;
Gib das grosse Buch mir her;
Mausestille will ich sitzen;
Bilder suchen hin und her."

Also sprach er, und liess nimmer
Mich mit seinen Küssen ruhn,
Bis ich ihm es denn erlaubte,
Wollt' er nur nichts Arges thun.

Doch ich war nun schon gestöret,
Liess die Dichterarbeit stehn,
Um den losen Tändeleyen
Meines Knaben zuzusehn.

Müde so von stätem Sinnen,
Schaut' ich endlich vor mich hin;
"Seht, das Knäblein ruht noch immer,
Dacht' ich, hat den frömmsten Sinn."

Doch - was sah ich, wie er hastig
Auf des Schrankes Flügel riss,
Und die Bücher, durch das Fenster,
In das nahe Wasser schmiss! -

"Knabe, schrie ich, streng bezahlen
Sollst du deine Streiche da!"
Doch er weint' und schrie: "Die Mutter,
Hat es mir befohlen ja!" -

"Doch" - er wies auf drey, vier Bücher -
"Diese liess ich alle stehn!
Denn ich habe drin mein Bildniss
Auf dem ersten Blatt gesehn." - -

Traurig sah ich aus dem Fenster,
Wie der Bach sie mit sich riss;
Und nun hab' ich keine Bücher,
Als die Amor selbst mir liess.
(S. 103-105)
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Ein Kuss

Komm' ich, um deine Lippen
Recht liebevoll zu nippen,
Mit meinem Munde her;
So brennt, je mehr ich kämpfe,
Dass ich es küssend dämpfe,
Diess Feuer immer mehr.

Hast du mit mir empfunden,
Wenn du in trüben Stunden
Beyseite mich belauscht?
O Mädchen, o zurücke!
Schon haben diese Blicke
Mit Flammen mich berauscht.

Die Flamm', o du mein Leben,
Die Leiden mir gegeben,
Sie tödtet mich gewiss!
Kann meine Seele zwischen
Die Lippen dir entwischen;
Ist mir das Sterben süss.

O lass mich mit dir ringen,
Um deinen Hals mich schlingen,
Indess mein Mund dich küsst!
O brenne, brenne Flamme,
Bis Lieb' und Lebensflamme
Zugleich erloschen ist!
(S. 108-109)
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Die drey Reitze

Ist Aglaja glänzend, blendend,
Ihre Schönheit mehr als Schönheit,
Schöner selbst, als das Gestirne
In der hellen Nacht des Winters:

Brennt in Euphrosinens Augen
Sanftes, klares Liebesfeuer;
Spricht ihr anmuthvolles Wesen
Nichts als Zärtlichkeit und Liebe:

Ist Thalia frisch, und blühend
Wie die junge Frühlingsrose;
Lacht sie selber, wie der Himmel
An dem schönsten Frühlingsmorgen:

Hat Natur in meiner Phyllis
Alle Schönheit doch vereinigt.

Glänzend, blendend wie Aglaja,
Zärtlich, sanft wie Euphrosine,
Frisch und blühend wie Thalia,
Ist mein wunderliebes Mädchen.
(S. 110-111)
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Die vier Jahrszeiten

In dem Lenze pflückt' ich Blümchen,
Meiner Phyllis Brust zu zieren;
Und dann pflückte Phyllis Blümchen,
Flocht ein duftend Mayenkränzchen
Meine Stirne zu bekrönen:
Mit muthwillgen Füssen hüpften
Wir auf erst entsprossnen Kräutern -
Von dem Spitz der hohen Dünen
Sahen wir die schönen Wogen
An das blanke Ufer spühlen.
Höher glüht' im Abendstrahle
Meines Mädchens rothe Wange,
Und ein jedes Lächeln war mir
Holdes Bild der Frühlingsfreude.

In dem Sommer, wenn ein Windchen,
Wenn ein lieblich Abendwindchen
Durch die grünen Äste säuselt;
Wandle ich im Ulmenbusche
Meinem Mädchen an der Seite.
Mitten in dem düstren Busche
Ist ein liebes Sommerhäuschen;
Und da geh' ich mit dem Mädchen
'Nein ins liebe Sommerhäuschen.
Dann vertändeln wir den Abend,
Und, indess ich sie umschlinge,
Küss', und in die Arme drücke,
Wird es um und um uns dunkel;
Und dann wandeln wir, begleitet
Von den lauen Abendwindchen,
Fröhlich aus dem Busche wieder.

In dem Herbste, wenn die Blätter
Im Geheule rauher Winde
Über nackte Felder stöbern,
Geh' ich, mit dem lieben Mädchen,
In das früchtereiche Gärtchen. -
Phyllis scheut nicht wildes Wetter.
Und dann pflücken wir die Früchte,
Die von krummgebeugten Ästen
Sich dem lieben Mädchen biethen;
Beyde sind wir dann voll Freude;
Beyde kehren wir voll Freude,
Mit dem frischen Obst beladen,
Aus dem lieben Gärtchen wieder.

