Wladimir Grigorjewitsch Benedictow (1807-1875)
russischer Dichter
Mascha
Wißt Ihr, wer im Felde glänzt wie Sternenschimmer? -
So ein Mädchen findet Ihr auf Erden nimmer!
Mascha ist der Abgott Aller, die sie kennen,
Mascha ist der Liebling Aller, die sie nennen!
Wer auch könnt' auf Mascha ohne Liebe schauen? -
Ob den Sternenaugen dunkeln Zobelbrauen;
Bis zur Hüfte schlängelt sich die Flechte nieder;
Gilt's ein Lied zu singen - hört Ihr Amsellieder!
Sucht im Wald mein Goldkind Beeren an der Quelle -
Lacht in finstren Schluchten plötzlich Sonnenhelle;
Kichernd bläst der Zephyr, will mein Mädchen fangen,
Reißt vom Hals das Tüchlein, küßt die Pfirsichwangen;
Selbst das scheue Vöglein flattert furchtlos munter
Auf die Schulter Maschas vom Gezweig herunter;
Scheint die Himmelswolke thränentrübe nieder
Und erblickt mein Herzchen - glänzt sie lächelnd wieder! .....
Sieh, da kommt vom Felde Mascha: - blaue Flocken
Streuen auf die Stirne ihr des Kranzes Glocken;
Herrlich prangt der Blumenschmuck auf ihren Haaren.
Doch was ist dem lieben Kinde widerfahren?
Mit gesenktem Köpfchen, Thränen in den Blicken,
Schwankt sie blaß. - Wer konnte meine Blume knicken?! ........
Ach, wo bleibt der Traute, der ihr einst gegeben
Dieses güldne Ringlein, er, ihr Licht und Leben? ...
Mascha harrt Wassilij's lange, bange Wochen -
Ach, es hat der falsche ihr die Treu gebrochen! ...
Jüngst saß er des Abends unterm Kirschenbaume,
Schwelgte in dem süßen neuen Liebestraume:
Küßte Nastia's Lippen, ihre weißen Hände,
Sprach Liebkosungsworte schmeichelnd ohne Ende,
Nannte sie: "Mein Täubchen", "Engel", "Süßes Leben!"
Drückte an den Busen sie mit Wonnebeben. -
Und in Schweigen bliebe der Verrath begraben,
Würd' ihn nicht der Zephyr just vernommen haben:
Des Verräthers Worte nahm er auf die Flügel,
Flog mit ihnen eilig über Thal und Hügel,
Grollend ob dem Treubruch; mit Gepfiff und Sausen
Schwoll er an zum Winde, schwoll zum Sturmesbrausen,
Krachte in den dunklen Wald mit dumpfem Dröhnen -
Und die Bäume bebten mit Geseufz und Stöhnen,
Des Verräthers Worte schwirrten in der Runde -
Da bekam ein Vöglein von dem Treubruch Kunde.
In die Lüfte schwang es sich von seinem Baume,
Flog mit trübem Zwitschern in dem Aetherraume,
Flog und klagte: "Menschen, das ist eure Treue?!"
Doch wer hört das Vöglein? - nur die Aetherbläue! ...
Also wird die Kunde nie zu Menschen kommen? ...
Siehe, eine Wolke kam vorbeigeschwommen
Und vernahm die Kunde ... Aber wehe! schweigen
Wird die stumme Wolke - kann ja nichts bezeugen! ...
Also bleibt begraben ewig das Verbrechen? ...
Nein, wo Worte schweigen, können Thränen sprechen!
Und da schwoll die Wolke, und mit Zorngebärde
Goß sie kalten Regen nieder auf die Erde.
Und es trank das Erdreich diesen Thränenregen -
Und schon geht die Kunde drunten allerwegen!
Sie zersprengt die schwarze harte Erdenkrume
Und ersprießt allorten blau als Glockenblume ...
Und kaum hatte Mascha sich den Kranz gewunden -
War aus ihrer Seele alle Ruh geschwunden;
Böse Ahnung nagte ihr in Kopf und Herzen,
Und die Augen weinten Thränen heißer Schmerzen! ...
(S. 85-87)
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Übersetzt von Friedrich Fiedler (1859-1917)
Aus: Der russische Parnaß
Anthologie russischer Lyriker
von Friedrich Fiedler
Zweite unveränderte Auflage
Dresden und Leipzig Verlag von Heinrich Minden [1910]