In dem Winter, wenn die Fluthen
In dem Winde mächtig stürmen,
Wenn die schwerbeladnen Wolken
Helle Flocken um sich streuen,
Sitz' ich eng' am lieben Mädchen,
Bey dem warmen, lichten Herde;
O dann glänzet Herzensfreude
Aus den schönen, frischen Augen!
O dann bin ich lauter Wonne!
Tausend sanft' und feste Küsse,
Tausend tändelhafte Küsse
Sind dann tausend stumme Zeugen
Unsrer nahmenlosen Freude.
So find' ich in Lenz' und Sommer,
Herbst und Winter lauter Freude.
Aber - währte Lenz auch immer,
Ohne meine liebe Phyllis
Würd' es ewig Winter bleiben.
(S. 112-115)
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An Phyllis

Noch empfind' ich,
Noch die Küsse,
Die du gestern
Mir geküsset!
Mich entzücket
Der Gedanke!
Welche Wonne!
Hohe Wonne
Bringt mir Liebe!
O bey Phyllis
Find' ich Freude:
Von den Lippen
Saug' ich Leben;
Aus den Augen
Fahren Funken
In das Herz mir,
Die da Triebe,
Reine Triebe,
Schnell entflammen.
Trunken kann ich
Dann nur stammeln:
"Liebe Phyllis!
Du mein Alles! -
Lass mich hin an
Deinen Busen! -
Sieh', ich fühl' ihn
Stärker wallen." -
Deine Lippen
Lispeln leise:
"Ja, ich liebe
Dich auf immer!" -
Mädchen, Mädchen,
Solche Freuden,
Sind die Freuden
In dem Himmel!
(S. 116-117)
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Der Weise

"Jüngling, horch! - so sprach ein Weiser,
Jüngling, mögest du den Himmel
In der stillen Nacht beschauen,
Wenn kein Wölkchen ihn verdüstert;
Mögest du die grossen Lichter,
Unzählbaren, grossen Lichter,
Um die Achsen rollen sehen! -
Magst des Frühlings schönes Antlitz
Auf den weiten Feldern schauen;
Frische Pflanzen, Purpurrosen,
Werden dich zur Andacht rühren! -
Höre dann im schönen Busche,
Höre, wie die jungen Vögel
Regellose Lieder singen! -
O Natur ist gross und edel!
Schaue alle ihre Schönheit!"

Ach, da sprach ich: "Lieber Weiser!
Alle Schönheit, die du nennest,
Kann ich ja in einem Wesen,
In dem besten Mädchen schauen!
Denn ihr Antlitz ist mein Himmel,
Ihre Augen meine Sterne,
Ihre Blüthen auf den Wangen
Sind mir mehr als Frühlingsrosen!
Ihre Stimm'! - o lieber Weiser,
Könntest ihre Stimme hören!
Nimmer würdest du im Busche
Auf die jungen Vögel horchen!

Ja, als die Natur geschaffen,
Hat sie alle Pracht und Schönheit,
In dem Mädchen, das ich liebe,
Schön und wunderbar vereinigt!"
(S. 124-125)
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Unglückliche Liebe

Eh' ich noch die Liebe kannte,
Gab ich ihr den grössten Werth!
Glücklich, rief ich, den die Liebe,
Mit dem Himmelsnektar nährt!

Weinend sah ich, wie ein Bürschchen,
Oft so wohlgemuth, gering,
Lauter Freuden auf den Wangen,
Zum geliebten Mädchen ging!

"Liebe, gib mir auch ein Mädchen,
Fleht' ich; lindre meine Pein!
Gib mir, gib mir auch ein Mädchen!
Warum irr' ich so allein?

Von Natur ist dich zu fassen,
Immerdar mein Herz bereit!
Liebe, ja es ist empfänglich
Deiner höchsten Seligkeit!

Nimmer kniet' ein treurer Diener
Vor dem mächtigen Altar:
Reine, ja, nur reine Triebe,
Bring' ich dir zum Opfer dar!

Gib mir doch ein sanftes Mädchen!
Sieh, ich bitte dich so sehr!
Gäbe Liebe mir ein Mädchen, -
Nichts, o nichts verlangt' ich mehr!"

Ich versucht' es manche Mahle;
Endlich hat es mir geglückt:
Ich sah Phyllis - und, wie plötzlich
Hat mich nicht ihr Reiz berückt! -

Meine nassen Augen sagten:
"O du sollst mein Mädchen seyn!"
Ihre nassen Augen sagten:
"Ja, du sollst mein Liebling seyn!"

Fest umschlang ich sie, und bebend
Stammelt' ich: "O du bist mein!"
Und auch sie erbebt' und leise
Lispelte sie: "Ich bin dein!"

Trunken stürzt' auf ihren Busen,
Wonnetrunken, nun mein Blick!
Doch ein Kuss - es war der erste -
Rief ins Leben mich zurück.

Nun ward ich bewusst des Glückes;
Nun erwacht' ich aus dem Traum:
"O du bist es;" wollt' ich rufen;
Doch ich konnt' es lallen kaum.

O, nun ist nichts mehr auf Erden,
Das mein volles Herz begehrt!
Nichts! - denn du bist über alles,
Bist mir mehr als alles werth.

Aber ach! der herbste Kummer
Lohnte diese Freuden mir!
Strenger Zwang entriss das Mädchen,
Riss es aus den Armen mir!

Riss es fort! - Mir selbst gegeben
War sie von der Liebe Hand,
Unzerreissbar war, womit sie
Uns umschlungen hielt, das Band! -

Noch lieb' ich das liebe Mädchen;
Noch liebt sie mich unverrückt!
Doch - wie traurig ist die Liebe,
Wenn ein harter Zwang sie drückt!

Liebe, nun der Leiden Quelle,
Sonst die Quelle hoher Lust!
Aus den nassen Augen fliessen
Zeugen der gedrückten Brust!

Grosse Liebe! Rett' uns, rett' uns,
Wenn der Zwang zu drücken ist!
O dann sing' ich, mit dem Mädchen,
Dass du Menschensegen bist!
(S. 126-130)
_____



Der Eifersüchtige

Ein zärtlicher Liebhaber
Ist immer eifersüchtig. -
Er fühlet, wenn sein Mädchen
Sich andere herbey lockt,
Fühlt heimliche Empörung
In seinem treuen Busen.
Ihm blickt ein unruhvoller,
Ein innerlicher Kummer
Aus halbgeschlossnen Augen.
Er trachtet seinen Kummer,
So sichtbar in der Miene,
Durch ein erzwungen Lächeln
Vor allen zu verbergen:
Doch spricht der Kummer deutlich
Von seinen blassen Wangen.
Dann brennt in seinen Augen
Die Flamme der Empörung;
Dann knirscht er mit den Zähnen,
Und flucht ihm, dem das Mädchen
So freundlich hat gelächelt.
Doch - sieht er sie nun wieder,
Und lächelt sie ihm zärtlich
Das Lächeln froher Liebe;
Schnell ist der blasse Kummer,
Sind Bangigkeit, und Unmuth
Vom Antlitz' ihm verschwunden:
Er sinkt an ihren Busen,
Drückt sie in seine Arme,
Und küsst ihr lieblich Mündchen,
Und stammelt unterm Küssen:
Du bist, du bist mein Mädchen, -
Die Wonne meines Lebens! -
Du bist - du bist mein Alles!
(S. 133-134)
_____



Warum die Liebe blind gemahlt wird

Vor Alters mahlte man den losen Minnenwicht
Mit einem Tuche vorm Gesicht.
Was hat die Alten wohl bewogen? -
Weil weder Gross noch Klein gesichert ist,
Wenn er den Pfeil einmahl bezogen,
Den er von seinem sichern Bogen
So unbarmherzig schiesst? -

O nein! - Man blendet seine Augen,
Damit ihn nicht die Schmerzen
Im tief durchbohrten Herzen
Zum Mitleid zu bewegen taugen:
Denn, säh' er einmahl nur, was er so oft gethan;
Er rührte sicherlich den Bogen nicht mehr an!
(S. 135-136)
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Das Jawort

"Liebchen, sprach ich zu dem Mädchen,
Sage nun, ob du mich liebst?"
Da verzog zum sanften Lächeln
Sich ihr Mund; ihr Aug war nass.

"Mädchen, ja, ich wiederhohl' es,
Sprich nun, sprich, ob du mich liebst?"
Doch sie stammelt', und ein Seufzer
Flog aus ihren Lippen fort.

"Sprich denn, rief ich ungeduldig,
Sprich denn, ob du mich nicht liebst?"
Sie erröthete, und kehrte
Ihr Gesicht auf meine Brust.

Hoch entbrannt von Unmuth, rief ich,
"Sprich denn, sprich, ob du mich liebst?"
Und sie seufzte wieder; endlich
Lispelte sie leise - "Ja!"

Küssend fing ich nun diess Wörtchen
Von den heissen Lippen auf;
Und sie drückte so das Siegel
Ihrer Lieb' auf meinen Mund!
(S. 140-141)
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Ein Fehler an Chloris

Natur gab meiner Chloris
Die allerschönsten Gaben;
Sie gab ihr schöne Glieder,
Und schöne, helle Augen,
Und Röschen auf die Wangen;
Sie gab ihr, trotz den Männern,
Vernunft und kluges Urtheil.
Kurzum, sie gab ihr alles,
Was junge Mädchen schmücket;
Doch, Schade! - Chloris weiss es!
(S. 160)
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Aus: J. Bellamy's Gedichte
Aus dem Holländischen
Erster Theil Wien
Gedruckt und verlegt bey Ignaz Alberti 1790

 

 


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